Die Big Brother Awards werden jährlich an die schlimmsten Datenkraken verliehen. 500 Organisationen, Unternehmen und Personen waren diesmal für den Negativ-Preis nominiert.
Es ist ein Preis, den keiner richtig will und der auch nur selten persönlich in Empfang genommen wird. Erhält man als Institution oder Einzelperson einen der mittlerweile zum achten mal verliehenen »Big Brother Awards«, so hat man in den Augen der Jury mit persönlichen Daten systematisch Schindluder getrieben, in »besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigt« oder deren Daten Dritten zugänglich gemacht. In diversen Kategorien wurden auch dieses Jahr die Preise verteilt. Die Palette reicht von großen Unternehmen, etwa in den Bereichen »Arbeitswelt« und »Wirtschaft«, bis zu Einzelpersonen wie Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Der BBA 2007 in dieser Kategorie geht an die Novartis Pharma GmbH für die Bespitzelung ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Mitarbeitern im Außendienst wurden in großem Stil Detektive hinterhergeschickt, auch die Ergebnisse einer als »Selbsteinschätzung« betitelten Online-Befragung wurden trotz zugesicherter Vertraulichkeit personalisiert und an die Personalabteilung weitergeleitet.
Hier glänzt Generalbundesanwältin Monika Harms für ihre Antiterror-Maßnahmen gegen Gegner des G8-Gipfels im Mai 2007, insbesondere für systematische Briefkontrollen und die Anordnung, bei Gipfelgegnern Körpergeruchsproben aufzunehmen und zu konservieren.
Die Behörde für Bildung und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg erhält den BBA 2007 für die Einrichtung eines Schülerzentralregisters mit dem (Neben-)Zweck, ausländische Familien ohne Aufenthaltserlaubnis aufzuspüren.
Den BBA 2007 der Kategorie »Politik« kann sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ans Revers heften, der die Einführung einer lebenslangen Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) in der Bundesrepublik einführen will.
Noch ein Bundesminister erhält dieses Jahr den Award: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in der Kategorie »Kommunikation« für den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Ingoriert wird damit bewusst eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das schon 1983 festgelegt hatte, dass die Sammlung nicht anonymisierter Daten » … zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken …« mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.
Das »Pay as you drive«-System ist der Grund, weshalb die PTV Planung Transport Verkehr AG den BBA 2007 der Kategorie »Technik« erhält. Damit soll die KfZ-Versicherung individuell berechnet werden – indem ein Gerät Fahrtroute und Fahrverhalten aufzeichnet und an die Versicherung meldet.
Den BBA der Kategorie »Wirtschaft« hat sich 2007 die Deutsche Bahn AG gesichert, da sie, wie padeluun vom FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs) in seiner Laudatio verdeutlicht, »systematisch anonymes Reisen mit den Mitteln des faktischen Zwangs unmöglich macht«. Hierzu zählen das Auflösen von Fahrkartenschaltern, Automaten ohne Bargeldannahme, personalisierter Kauf im Internet, Abfrage (und Speicherung?) des Geburtsdatums, unter anderem die Zwangsabgabe eines Bildes bei Bahncards, flächendeckende Videoüberwachung und ein RFID-Chip in der Bahncard 100 – ohne die Kunden zu informieren.
Den BBA der Kategorie »Verbraucherschutz« heimsen internationale Hotelketten in Deutschland (Hyatt, Mariott, Intercontinental) für die Erfassung und zentrale Speicherung persönlicher Daten ihrer Gäste ohne deren Wissen ein. Dazu zählen Trink- und Essgewohnheiten, Pay-TV-Nutzung, Allergien, Kontaktadressen, Kreditkartendaten, Sonderwünsche und Beschwerden.
Thomas Kretschmann
Tom's Hardware, Unterföhring, 15. Oktober 2007
Original: http://www.tomshardware.com/de/BBA-2007-Big-Brother-Awards-Privacy-FoeBuD,news-240029.html