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Datenkrake GEZ

Teil 1

Der Inkasso-Riese mit dem Stasi-Image

Von Jochen Bölsche

Um ihre aufgeblähten Programme zu finanzieren, beschäftigen die Öffentlich-Rechtlichen einen weltweit einmaligen und verhassten Spitzelapparat. Datenschützer sehen in den Gebühreneintreibern der GEZ einen modernen "Big Brother", viele Bürger versuchen, das System auszutricksen. Eine SPIEGEL-ONLINE-Serie beschreibt die Methoden der GEZ-Agenten - und die Suche nach Alternativen zur Zwangsgebühr.

Klaus Görisch, Katzenfreund aus dem sächsischen Freital, staunte nicht schlecht, als er seine Post sichtete. Der Brief von der "Gebühreneinzugszentrale" (GEZ) war adressiert an seinen Kater Maxi: Das "sehr geehrte" Haustier möge gefälligst seine Rundfunkgeräte anmelden. Das Schreiben an "Maxi Görisch" ist mehr als ein Kuriosum. Es wirft ein Schlaglicht auf das sonderbare Treiben "einer der geheimnisvollsten deutschen Behörden", wie die "Süddeutsche Zeitung" das Unternehmen nennt, das für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten alljährlich Gebühren in Höhe von derzeit 6,6 Milliarden Euro eintreibt - und dessen Methoden vom faulen Trick an der Haustür bis zur elektronischen Rasterfahndung reichen. Als die "Sächsische Zeitung" dem Fall des Katers Maxi nachging, räumte ein Vertreter des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) ein: "So etwas passiert ab und zu." Denn um alle potenziellen Fernsehteilnehmer zu erfassen, nutze die GEZ auch Datensammlungen von privaten Adressen-Brokern, unter anderem offenbar Angaben über Katzen und deren Halter. Vage erinnert sich Tierfreund Görisch: "Da war doch mal dieses Gewinnspiel für Katzenfutter..."

Inkasso-Riese mit Stasi-Image

Fälle wie dieser verstärken nicht nur im Osten das "Stasi-Image" ("Frankfurter Rundschau") des Inkasso-Riesen, an dessen Computern in der Zentrale in Köln-Böcklemünd an die 1000 Angestellte die Daten der Besitzer von 40 Millionen Radios und 36 Millionen TV-Geräten verwalten. Im Außendienst ist darüber hinaus ein Heer von rund 1500 Zuträgern tätig, die auf Provisionsbasis Schwarzhörer und -seher aufspüren sollen. Um die Arbeit der so genannten "Beauftragten" ranken sich urbane Mythen und Legenden, seit die GEZ im Jahre 1976 von der Post das Gebühren-Inkasso übernommen hat: Sind die GEZ-Spitzel tatsächlich in der Lage, mit Peilwagen jeden heimlichen Hörer und Seher aufzuspüren? Und durchschnüffeln sie nicht regelmäßig auch den Hausmüll nach weggeworfenen Fernsehzeitschriften mit verräterischen Adressenaufklebern?

Spontaner Beifall brandete auf, als Bürgerrechtler kürzlich den Gebühreneintreibern für ihr "Lebenswerk" den "Big Brother Award 2003" verpassten. Der Große Bruder GEZ, urteilte Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) in seiner "Laudatio", sammele "im Übermaß Daten"; dabei schrecke er auch nicht vor der "Überrumpelung von Menschen" und der "Vorspiegelung falscher Tatsachen" zurück.

Geiz ist geil, GEZ ist uncool

Solche Vorwürfe sind nicht neu. Die GEZ-Gebühreneintreiber haben sich längst daran gewöhnt, dass ihr Ruf ähnlich grottenschlecht ist wie der von Drückern und von Politessen. Mehr und mehr belastet der Unmut über die GEZ neuerdings jedoch auch deren Auftraggeber, die öffentlich-rechtlichen Funkanstalten. Das Negativ-Image des Datenkraken erschwert die Bemühungen von ARD und ZDF, trotz Stagnation und Schuldenlasten vom Fernsehvolk immer höhere Zwangsgebühren einzutreiben - obwohl die Öffentlich-Rechtlichen für ihre Programme bereits heute doppelt so viel kassieren wie etwa die britische BBC.

Medienexperten wie der FDP-Abgeordnete Hans-Joachim Otto fordern seit längerem eine Abschaffung des gesamten "unwürdigen Schnüffelsystems". Kritiker wie er können mit Beifall vor allem von sozial Schwachen rechnen. Typisch für diese Gruppe ist ein arbeitsloser Elektriker, 30, aus dem Hamburger Stadtteil Billstedt, der einem Lokalreporter anvertraute: "Ich zahl' keine GEZ-Gebühren, denn ich guck' gar kein ARD und ZDF." Am unpopulärsten ist die GEZ bei Studierenden und anderen finanzschwachen jungen Erwachsenen, für die 16,15 Euro pro Monat viel Geld sind. Schon vor vier Jahren schockierte eine vertrauliche Studie die Gebühreneintreiber, nach der fast 40 Prozent der Menschen unter 35 Jahren nicht daran dächten, ihre Geräte anzumelden.

