FoeBuD e.V.  ·  Marktstraße 18  ·  D-33602 Bielefeld
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Der Club der freundlichen Genies

Theodor-Heuss-Medaille geht an Bielefelder Initiative gegen Datenschnüffelei

Für sein außerordentliches Engagement für die Bürgerrechte wird dem „FoeBuD e. V.“ heute in Stuttgart die Theodor-Heuss-Medaille verliehen. Der Bielefelder Verein kämpft für die Persönlichkeitsrechte.

Zunächst glaubt man bei einer pfiffigen Werbeagentur in der Provinz angekommen zu sein. Die Räumlichkeiten haben etwas Durchgestyltes. Doch das ehemalige Ladengeschäft in der zentrumsnahen Marktstraße von Bielefeld beherbergt eine wenig marktkonforme Institution. Es ist Sitz des „Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs”, abgekürzt „FoeBuD“ (www.foebud.de).

Dass von hier aus einige der für Industrie, Handel und Politik folgenreichsten Attacken zur Verhinderung des gläsernen Bürgers und Konsumenten gefahren wurden, ist in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt. Doch Datenexperten und die betroffenen Unternehmen in Deutschland kennen die Bielefelder Spezialisten nur zu gut.

Und neuerdings wissen auch Innen- und Rechtspolitiker wer dieser sperrig klingende „FoeBuD“ ist. Der 120 Mitglieder zählende Verein ist nämlich mitverantwortlich dafür, dass Ende Februar das Bundesverfassungsgericht die von Staats wegen beabsichtigten heimlichen Online-Durchsuchungen „für verfassungswidrig und nichtig erklärt“ hat. (Stichwort: „Bundestrojaner“).

Sprecherin Rena Tangens fasst den Anspruch des Vereins in einem Satz zusammen: „Es geht uns um eine lebenswerte Zukunft im digitalen Zeitalter.” Schärfer formuliert heißt das: Aktionen richten sich gegen den „überwachungs-industriellen Komplex”. Denn, so Rena Tangens, „beim Datenschutz geht es letzten Endes um die Persönlichkeitsrechte von Menschen”.

Erfahrung, Wissen und die Fähigkeit, gegen den Missbrauch von Daten anzugehen, sind bei der auch als „Club der freundlichen Genies” bekannten Gruppe reichlich vorhanden. Einen maßgeblichen Anteil daran hat die seit 1987 vom „FoeBuD“ organisierte Veranstaltungsreihe „PUBLIC DOMAIN“ (Öffentlicher Raum). Expert/innen stellen monatlich neue Themen vor, die in der Summe eine gesellschaftspolitische Think-Tank-Sammlung aus den Bereichen Zukunft, Technik, Wissenschaft, Politik, Kunst und Kultur bilden. So kommt es zur Erörterung von datenrechtlich problematischen Themen wie „Gen-Profile und Identifizierungswahn” oder auch zu – wie in der Vergangenheit bewiesen – spektakulär ablaufenden Aktionen gegen den Handelsriesen Metro. Der hatte in einem konzerneigenen Betrieb, ohne Wissen der Kunden, sogenannte RFID-Schnüffelchips eingesetzt (siehe unten) und musste nach „FoeBuD“-Protesten klein beigeben.

Die Initiative zeichnet auch für die deutsche Ausgabe des „Big Brother Awards“ verantwortlich. Die alljährlich vergebenen, wenig beliebten „Oscars für Datenkraken” werden mittlerweile in zwanzig Ländern verliehen. Damit sollen – jeweils landesbezogen – Firmen, Personen und Institutionen bekannt gemacht und gebrandmarkt werden; weil sie nach Auffassung der Jury bei der „Verletzung des Datenschutzes, der informationellen Selbstbestimmung und der Privatsphäre“ besonders dreist vorgegangen sind.

Zu den so „Geehrten“ zählen inzwischen, neben einer Reihe von Bundesministerien, so bekannte Marken wie eben Metro oder Payback, Novartis Pharma, die Deutsche Bahn und internationale Hotelketten. Was ist ein RFID-Chip?

Ein RFID-Chip besteht aus einem klitzekleinen Chip mit Drähten, die eine Antenne bilden. Diese Technologie macht es möglich, Daten aus der Distanz abzurufen und auszulesen, ohne dass es bemerkt werden kann (RFID steht für Radio Frequency Identifikation).

Ursprünglich als Ersatz für den Strichcode auf Waren und zum Einsatz in der Logistik gedacht, ist es mit Hilfe dieser RFID-Chips möglich, in eine völlig neue Dimension der Überwachung und Manipulation vorzustoßen; sofern diese Chips nicht an Waren, sondern in Kundenkarten oder etwa Firmenausweisen untergebracht werden. Denn jeder RFID-Chip hat eine weltweit einzigartige Seriennummer, die über Funk abgefragt werden kann.

So können einerseits Personen und deren Einkaufs-Vorlieben zweifelsfrei registriert und identifiziert werden, andererseits kann damit auch das Personal einer Firma überwacht werden; durch RFID-Chips in Firmenausweisen oder der Berufskleidung.

Die Chips sind so klein und billig, dass sie bald in jeden Jackenkragen oder in eine Schuhsohle „eingepflanzt“ werden können. Dort lassen sie sich nicht mehr entfernen, ohne das Produkt zu zerstören. Das bedeutet: Jede Lese-Antenne, an der man vorbeikommt (im Bus, an der Tankstelle, im Supermarkt), erfasst den Chip und die damit zu identifizierende Person aufs Neue. So kann allmählich ein Konsum-, Verhaltens- oder auch Bewegungsprofil erstellt werden.

Klaus Betz

Südwest Presse, Ulm, 12. April 2008
Original: Nicht bekannt

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