HANNOVER taz Seit gestern ist Niedersachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann Träger des "Big Brother Award" in der Kategorie Politik. Damit "würdigte" Laudator Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte neben Schünemann auch die Innenminister von Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Die Herren würden "im Windschatten der Terrorismusbekämpfung" drastische Einschnitte in die Grundrechte "einer Vielzahl unverdächtiger Personen" vornehmen.
Der "Negativ-Preis für Datenkraken" wird seit vier Jahren vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs vergeben. Preisträger bisher: das LKW-Mautsystem, Microsoft, die Payback-Kundenkarte und die Videoüberwachung der Bahn.
Die Minister hätten durch die "präventive Telekommunikationsüberwachung" einen "Frontalangriff auf elementare Freiheitsrechte" gestartet, sagte Gössner. Ohne konkreten Verdacht sollen durch den präventiven Lauschangriff Telefone und Handys abgehört werden. "Wo die Prävention zur Polizeilogik erhoben wird", so Gössner, mutiere der "Mensch zum potenziellen Sicherheitsrisiko". Der Staat spreche so ein "generalisiertes Misstrauensvotum" gegen seine Bürger aus. Während die Regelung in Thüringen bereits gilt, steht sie in Niedersachsen kurz vor der Einführung.
Der Jury des "Big Brother Award", der "auf den missbräuchlichen Gebrauch von Technik und Informationen hinweisen will", gehören unter anderem der Chaos Computer Club und die Humanistische Union an. Während die Grünen im niedersächsischen Landtag Schünemann als "würdigen Preisträger", belobigten, beschwerte sich der ausgezeichnete Minister über seinen Sprecher: "Wenn schon, dann hätte er den Preis am liebsten ganz für sich alleine gehabt."
Kai Schöneberg
tageszeitung Nord, 25. Oktober 2003
Original: http://www.taz.de/pt/2003/10/25/a0351.nf/text