Bereits 1998 überstieg die Zahl der Abmeldungen erstmals die Zahl der freiwilligen Anmeldungen. Ursachen seien, so analysierte die Gebührenzentrale, die "schlechte wirtschaftliche Lage" und die "gesellschaftliche Individualisierung" - soll heißen: Schmarotzer- und Ellbogenmentalität verdrängen solidarisches Denken. Geiz ist geil, GEZ ist uncool.

Bis zum Lebensabend 23.000 Euro

Vielen, die mit 18 Jahren, wenn sie eigene Einkünfte und vielleicht eine eigene Wohnung haben, ins Visier der Gebührenfahnder geraten, leuchtet überhaupt nicht ein, warum sie neben der Kabelgebühr der Telekom auch noch fast 200 Euro pro Jahr für ARD und ZDF, Arte und 3Sat berappen müssen, obwohl sie selber vielleicht die privaten Musik- und Comedy-Sender bevorzugen, mit denen ihre Generation aufgewachsen ist.

Ein bedrückender Gedanke für manchen 18-Jährigen: Ob er die ARD- und ZDF-Angebote nun nutzt oder nicht - bis zu seinem 80. Lebensjahr müsste er bereits dann etwa 12.000 Euro Gebühren zahlen, wenn die Beträge auf dem jetzigen Stand eingefroren würden. Damit aber ist nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte kaum zu rechnen. Die "stetig sinkende Akzeptanz der Rundfunkgebühren vor allem bei jüngeren Menschen", die auch die SPD-Abgeordnete und Medienexpertin Elke Leonhard registriert, hat die Öffentlich-Rechtlichen alarmiert. Für ARD-Prominente wie den Südwestfunk-Intendanten Peter Voß ist die Steigerung der "Gebührenakzeptanz" unverzichtbarer Bestandteil einer "Überlebensstrategie" der Sender; die permanente Bewerbung ihrer Programme sei daher "zwingend notwendig".

Widerstand gegen das "AbGEZocke"

Dabei sehen sich die Vertreter der Anstalten zu bizarren Verrenkungen genötigt. Weil auch laut GEZ "die Jüngeren, die in erster Linie zu den Nichtanmeldern zählen, über die öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme kaum erreichbar sind", müssen ARD und ZDF vorrangig private Kanäle nutzen, wenn sie für ihr Angebot und für die Zahlung ihrer Zwangsgebühr werben wollen. Einen auf Jugendliche zugeschnittenen Spot, der für Gebührenehrlichkeit wirbt, ließ die GEZ daher auch auf Viva und MTV sowie im Kino zeigen. Darin fragt ein Rapper einen Kumpel mit Ghettoblaster: "Schon angemeldet?" Auf die Antwort "Das Ding ist doch noch nicht mal gekauft, Mann" outet sich der Neugierige als GEZ-Agent. Der Norddeutsche Rundfunk hat sich etwas anderes einfallen lassen. Die Anstalt entwickelte speziell für Jugendliche eine Gratis-CD mit einem Loblied auf die GEZ:

Zahlen und fröhlich sein, Spaß kost' Geld, das seh' ich ein. Späne fallen, wenn man hobeln muss, dann zahl' ich halt den Obolus.

Trotz aller Werbesprüche ("Schon GEZahlt?") scheinen Abneigung und Widerstand gegen die Öffentlich-Rechtlichen und ihr "AbGEZocke" weiter zuzunehmen - vor allem im Internet, an Universitäten und in der Alternativpresse.

Unter der Web-Adresse www.gez-abschaffen.de ist zu lesen: "Wir brauchen keinen durch Zwangsgelder finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk! Es gibt auch keine öffentlich-rechtlichen Zeitungen, die jeder zwangsweise zu abonnieren hat, der lesen kann - und trotzdem haben wir eine funktionierende Presselandschaft."

Der Webmaster und Kleinverleger Berndt Höcker führt seinen Kampf gegen "unlautere Vorgehensweisen" und "miese Tricks" der GEZ-Agenten ("Bespitzelungen, Ausfragen von Nachbarn, Eindringen in Wohnungen unter falschem Vorwand") wie der NDR auch in Versform. Frei nach einem Gedicht von Detlev von Liliencron (Refrain: "Lewwer duad üs Slaav") zitiert der Text einen Gebührenfahnder, der einen friesischen Schwarzseher namens Pidder Lüng beim Grünkohlessen stört:

"Du frißt deinen Grünkohl nicht eher auf, Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf..." Einen einzigen Sprung hat Pidder getan, Er schleppt an den Napf den Außendienstler ran Und taucht ihm den Kopf ein und läßt ihn nicht frei, Bis der GEZler erstickt ist im glühheißen Brei.

Wer so etwas witzig findet, der lacht auch über die Anti-GEZ-Fußmatte mit dem Aufdruck "Alle Geräte sind angemeldet", die vor WG-Wohnungstüren liegt. Und er freut sich über satirische Ratschläge der "taz", wie sich die Gebührenfahnder austricksen lassen: "Briefkasten nicht mehr öffnen, Telefon nicht mehr beantworten, Fernseher auslassen, Radio auslassen, Licht auslassen, möglichst nicht bewegen, flach atmen - dann besteht vielleicht die Chance, der GEZ-Fahndung zu entrinnen."

