Am 11.März hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf der Prozess gegen Cengiz Oban, Ahmet Istanbulu und Nurhan Erdem begonnen. Den Beschuldigten, die seit über einem Jahr unter verschärften Bedingungen in Untersuchungshaft sitzen, werden Delikte in Zusammenhang mit einer unterstellten Mitgliedschaft in der türkischen militanten Gruppe DHKP-C vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) stützt die Anklage auf den § 129b ("Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen im Ausland").
Weil die Vorwürfe allerdings beinahe ausschließlich auf der Arbeit in Kulturvereinen, Solidaritätsarbeit zur Situation in türkischen Gefängnissen und die Unterstützung dort inhaftierter politischer Gefangener beruhen, behilft sich die BAW überdies mit einem Paragraphen des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG). Damit soll sichergestellt werden, dass die Angeklagten auch im Falle einer nicht erfolgreichen Anwendung des § 129b verurteilt werden können.
Das Außenwirtschaftsgesetz regelt den Verkehr von Devisen, Waren, Dienstleistungen, Kapital und anderen Wirtschaftsgütern mit dem Ausland und löste 1961 die alliierten "Devisengesetze" ab. §34 Abs. 4 des AWG bezieht sich auf den Verstoß gegen wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen, die von der EU oder den Vereinten Nationen gegenüber zahlreichen Organisationen und Personen verhängt werden. Der Strafrahmen bewegt sich hierfür zwischen 6 Monaten und 5 Jahren Haft, laut Anwältinnen stehen für die in Düsseldorf Angeklagten sogar bis zu 15 Jahre Haft im Raum.
Der bereits 2003 in Deutschland als Umsetzung einer EU-Richtlinie eingeführte "Anti-Terror-Paragraph" 129b ermächtigt Verfolgungsbehörden, die Unterstützung "krimineller und terroristischer Vereinigungen im Ausland" zu handhaben. Welche Vereinigungen als "terroristisch" bezeichnet werden, entscheidet das Justizministerium zusammen mit den Oberlandesgerichten der Bundesländer.
Betroffene der genannten "Sanktionsmaßnahmen" von EU und UN werden hingegen in zwei supranationalen "Terrorlisten" gespeichert. Während die UN-Liste auf die Sicherheitsrats-Resolution 1267/1999 vom Oktober 1999 (erweitert 2002) zurückgeht, basiert die EU-Liste auf Maßnahmen der Europäischen Union als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 (Einig bei der Definition des Terrorismus). Die im Dezember 2001 eilig erlassene Verordnung untersagt die finanzielle Unterstützung terroristischer Organisationen, ihrer Mitglieder, aber auch den geschäftlichen Kontakt mit in ihrem Besitz befindlichen bzw. von ihnen kontrollierten Firmen und Organisationen.
Die "Terrorliste" der UN führt rund 500 Personen und Gruppen, die zum Umfeld von Al-Qaida, Osama bin Laden und den Taliban gehören sollen. Die Beschlüsse des Sicherheitsrates und mithin die Umsetzung der geforderten Sanktionen sind für UN-Mitgliedstaaten verbindlich. Demgegenüber ist die EU-Liste politisch viel weitgehender und beinhaltet zahlreiche militante, bewaffnet kämpfende Gruppen und Bewegungen. "Nominierungen" erfolgen auf Vorschlag einzelner Länder, die sich damit auf dem Weg über die EU weiterer Mittel gegen im eigenen Land verfolgter politische Gruppen bedienen.
Die Liste wird halbjährlich aktualisiert und vom Rat der Außenminister vereinbart, die Beschlussfassung muss einstimmig erfolgen. Während anfangs neben der Hamas und der irischen IRA die baskische ETA und ihre angeblichen Unterorganisationen dominierten, kamen später Unabhängigkeitsbewegungen wie die PKK (bzw. Kadek und Kongra-Gel), die PFLP oder die kolumbianische FARC hinzu. Nur wenige rechte, paramilitärische Gruppen tauchen auf, darunter die kolumbianischen "Selbstverteidigungskräfte" AUC.
Die Frage, wer auf die Listen ("listing") kommt bzw. von ihr gestrichen wird ("delisting"), folgt einem undurchsichtigen Verfahren und dürfte größtenteils auf Geheimdienstinformationen basieren (Kafka in Europa). So finden sich in der Fassung der EU-"Terrorliste" vom Juni 2009 mehrere kommunistische und anarchistische italienische Gruppen, darunter die gefängniskritische "CCCCC", die "Aufbauorganisation" der Roten Brigaden (BR-PCC) oder die als "anarchoinsurrektionalistisch" bezeichnete F.A.I.. Während die BR und die F.A.I. kurz vor dem G8-Gipfel in L'Aquila 2009 noch von Verhaftungswellen betroffen waren (G8 in Italien: "Wahrscheinlich auch Guerillatechniken"), fehlen sie auf der Neufassung vom Dezember letzten Jahres.
