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Immer neue Polizeibefugnisse

Alles für die Fahndung

Den Mord an einem Lkw-Fahrer nutzt Innenminister Schäuble (CDU) für eine neue Debatte um das Mautgesetz

Wieder einmal wird ein Verbrechen benutzt, um neue Polizeibefugnisse einzuführen. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will nach dem Mord an einem Parkplatzwächter bei Crailsheim (Baden-Württemberg) der Polizei den Zugriff auf Mautdaten erlauben. Bisher sind diese Daten für die Strafverfolger tabu.

Am 17. November wurde auf dem Autobahnrasthof Satteldorf ein 61-Jähriger von einem ausländischen Lastzug vermutlich absichtlich überrollt. Der Parkplatzwächter hatte versucht, von den Fahrern zweier weißer Sattelzüge eine Gebühr von 10 Euro zu kassieren, die zum Duschen und Übernachten berechtigte und auch als Verzehrbon diente. Nach Polizeiangaben soll es dabei zu einem Streit gekommen sein, worauf die Lkw-Fahrer Gas gaben - der eine fuhr am Wächter vorbei, der andere überrollte ihn. Die Täter entkamen unerkannt.

Innenminister Wolfgang Schäuble, will in solchen Fällen künftig auf die Mautdaten zurückgreifen. Einen entsprechenden Bericht der ßi'W-Zeitung bestätigte gestern eine Sprecherin Schäubles gegenüber der taz: „Wir prüfen, ob und welche Gesetzesänderung notwendig ist." Der Zwischenfall von Satteldorf ist allerdings nur der publikumswirksame Aufhänger für das Vorhaben. Schon in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD war die Nutzung der Mautdaten ein Thema. Nach Auskunft des Bundesjustizministeriums vereinbarten die neuen Regierungspartner schon damals, eine Gesetzesinitiative zu prüfen.

Im Koalitionsvertrag findet sich dazu freilich nichts. Vermutlich ist das Vorhaben insbesondere der SPD zu peinlich. Jahrelang hatte die Bundesregierung betont, dass die Mautdaten nur zur Abrechnung der Autobahnbenutzung verwendet werden. Und um alle Missverständnisse auszuschließen, wurde erst im Dezember 2004 das Autobahnmautgesetz ergänzt: „Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig" heißt es jetzt in aller Deutlichkeit.

Anlass für diese gesetzliche Klarstellung war ein Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom August 2003. Damals hatte die örtliche Staatsanwaltschaft einen Beschluss auf Herausgabe von Mautdaten erwirkt, um nach einem gestohlenen Containerlastwagen zu fahnden, der mit einem Mautsender ausgestattet war. Der Mautbetreiber Toll Collect weigerte sich zwar, Daten herauszugeben, doch Datenschützer waren alarmiert und drängten auf eine gesetzliche Klarstellung.

Nun soll das also alles vergessen sein. Innenminister Schäubles Vorhaben findet zum Beispiel Unterstützung bei seinem baden-württembergischen Kollegen Heribert Rech (CDU). Die Opposition hingegen kritisierte das Vorhaben deutlich. Der FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich äußerte „Unverständnis" über des Vorhaben, die Grünen-Innenpolitikerin Silke Stokar sagte der ARD: „Das verstößt meiner Meinung nach gegen die Verfassung." Und die Abgeordnete der Linkspartei, Petra Pau, sieht in einer Gesetzesänderung einen Verstoß gegen den Datenschutz.

Heribert Rech ist gerade Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) und will sich auf der nächsten IMK-Sitzung am 8. und 9, Dezember in Karlsruhe für einen unterstützenden Beschluss einsetzen. Zumindest das Zweckentfremdungsverbot im Gesetz über die Autobahnmaut müsste gestrichen werden. Ob 'außerdem eine Änderung der Strafprozessordnung (StPO) erforderlich ist, wird noch geprüft.

Die Richter in Gummersbach stuften die Funksignale des Mautsenders im Lastwagen frech als Telekommunika-tions-Verbindungsdaten ein. Die Herausgabe solcher Daten kann die Polizei nach Paragraf 100 g StPO bei erheblichen Straftaten schon heute verlangen. Viele der Mautdaten müssen laut Gesetz allerdings nach der Bezahlung „unverzüglich" wieder gelöscht werden. Möglicherweise wird die Polizei deshalb bald eine Vorratsspeicherung der Mautdaten fordern. Man kennt das ja von den Telefonverbindungsdaten, die derzeit für Abrechnungszwecke in der Regel drei Monate aufbewahrt werden. Auf EU-Ebene wird schon seit längerem über eine Speicherpflicht bis zu drei Jahren diskutiert.

Christian Rath

taz NRW
Original: Nicht bekannt

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