"Wer ehrlich antwortet, zahlt"

Ernst gemeinte Lebenshilfe dagegen leisten vielfach Studentenblätter und -ausschüsse. Sie klären, wie ein "Sozialinfo" an der Uni Karlsruhe, darüber auf, dass es sich bei den angeblichen Peilwagen der GEZ um ein "Ammenmärchen" handelt und dass das verhasste Unternehmen in Wahrheit ein "Papiertiger mit aufgeblähtem Bürokraten-Bauch" sei, den niemand fürchten müsse; denn die Fahnder dürften "nicht wesentlich mehr als ein stinknormaler Zeitungsdrücker".

"Die GEZ hat nichts zu melden," sind Ratschläge überschrieben, die an der TU Braunschweig kursieren. Frage: Muss man auf Briefe der GEZ reagieren? Antwort: "Nach zwei ignorierten Erinnerungsschreiben wird man nicht mehr angeschrieben." Frage: Was tun, wenn man dennoch erwischt wird und der Fahnder wissen will, wie lange man den Fernseher schon hat? Antwort: "Ehrlichkeit wird bestraft, Frechheit belohnt. Wer sagt, dass er den Fernseher erst seit gestern hat, kommt gratis davon. Wer ehrlich antwortet, zahlt."

Natürlich haben die studentischen Ratgeber ihrem Beitrag die Bemerkung vorangestellt: "Achtung! Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Rundfunkbenutzer verpflichtet sind, GEZ-Gebühren zu entrichten." Der Text sei "keinesfalls als Aufforderung zum Schwarzsehen zu verstehen".

Das Berliner Stadtmagazin "Zitty" hingegen verzichtete in einer einschlägigen Kolumne auf eine solche schlaue Klausel. Unter der Überschrift "GEZ? Kann man sich sparen!" forderte das Blatt seine Leser schlichtweg zum "Austreten" aus der Zahlergemeinschaft auf. Die "Inquisitoren", schrieb die Gazette, reagierten dann zwar mit "wüsten Briefen" und mit "peinlicher Befragung", am Ende aber passiere einem Gebührenmuffel "schlicht gar nix".

Dieser unverblümte Aufruf zur Erschleichung von Mediendienstleistungen rief prompt den Deutschen Presserat auf den Plan. Das Selbstkontrollorgan sprach dem Blatt seine Missbilligung aus - mit der Begründung, der Autor habe seine Leser "nicht im Unklaren" darüber lassen dürfen, welche Risiken ihnen drohten, wenn sie die Rundfunkgebühren verweigerten. Und in der Tat: So tumb und einfallslos, wie sie von manchem Boykott-Propagandisten hingestellt werden, sind die Gebühreneintreiber keineswegs.

Lesen Sie morgen den 2. Teil: Jagd mit Fangarmen und Fangfragen - die Tricks der Fahnder

Spiegel Online, 12. November 2003
Original: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,273563,00.html


Teil 2

Jagd mit Fangarmen und Fangfragen

Von Jochen Bölsche

Es gibt kein Entrinnen: Sie streichen abends um Häuser, quetschen neugierige Nachbarn aus und durchkämmen Laubenkolonien und Campingplätze. Die Datensammelwut der Gebührenfahnder sorgt für böses Blut - und belastet das Image der Öffentlich-Rechtlichen.

Der Fall liegt ein halbes Jahrzehnt zurück. Frank Mouson und Freundin Antje wollten sich "einen Jux" machen und wohl auch ein paar Werbegeschenke ergattern. Aus diesem Grund reagierte das Duo auf die Annonce einer Firma für Brautbedarf und gab sich auf dem Antwort-Coupon als junges Hochzeitspaar aus. Wenig später fand Mouson in seinem Briefkasten ein Schreiben der GEZ, adressiert an die fiktive "Antje Mouson", die weder seine Ehefrau war, noch bei ihm wohnte. Auf Nachfrage klärten ihn die Gebühreneintreiber auf, die ominöse Anschrift stamme von einem privaten Adressenhändler.

Mittlerweile können sich die GEZ-Computerfahnder in den meisten Bundesländern zuverlässigerer Dateien bedienen. Seit einer Reihe von Gesetzesänderungen Ende der neunziger Jahre haben sie Zugang zu den kommunalen Ummelde-Daten aller deutschen Kommunen (außer in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen). Und so werden in der Gebührenzentrale in Köln-Böcklemünd kontinuierlich die behördlichen Meldedaten mit den Personalien der fast 40 Millionen Gebührenzahler abgeglichen - eine gigantische Rasterfahndung, die nach Ansicht von Datenschützern permanent gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot der Verfassung verstößt.

Mit jedem Schreiben wird der Ton ruppiger

Wer bei den Meldeämtern erfasst ist, nicht aber in der GEZ-Gebührenzahlerdatei, wird von den Fangarmen des Datenkraken in eine bürokratische Mühle befördert, die den Betroffenen zumindest Ärger beschert - wenn nicht Ärgeres. Ganz gleich, ob einer überhaupt ein Fernsehgerät besitzt oder ob er vielleicht ein treuer Gebührenzahler ist, der nur durch einen Abgleichfehler unter die Verdächtigen geraten ist - er sieht sich als potenzieller Schwarzseher behandelt und wird mit einer Serie von Briefen bombardiert.

