Darauf kann niemand stolz sein: Bürgerrechtsaktivisten und Datenschützer haben dem Cloud Computing einen Datenkraken-Oscar verliehen. Auch zwei Minister, ein Software-Hersteller und eine Spielefirma wurden mit Negativpreisen für besonders eifriges Datensammeln bedacht. Info
Bielefeld - Wegen eklatanter Mängel beim Datenschutz hat der Verein Foebud seine diesjährigen Negativpreise verliehen, die BigBrotherAwards. Unter den sieben "Preisträgern" sind diesmal zwei Innenminister, zwei Software-Firmen und das sogenannte Cloud Computing. Der Verein zur "Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (Foebud) vergibt die Anti-Auszeichnungen in Bielefeld zum zwölften Mal. Die Preisverleihung lässt sich am 13. April ab 18 Uhr auch per Livestream verfolgen.
Beim Cloud Computing werden IT-Dienstleistungen aller Art ins Internet verlagert: Statt Dateien, Fotos, E-Mails auf dem eigenen Computer zu Hause zu speichern, legt man die Daten zentral auf dem Server eines Anbieters ab und greift von allen möglichen Rechnern, aber auch von Mobilgeräten übers Internet auf dieses Daten zu.
Der Foebud kritisiert, dass Nutzern in der Cloud die Kontrolle über ihre Daten entzogen werde. Viele Cloud-Anbieter seien als US-Firmen dazu verpflichtet, US-Behörden Zugriff auf alle Daten in der Cloud zu gewähren. Das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme werde damit eklatant verletzt, hieß es in der Begründung. "Wer Adressbücher und Fotos oder Archive, Vertriebsinfos und Firmeninterna unverschlüsselt in den undurchsichtigen Nebel der Cloud verlagert, handelt mindestens fahrlässig", meinte die Jury.
Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) bekommt einen der Negativpreise für die Handydaten-Affäre. Nach einer Demonstration von 20.000 Menschen gegen einen Neonaziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden stellte sich heraus, dass mehr als eine Million Datensätze von Handys ausgewertet worden sind.
Auch das Cyber-Abwehrzentrum und das gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) seien "Datenkraken", so die Datenschützer. Zusammen mit der geplanten zentralen Verbunddatei gegen Rechtsextremismus würden entgegen der Verfassung Polizei, Geheimdienste und teilweise das Militär auf problematische Weise vernetzt und verzahnt, so die Jury.
Preiswürdig war für die Datenschützer auch die Software "FinFisher" der Gamma Group. Gamma werbe damit, dass Sicherheitslücken im Apple-Shop iTunes und im Kommunikationsdienst Skype genutzt würden, um etwa mit gefälschten Updates Spionagesoftware auf andere Rechner einzuschleusen. Die Software werde an Geheimdienste und staatliche Einrichtungen im In- und Ausland verkauft.
Auch dem Onlinespiel-Unternehmen Blizzard Entertainment ("World of Warcraft") wirft der Verein Datenschutzverletzungen vor. So ließen sich aus der protokollierten Spieldauer, erhobenen Rechnerdaten, dem Abgleich von Freundeslisten und dem Spielerverhalten Persönlichkeitsprofile und Charakterstudien erstellen. "Viele Informationen über die Spieler und Spiel-Charaktere sind im Netz von jedermann öffentlich einsehbar", hieß es.
Mit dem seit 2000 vergebenen BigBrotherAward will der Verein in Deutschland die öffentliche Diskussion über Privatsphäre und Datenschutz befördern. Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt, in 19 Ländern wurden die Anti-Preise bisher verliehen. mak/dpa
Spiegel Online, Hamburg, 13. April 2012
Original: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,827409,00.html