Es ist wieder so weit, Deutschland schaut gespannt nach Bielefeld. Dort werden ab 16 Uhr die "Oscars für Datenkranke" verliehen - mittlerweile zum vierten Mal. Ein Preis, über den sich die Ausgezeichneten nicht wirklich freuen.
"Es läuft eigentlich wie bei der Oscar-Verleihung. Das Problem wird nur sein, dass kaum einer der Preisträger kommt", beschreibt die Organisatorin des Big Brother Awards, Rena Tangens. Um trotzdem die Sichtweise der "Gewinner" darzustellen, wird es eine inszenierte Replik in Form einer kabarettistischen Einlage geben. "Auch wenn es sehr unterhaltend wird, ist es doch eine ernst gemeinte Veranstaltung", erklärt Tangens.
In den Kategorien "Arbeitswelt", "Politik", "Lebenswerk", "Behörden", "Kommunikation", "Verbraucherschutz" und "Regional" konkurrieren die Kandidaten um die Auszeichnung, die "an Firmen, Organisationen, und Personen verliehen wird, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aushöhlen." Im vergangenen Jahr gehörten unter anderem Bayer, Microsoft und das für die Maut verantwortliche Unternehmen Toll Collect zu den "Gewinnern".
Das erste Mal wurde der Preis 1998 in England vergeben - mittlerweile gibt es die Auszeichnung in 14 europäischen Ländern sowie Japan, Australien und den USA. Initiiert wurde die Auszeichnung in Deutschland vom "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD).
In der Jury sind neben dem FoeBuD mehrere Organisationen vertreten, die sich um den Schutz der Privatsphäre kümmern, darunter die Deutsche Vereinigung für Datenschutz. Neu in diesem Jahr hinzugekommen ist außerdem die Internationale Liga für Menschenrechte.
Der Name des Preises ist dabei nicht etwa der freiwilligen Entsorgung der informationellen Selbstbestimmung in Containern gewidmet, sondern stammt aus George Orwells Distopie "1984", einem Roman, in dem der Autor bereits in den vierziger Jahren den totalen Überwachungsstaat prognostizierte. Durch die Big Brother Awards soll das abstrakte Thema Datenschutz anhand von konkreten Beispielen verdeutlicht und verständlich vermittelt werden.
Sven Preger
Spiegel Online, 24. Oktober 2003
Original: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,270801,00.html