"Mit jedem der drei Formschreiben wird die Tonart ruppiger," kritisiert Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD). So werde bei den Betroffenen, pro Jahr bis zu fünf Millionen Menschen, beispielsweise "systematisch wahrheitswidrig der Eindruck erweckt, sie hätten diese Schreiben in jedem Fall - portopflichtig - zu beantworten".

Schon der so genannte Verdachtsschöpfungsabgleich zwischen GEZ- und Meldedateien missfällt Experten wie Burckhard Nedden, dem niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz. Seiner Ansicht nach kommt die Gebührenzahlerdatei "praktisch einem Bundesmelderegister gleich"; sie sei daher "rechtlich nicht zulässig". Doch die Rasterfahnder aus Böcklemünd begnügen sich keineswegs mit der Auswertung der Ummeldedaten.

Fahndung in der Kfz-Zulassungsstelle

Bei der Suche nach nicht angemeldeten Geräten zeigten sich die GEZ-Datensammler "hochgradig kreativ", sagt Kritiker Weichert. In seiner Rede zur Verleihung des "Big Brother Award" an die GEZ lastete der Datenschützer den Ermittlern an,

Wer die GEZ-Briefe beharrlich ignoriert, wird zwar postalisch zunächst nicht weiter bedrängt. Er hat aber gute Chancen, ins Visier der Außendienstler zu geraten, die überall in Deutschland auf der Suche nach dem verdächtigen bläulichen Flimmern um die Häuser streichen. Die Gebührenbeauftragten ersinnen immer neue Tricks, um sich ihr Kopfgeld für das Aufspüren von Schwarzhörern und -sehern zu verdienen. Ausgestattet mit den Adressen der Gebührenzahler, sortiert nach Straßen, kontrollieren die Ermittler bundesweit Haus für Haus, Tür um Tür alle Namensschilder. Entdecken sie neben dem Klingelknopf einen Namen, der nicht auf der Liste der Zahler steht, versuchen die Ermittler, den Verdächtigen als Gebührenpreller zu überführen. Per Augenschein, erklärt die Gebührenabteilung des Hessischen Rundfunks, werde "jede Adresse" in Deutschland "im Durchschnitt einmal im Jahr geprüft". Auch wer bereits einmal ergebnislos kontrolliert worden ist, sieht sich vor weiteren Nachforschungen nicht gefeit: Spätestens beim nächsten Umzug will die GEZ von einem TV-Verweigerer wissen, ob er sich mittlerweile nicht doch ein Fernsehgerät zugelegt hat.

Betrügern drohen 1000 Euro Ordnungsgeld

"Um die Verfolger abzuschütteln", hat auch die Nichtfernseherin Sigrid Wagner aus Untertürkheim "schon so ziemlich alles durchprobiert", wie sie publik machte - vom "standhaften Schweigen" bis hin zu "flehentlichen und bösen Briefen". Resultat: "Auf Dauer hat nichts geholfen." Auf die "rührende Anhänglichkeit" der GEZ reagierte das genervte Opfer am Ende nur noch mit Sarkasmus: "Hier erfährt man noch persönliche Zuwendung, echtes Interesse und rege Anteilnahme, fühlt sich geborgen in der großen Gemeinschaft der Registrierten."

Immerhin: Die Macht der Kontrolleure ist begrenzt. Wegen der grundgesetzlich garantierten Unverletzbarkeit der Wohnung dürfen sie nicht einmal einen Fuß in die Tür der Verdächtigen stellen. So gleichen die Gebührenfahnder, wie die "Süddeutsche Zeitung" formuliert, rechtlich einem "Eisenbahnschaffner, der Fahrkarten kontrollieren soll, dem aber keiner sein Ticket zeigen muss".

Am einfachsten haben es die Ermittler noch, wenn sie einen nicht gemeldeten Fernseher hinter einer Gardine erspähen oder wenn sie einen Nichtzahler erwischen, der vor seinem Haus in ein Auto mit Radio steigt. In solchen Fällen muss der Säumige mit einer Zwangsanmeldung bei der GEZ rechnen; werden ihm bewusst wahrheitswidrige Angaben nachgewiesen, sind bis zu 1000 Euro Ordnungsgeld fällig.

Doch viele Fahnder begnügen sich nicht mit dem bloßen Blick durchs Auto- oder Wohnungsfenster und der schlichten Frage an der Haustür, ob alle Geräte gemeldet sind. Immer wieder erfährt GEZ-Kritiker Weichert von "richtiggehenden Übergriffen". So verschafften sich Rundfunkfahnder "teilweise unter Vorspiegelung falscher Umstände, durch polizeiähnliches Auftreten oder durch einfaches Drohen" Zutritt zur Wohnung, um sodann die Privaträume "auf nicht angemeldete Geräte zu inspizieren".

"Störe ich gerade bei der Tagesschau?"

Beliebt sind Fangfragen wie: "Darf ich Ihnen eine Fernsehzeitschrift schenken?" In einer rechtlichen Grauzone bewegen sich Gebührendetektive, wenn sie den Eindruck erwecken, sie arbeiteten für die Marktforschung. Dann heißt es schon mal: "Wie fanden sie gestern 'Wetten, dass?'" Oder, nicht minder hinterhältig: "Guten Abend, störe ich gerade bei der Tagesschau?"

