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Big Brother Award 2012 geht an Cloud-Computing

(14.04.2012, 14:30) Der Schmähpreis Big Brother Award 2012 ging in der Kategorie Kommunikation an die „Cloud und den Trend, Nutzern mit der Auslagerung die Kontrolle über ihre Daten zu entziehen“. Der Preis wurde vom Bielefelder Datenschutzverein Foebud am Freitag zum zwölften Mal in Deutschland vergeben. Neben dem Cloud Computing fanden sich unter den sieben Preisträgern zwei deutsche Innenminister und zwei Softwarefirmen. Der Verein zur „Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" verlieh den Preis an das Cloud Computing wegen eklatanter Mängel beim Datenschutz.

Cloud Computing ermöglicht es, Daten und IT-Dienstleistung aller Art ins Internet zu verlagern. Damit sind für Unternehmen große Kostenvorteile verbunden. Auch für die private Nutzung gibt es eine Reihe von Cloud-Lösungen, angefangen von Email-Diensten, Bilderplattformen und Plattformen zur Speicherung von Daten. Der Verein kritisierte, dass Nutzern in der Cloud die Kontrolle über die Daten entzogen wird. Der Grund: Viele Anbieter von Cloud-Lösungen sind US-amerikanische Firmen, die wegen des Foreign Intelligence Surveillance Acts dazu verpflichtet sind, den US-Behörden Einsicht und Zugriff auf alle Daten zu gewähren. Polizei und Geheimdienstbehörden haben selbst dann Zugriff auf die Informationen, wenn sich Rechenzentren der Unternehmen auf europäischen Boden befinden. Damit würde aber das Recht auf Vertraulichkeit und Integrität, das als Grundrecht verankert ist, verletzt werden. „Wer Adressbücher und Fotos oder Archive, Vertriebsinfos und Firmeninterna unverschlüsselt in den undurchsichtigen Nebel der Cloud verlagert, handelt mindestens fahrlässig", so das Big Brother Komitee.

Der Schmähpreis wird an Personen, Organisationen und Firmen verliehen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen verletzten und damit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung untergraben.

Auch der Innenminister Markus Ulbing wurde mit dem Negativpreis in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ ausgezeichnet. Diese wurde mit dem fragwürdigen Preis wegen der massenhaften Überwachung durch Funkzellenabfragen im Raum Dresden gekürt. Am 19. Februar 2011 verhinderten 20.000 Menschen einen Naziaufmarsch in Dresden. Daraufhin verlangten das Landeskriminalamt und die Polizei die Verbindungsdaten von 28 Funkzellen. Es wurde in über eine Million Datensätze von mehr als 55.000 Anschlussinhabern eingesehen. Diese Initiative wird von Ulbing noch immer als rechtmäßig verteidigt, klagt der Verein.

In der Kategorie Technik erhielt das Unternehmen Gamma International für die Software Finfisher den Schmähpreis. "Gamma wirbt damit, dass Sicherheitslücken in iTunes und Skype genutzt werden, um zum Beispiel mit gefälschten Updates Spionagesoftware auf andere Rechner einzuschleusen und über ihre Software Finspy Mobile auch auf Blackberrys zugreifen zu können. Gamma-Software wird an Geheimdienste und staatliche Institutionen im In- und Ausland verkauft. Gefunden wurde sie zum Beispiel bei der Erstürmung der Kairoer Zentrale des ägyptischen Geheimdienstes durch Bürgerrechtler."

Auch der Bundesinnenminister Hans-Peter-Friedrich erhielt den Big Brother Award für die Einrichtung eines Cyber-Abwehrzentrums in der Kategorie Politik. Das „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ und das Cyberabwehrzentrum seien „Datenkraken“, urteilte das Komitee. Mit dieser Einrichtung würden, gemeinsam mit der geplanten zentralen Verbunddatei gegen Rechtsextremismus, Polizei, Geheimdienst und teilweise auch das Militär auf problematische Weise miteinander vernetzt werden.

Mit der Verleihung des Preises möchte der Verein die öffentliche Diskussion über Privatsphäre und Datenschutz in Deutschland fördern. Der Award wird allerdings auch international, in 19 Ländern, vergeben. In Österreich wird der Negativpreis am 25. Oktober ausgeteilt. 2011 zählten der A1-Chef Hanens Ametsreiter, die ÖVP-Politikerinnen Johanna Mikl-Leitner und Beatrix Karl, die Leiterin der MA 40, Renate Christ sowie der Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner zu den fragwürdigen Gewinnern.

Telekom Presse, 14. April 2012
Original: http://www.telekom-presse.at/Big_Brother_Award_2012_geht_an_Cloud-Computing.id.19699.htm

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