Die GEZ-Spione scheuen sich nicht, auch Nachbarn auszufragen - etwa über die Lebensverhältnisse von Paaren. Denn die Regelung, dass jeder Privathaushalt nur maximal ein Radio- und ein TV-Gerät anmelden muss und Zweitgeräte im Haushalt oder im Zweitwagen gebührenfrei sind, gilt nur für Ehepaare. Zieht indessen ein neuer Partner ins Haus und betreibt er seine Rundfunkgeräte im eigenen Zimmer, kann er zusätzlich zur Kasse gebeten werden.

Die Schnüffelei bringt das Inkasso-Unternehmen immer wieder in die Schlagzeilen. "GEZ-Fahnder terrorisieren die geschockten Anwohner," meldete "Bild" etwa, nachdem im Hamburger Stadtteil St. Georg ein Videohändler in seinem Laden, vor der Kundschaft, bedrängt worden war, seine Privatwohnung und obendrein die Privatadresse seiner Freundin preiszugeben: "Überlegen Sie sich das genau, Sie sind verpflichtet, zu antworten."

Bluff mit grauen Peilwagen

Auch vor blankem Bluff schrecken einige der Fahnder nicht zurück. Manch einer hat Verdächtige schon mit der Behauptung überrumpelt, ein "Peilwagen" habe die Existenz eines verheimlichten Fernsehers ermittelt. Mittlerweile hat sich in der Szene herumgesprochen, dass die grauen Peilfahrzeuge gar nicht für die Gebührenjäger der GEZ arbeiten, sondern im Dienst der Regulierungsbehörde nach elektronischen Störquellen fahnden.

Schwierig ist es häufig, einem überführten Gebührensünder nachzuweisen, dass er seine Geräte schon seit längerem illegal betreibt - was die Nachzahlung von bis zu fünf Jahresgebühren nach sich ziehen kann, also an die 1000 Euro. Erklärt der Besitzer, er habe das Gerät gerade erst gekauft, kann der Kontrolleur ihn zwar nach der Quittung fragen, doch die gängige Behauptung, der Apparat stamme vom Flohmarkt, ist schwer widerlegbar. Oft bekommen die Ermittler zu hören, der von ihnen aufgespürte Fernseher diene nur dem Empfang von Privatprogrammen oder sei nie in Betrieb gewesen: "Der steht da nur als Blumenbank." Doch solche Ausreden helfen den Ertappten nicht weiter. In Serien von Prozessen haben Rundfunkjuristen die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass selbst ein Gerät, das im Karton im Keller lagert, "zum Empfang bereitgehalten" werde und somit gebührenpflichtig sei.

Ermutigt durch solche Entscheidungen führen die Funkanstalten zum Teil absonderliche Prozesse. So verlangte der SWR von sämtlichen Aldi-Filialen die Zahlung von TV- und Radio-Gebühren, weil dort gelegentlich auch Rundfunkgeräte verkauft werden; dabei dürfen die Aldi-Kunden die elektronische Ware gar nicht vor Ort ausprobieren.

Das Miniradio in der Aktentasche

In Rheinland-Pfalz forderte die GEZ von einer Diakonissenanstalt selbst Geld für das Autoradio in einem Behindertenbus, obgleich die Betreuungsarbeit gebührenbefreit ist. Weil die Fahnder jedoch darlegen konnten, dass der Bus gelegentlich auch für Transporte eingesetzt wurde, gab das Gericht der GEZ Recht. Bisweilen allerdings geht den Richtern die Gebührengier der prozessfreudigen Rundfunkanstalten zu weit. Das Verwaltungsgericht Münster etwa wies das GEZ-Ansinnen zurück, von einem Krankenhaus auch für jeden der 294 Hörschläuche in den Patientenzimmern Gebühren zu kassieren.

Und das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht entschied, ein Beamter, der ein Batterie-Radio morgens in der Aktentasche mit in den Dienst nimmt und abends wieder heimträgt, müsse im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Rundfunkanstalten keine zusätzliche Gebühr zahlen. (Die GEZ verlautbarte daraufhin sogleich, dass die Entscheidung zugunsten des Beamten nichts an der Zahlungspflicht für mitgebrachte Radios an gewerblichen Arbeitsplätzen ändere.)

Der Dschungel des Gebührenrechts erleichtert es den GEZ-Fahndern immer mal wieder, schlecht informierte oder naive Bedienstete etwa von Kirchen oder Kindergärten auszutricksen und abzuzocken. Arglos führte zum Beispiel eine Pfarrerin in NRW einen GEZler durch kirchliche Jugendräume, wo in einer Abstellkammer seit vier Jahren ein geschenkter alter Fernseher stand, der mangels Antennenbuchse, Kabelanschluss und Satellitenschüssel nur gelegentlich zum Abspielen von Lehr-Videos verwendet wurde. Egal - die Pfarrei musste rund 700 Euro nachzahlen, die sie lieber in die Jugendarbeit gesteckt hätte.

Der Kirchengemeinde half es nicht, dass sich Einrichtungen der Jugendhilfe ebenso wie Kindergärten von der Gebührenzahlung befreien lassen können: Die Kirche hatte es - wie viele vergleichbare Institutionen - versäumt, rechtzeitig einen entsprechenden Antrag zu stellen. Eine rückwirkende Befreiung aber gestattet die GEZ nicht.

Razzien bei Campern und Laubenpiepern

Für böses Blut sorgen die Kontrolleure immer wieder, wenn sie Razzien in Gartenkolonien unternehmen oder Campingplätze durchkämmen. Für die oft von zu Hause mitgebrachten Radio- und TV-Geräte der Laubenpieper und Sommerfrischler stellten sie schon Rechnungen über jeweils Hunderte von Euro aus, die mit der Drohung überreicht werden: "Wenn Sie das nicht zahlen, müssen Sie 1000 Euro zahlen." Verängstigt akzeptiert mancher die Forderung. Denn kaum einer weiß zum Beispiel, dass er seinen Fernseher im Wohnwagen oder in der Gartenlaube - wenn es sich um sein einziges Gerät handelt - gar nicht doppelt anmelden muss.

Zwar könnten sich viele der Kleingärtner, oft einkommensschwache Senioren, von der Zahlung der Rundfunkgebühr ebenso befreien lassen wie Sozialhilfeempfänger und mancher Studierende. Doch nicht wenige scheuen den Weg zum Sozialamt - aus gutem Grund.

Damit ihnen die Zahlung der rund 17 Euro pro Monat erspart bleibt, werden die Antragsteller zu Angaben gedrängt, die laut DVD "in mancher Hinsicht weit über das hinausgehen, was zur Berechnung der Sozialhilfe erfragt wird": Anzugeben seien auch Telefon- und Handygebühren, Heiz- und Strom-, Kabel- und Internet-Kosten sowie alle Aufwendungen für den Pkw; und das alles müsse penibel "durch Belege nachgewiesen werden".

Schnüffeln und kein Ende: Wer glaubt, der Erfassungswut durch Abmeldung seines Fernsehers ein für allemal aus dem Wege gehen zu können, kennt die GEZ schlecht. Auf eine Abmeldebestätigung, so empört sich Datenschützer Weichert, könnten die Aussteiger lange warten. Statt dessen schicke ihnen die GEZ - ohne jegliche Rechtsgrundlage - die Aufforderung, "die Gründe für die Aufgabe ihres Gerätes mitzuteilen sowie die dritte Person zu benennen, die das bisherige Gerät übernommen hat". Verlangt wird, wie selbstverständlich, die Angabe des Geburtsdatums und der GEZ-Teilnehmernummer des neuen Besitzers.

Lesen Sie morgen den 3. Teil: Der Pantoffelzähler geht, der Rasterfahnder kommt

Spiegel Online, 13. November 2003
Original: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0%2C1518%2C273697%2C00.html


Teil 3

Der Pantoffelzähler geht, der Rasterfahnder naht

Von Jochen Bölsche

Nach dem Krach um die Rundfunkgebühren steht den Landesfürsten neuer Streit ins Haus. Die unpopulären GEZ-Schnüffler sollen durch eine elektronische Rundum-Bespitzelung abgelöst werden. Datenschützer warnen vor dem Aufbau eines beispiellosen Überwachungssystems.

Seit Jahren schon sinnt der Berliner Rechtsanwalt Hans-Joachim Otto darüber nach, wie er dem üblen "Schnüffelsystem" ein Ende bereiten kann, "bei dem Außendienstmitarbeiter der GEZ an Wohnungstüren klingeln, die Zahl der Pantoffeln zählen und ins Wohnzimmer lauschen, ob sie ein Fernsehgerät hören".

Die Forderung des FDP-Medienexperten, dem Datenkraken GEZ "auf jeden Fall" den Garaus zu machen, ist ohne Zweifel populär. Doch die Frage, wer sonst die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eintreiben soll, ist nicht so leicht zu beantworten. Seit Jahren befassen sich diverse Zirkel und Gremien mit dem heiklen Problem - und immer wieder mal verirren sich die Experten in einem Dschungel verfassungs- und datenschutzrechtlicher, sozial- und finanzpolitischer Details.

Unumstritten ist, was bereits 1986 das Bundesverfassungsgericht unterstrichen hat: dass eine "Grundversorgung" der Bürger durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten "essentiell" für die demokratische Ordnung ist. Auch die schärfsten GEZ-Kritiker stellen die Existenzberechtigung von ARD und ZDF nicht in Frage; umso heftiger allerdings wird diskutiert, wo die Grundversorgung endet und wo die Kür, über Gebühr, beginnt.

Unumstritten ist auch, dass sich aus dem Grundgesetz keine Existenzgarantie für die Gebührenzentrale ableiten lässt. "Die GEZ," sagt der Mainzer Medienrechtler Dieter Dörr, "ist nicht verfassungsrechtlich vorgegeben."

Geht's ohne GEZ?

Ende der neunziger Jahre kam die Überlegung auf, die derzeitige Apparate-Gebühr einfach durch eine Jedermann-Steuer nach niederländischem Vorbild zu ersetzen. Die Umsetzung dieser Idee hätte zwar die Schnüffelei reduziert, aber die Öffentlich-Rechtlichen verstärkt der Willkür der Finanzpolitiker ausgesetzt; das Konzept war daher rasch vom Tisch.

Daraufhin debattierte die Szene der Funk- und TV-Experten jahrelang über eine weitere, ebenfalls auf den ersten Blick elegante Variante: Jeder Volljährige wird zwar nicht mit einer Steuer, aber mit einer "Bürgerabgabe" oder "Pro-Kopf-Abgabe" belastet, die das Finanzamt zugunsten der Rundfunkanstalten kassiert - so wie der Fiskus im Auftrag der Glaubensgemeinschaften die Kirchensteuer einzieht.

Patentrezept mit Haken und Ösen

Propagiert wurde das vermeintliche Patentrezept mit dem Argument, es werde sowohl dem Schwarzsehen als auch der Schnüffelei ein Ende bereiten. Doch das Konzept hatte, so ergab die Debatte, gleich mehrere Haken und Ösen. So würde eine Einschaltung der Steuerbehörden als Dienstleister die verfassungsrechtlich gebotene Staatsferne des Rundfunks in Frage stellen. Auch der bürokratische Aufwand wäre erheblich: Würde die jetzige Gebühr durch eine Pro-Kopf-Pauschale ersetzt, müssten die Finanzämter Millionen von Daten erheben, die ihnen bislang nicht vorliegen, etwa von Rentnern und Studenten.

Von einer Aufteilung der Rundfunk-Kosten auf alle Volljährigen würden zwar Singles profitieren. Auf Mehrpersonenhaushalte aber käme teilweise eine Verdoppelung heutigen Gebühren zu - was mit dem grundgesetzlich verbürgten Schutz von Ehe und Familie kollidieren würde. Also wurde auch die Idee einer Bürgerabgabe aufgegeben.

Ein Haushalt - eine Gebühr

Daraufhin favorisierten die Bundesländer, zuständig für die Mediengesetzgebung, eine so genannte Haushaltsabgabe. Das verblüffend einfache Modell unterstellt, dass in jedem Haushalt wie auch in jedem Betrieb heutzutage mindestens ein Funk- oder Fernsehgerät steht, und kehrt die Beweislast schlicht um: Die Rundfunkanstalten müssten nicht länger die Existenz von Empfangsgeräten recherchieren und nachweisen, sondern Funk- und Fernsehverweigerer deren Nichtexistenz zu Protokoll geben, zum Beispiel per eidesstattlicher Erklärung.

Das Prinzip "Ein Haushalt - eine Pauschalgebühr" würde Familien mit solchen Kindern, die ein eigenes Einkommen beziehen, sowie unverheiratete Paare und Wohngemeinschaften günstiger stellen als bisher. Das Pauschalverfahren könnte sinngemäß auch auf Unternehmen, Krankenhäuser, Schulen und Hotels angewandt werden: jeweils nur eine Pauschalgebühr für beliebig viele Geräte.

Auf diese Weise würde sich auch erledigen, was nach dem zurzeit gültigen GEZ-Modell fällig wäre: eine spezielle Gebührenregelung für Internet-Computer und für künftige UMTS-Telefone zu finden, mit denen ebenfalls Funk und Fernsehen empfangen werden können.

Befürworter der pauschalisierten Haushaltsabgabe argumentieren ferner, dass bei einer Beweislast-Umkehr die öffentlich-rechtlichen Drückerkolonnen abgebaut werden könnten; etwa 90 Prozent der GEZ-Außendienstler würden überflüssig.

Allerdings: Der Abschied von den neugierigen Pantoffelzählern soll nach den Vorstellungen der Rundfunkanstalten mit einem bislang ungeahnten Ausmaß elektronischer Schnüffelei erkauft werden. Sollten sich die Anhänger dieses Modells durchsetzen, entstünde unter dem Dach der GEZ ein Überwachungssystem, wie es in der Geschichte der Menschheit ohne Beispiel wäre.

Auf dem Papier hat jene Volksdatei immerhin schon Gestalt angenommen. Entworfen wurde eine Zentralverwaltung mit Zugriff auf Schlüsselinformationen über praktisch die gesamte Bevölkerung - ein Datenmonster, das die Albträume der Volkszählungsgegner von einst weit übersteigt und der nicht nur in Zeiten verstärkter Terroristenabwehr die Begehrlichkeit von Rasterfahndern aller Art wecken würde.

Zentralregister über Partner und Sozialbezüge

Nach dem Willen der Rundfunkanstalten sollen zwecks Erhebung der Haushaltsabgabe sämtliche Meldebehörden dazu verpflichtet werden, der GEZ die Daten aller Personen in Deutschland zu übermitteln, die älter als 16 Jahre sind.

Dadurch entstünde in Köln-Bocklemünd, so die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in einer gemeinsamen Entschließung, "faktisch ein bundesweites zentrales Register aller über 16-jährigen Personen". Enthalten wären in dem Daten-Pool teils hoch sensible Personalien: "Informationen über soziale Verhältnisse (wie Partnerschaften, gesetzliche Vertretungen, Haushaltszugehörigkeit und Empfang von Sozialleistungen)" - und das, obwohl "ein großer Teil dieser Daten zu keinem Zeitpunkt für den Einzug der Rundfunkgebühren erforderlich ist".

Die Vereinfachung der Gebührenerhebung sollte absurderweise mit einer Ausweitung der Datenerhebung einher gehen: "Auch wenn in Zukunft nur noch für ein Rundfunkgerät pro Wohnung Gebühren gezahlt werden, sollen alle dort gemeldeten erwachsenen Bewohner von vornherein zur Auskunft verpflichtet sein, selbst wenn keine Anhaltspunkte für eine Gebührenpflicht bestehen," wundern sich die Datenschutz-Profis.

Eine Lizenz zum Abzapfen

Das alles sei, von der Sache her betrachtet, völlig überzogen: Es würde völlig ausreichen, wenn "zunächst - wie bei den amtlichen Statistiken erfolgreich praktiziert - nur die Meldedaten für eine Person übermittelt werden, die dazu befragt wird". Doch der Erfassungswahn kennt keine Grenzen: Zusätzlich zur regelmäßigen Überspielung aller Zu- und Wegzüge aus den Meldeämtern verlangten die Funkanstalten auch noch Übermittlungen aus diversen weiteren staatlichen und sonstigen öffentlichen Dateien, etwa den Registern der berufsständischen Kammern, den Schuldnerverzeichnissen und dem Gewerbezentralregister. Auf alle diese Daten möchte die GEZ auch online zugreifen dürfen - eine General-Lizenz zum An- und Abzapfen.

Ausdrücklich gestattet werden sollte der GEZ die von den Datenschutzbeauftragten einhellig als "unzulässig" bezeichnete Praxis, ohne Wissen der Bürgerinnen und Bürger deren personenbezogene Daten auch bei Dritten zu erheben - beispielsweise in der Nachbarschaft oder bei privaten Adresshändlern.

Die Überwacher überwachen sich selbst

Von externen Kontrolleuren wollen sich die GEZ-Verantwortlichen bei ihrer heiklen Zapf- und Abgleicharbeit nicht in die Karten gucken lassen. Bisher schon haben sie sich einer umfassenden unabhängigen Datenschutzkontrolle (außer in Berlin, Brandenburg, Bremen und Hessen) entziehen können - "mit einem Trick", so Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD).

Die Gebühreneintreiber behaupten allen Ernstes, für sich das Medienprivileg in Anspruch nehmen zu können, das der grundgesetzlich verbürgten Pressefreiheit entspringt. In Wahrheit habe das Sammeln von Daten über "wirkliche und fiktive Gebührenschuldner" jedoch "nichts, aber auch gar nichts mit einer freien Berichterstattung zu tun", empört sich Weichert.

Auf Grund dieser verwegenen Konstruktion wird die Arbeit der GEZ in der Regel nicht von den Datenschutzbeauftragten der Länder überwacht, sondern vorwiegend von speziellen Rundfunk-Datenschutzbeauftragten, deren Tätigkeit sich, so Weichert, "der kritischen Öffentlichkeit entzieht und denen die Unabhängigkeit von ihren Anstalten abgeht - eine Unabhängigkeit, die von der Europäischen Datenschutzrichtlinie zwingend gefordert wird".

Das alles könnte noch schlimmer kommen. Nach dem Urteil der Landes-Datenschutzbeauftragten würden bei einer Verabschiedung des Modells auch die letzten regional noch "bestehenden Möglichkeiten der Aufsicht durch die Landesbeauftragten ... ausgeschlossen werden, so dass für die Rundfunkanstalten und die GEZ insoweit nur noch eine interne Datenschutzkontrolle" bestünde. "Unvertretbar" sei es, urteilten die Datenschützer von Bund und Ländern bereits im Frühjahr, ein solches Überwachungsungetüm in die Welt zu setzen, nur "um letzte Schwarzseher und Schwarzhörer aufzuspüren".

"Wir machen auch Hausbesuche"

Diese Argumentation scheint auch etlichen Landesregierungen einzuleuchten. Statt, wie ursprünglich geplant, zum 1. Januar 2005 nicht nur neue Rundfunkgebühren, sondern auch ein neues Erhebungsverfahren zu beschließen, haben die Ministerpräsidenten die Experten aufgefordert, erst einmal Alternativlösungen zu entwerfen.

Die Datenschützer sind indes pessimistisch. Nachdem die Landesfürsten signalisiert haben, dass sie nicht gewillt sind, den Intendanten jeden Geldwunsch zu erfüllen, könnten die Anstalten versuchen, ihre Gebühreneinnahmen künftig auf andere Weise zu erhöhen - durch verschärfte Fahndung nach Schwarzsehern und -hörern. Weil die Sender aber nicht noch mehr Unmut in der Bevölkerung schüren wollte, könne der Drang zunehmen, sich verstärkt der lautlosen Computer-Fahndung zu bedienen, fürchtet der hannoversche Datenschutz-Referent Wilfried Seiffert: "Die hoffen, das merkt keiner."

Solange allerdings die neuen Instrumente nicht zur Verfügung stehen, arbeitet die GEZ weiter wie gehabt. Unter der schönen Überschrift "Wir machen auch Hausbesuche" veranstaltet sie zurzeit "GEZ-Wochen", in denen "in einer Reihe von Städten und Regionen verstärkt Rundfunkgebühren-Beauftragte" ausschwärmen werden.

Heimsuchen werden die Abgesandten, so heißt es weiter auf der GEZ-Website, nicht nur die "bisher nicht bei der GEZ gemeldeten Haushalte", sondern darüber hinaus auch all diejenigen, "die bereits bei der GEZ angemeldet sind und die die überwiegende Mehrheit ausmachen".

Spiegel Online, 14. November 2003
Original: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0%2C1518%2C273827%2C00.html

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