Sämtliche "aktuell gelisteten Personen und Einrichtungen", gegen die Finanzsanktionen der EU bestehen, werden zudem auf einer EU-Datenbank mit Suchfunktion gespeichert. Die Datenbank richtet sich vor allem an Unternehmen, die im Falle von Geschäften mit gelisteten Personen oder Organisationen ebenfalls mehrjährige Freiheitsstrafen riskieren. Sie sind zur Risikoanalyse angehalten, um etwa Mitarbeiter und Kunden daraufhin zu überprüfen ob sich "Terrorverdächtige" darunter befinden. Das Bundeswirtschaftsministerium bevorratet für die Firmen ausführliche Informationen zur Handhabung der Embargomaßnahmen.
In Berlin hatte eine derartige Überprüfung bereits 2006 das Kammergericht beschäftigt, das einen Grundbuchstreit verhandelte. Ein bei der UN als "Terrorist" Gelisteter konnte seine gekaufte Immobilie nicht im Grundbuch eintragen. Innensenator Ehrhart Körting erklärte in diesem Zusammenhang die Unvereinbarkeit der "Terrorlisten" mit der UN-Menschenrechtscharta. Laut Körting hatte es bis dahin in Berlin bereits eine "Reihe von Verdachtsfällen" gegeben. Steuerliche Guthaben wurden demnach nicht ausgezahlt, Job-Center verzögerten die Bereitstellung von Arbeitslosengeld II.
Nach Andrea Berner, Referatsleiterin für "Geheim- und Sabotageschutz" des Verfassungsschutzes in Hamburg, gibt es "im freien Handel mittlerweile spezielle Software-Produkte, um regelmäßig Mitarbeiter und Geschäftspartner mit EU- und UN-Terrorlisten abzugleichen". Berner muss allerdings die Fehlerhaftigkeit der Data-Mining-Software eingestehen. Weil gelistete Betroffene unter verschiedenen Schreibweisen und Alias-Namen auftreten würden, sei die Suche per Software uneindeutig. Im Gegenzug geraten allerdings regelmäßig Personen ins Visier der Anti-Terror-Rasterfahndung, wenn sie den gleichen Namen Gelisteter tragen. Weil das Internet bekanntlich nichts vergisst, bleiben den Betroffenen wirtschaftliche Nachteile auch nach einer Streichung aus den Listen.
Im Juli letzten Jahres wurde auch Attila Selek, Mitglied der sogenannten "Sauerland-Gruppe", auf die EU-"Terrorliste" gesetzt. Die ebenfalls Verurteilten Fritz Gelowicz, Adem Yilmaz und Daniel Schneider waren schon länger gelistet. Ihre Anwälte stehen damit vor dem gleichen Problem wie ihre Kollegen in zahlreichen anderen Verfahren wegen Terrorismus: Alle Handlungen, darunter Honorarzahlungen, müssen hinsichtlich möglicher Verstöße gegen die EU-Sanktionen überprüft werden. Der ARD-Blogger und selbsternannte "Terrorismusexperte" Holger Schmidt verweist auf ein früheres Verfahren in Stuttgart, in dem verhandelt wurde, ob etwa Duschmünzen für warmes Wasser unter die Sanktion fallen. Im Falle der in Düsseldorf Angeklagten mussten Angehörige gar eine Sondergenehmigung einholen, um Weihnachtspakete schicken zu können. Weil die Geschenke eine "geldwerte Leistung" darstellen, fallen sie ebenfalls unter die Regelungen des Außenwirtschaftsgesetzes.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärte die Bundesregierung Anfang des Jahres, dass seitens der BAW bisher bundesweit gegen acht Personen Anklagen erhoben wurden, die sich teilweise auf Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz bezogen. Im Bundesgebiet hätten die Verfolgungsbehörden demnach ganze 203,93 Euro "eingefroren".
Seit jeher werden die "Terrorlisten" von Menschenrechtsgruppen, Anwälten und Mitarbeitern internationaler Organisationen in Frage gestellt. Selbst einzelne Staaten sowie der Generalsekretär und die Generalversammlung der UN kritisieren ihre Beschlussfassung und Praxis. Zu den prominenten Kritikern aus Deutschland gehören der ehemalige Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, die jetzige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke, die die Listen als Etablierung eines "Feindstrafrechts" charakterisiert.
Bemängelt wird, dass ein "listing" mit keinerlei Rechtsschutz einhergeht und die Betroffenen hiervon nicht einmal unterrichtet wurden. Zudem war kein juristisches Verfahren zur etwaigen Streichung vorgesehen. Die UN-Liste unterliegt keiner rechtlichen Zugänglichkeit durch europäische Gerichte. Gegen die Errichtung der EU-Liste können wiederum nur die EU-Mitgliedsstaaten klagen, was angesichts der einstimmigen Beschlussfassung dortiger Einträge absurd wäre.
Ergänzende Sicherheitsrats-Resolutionen führten 2006 wenigstens zur Einrichtung einer Koordinierungsstelle ("focal point") für die UN-"Terrorliste" und zur Festlegung eines Verfahrens zum "delisting". Betroffene können hierfür einen Antrag stellen, der unter anderem an die Regierung, die die Aufnahme beantragt hatte, geschickt wird. Ein Positiv-Bescheid verlangt allerdings die Einstimmigkeit der Entscheidung im Sanktionsausschuss - eine Praxis, die auch von den deutschen Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder heftig kritisiert wird.
Im Mai 2008 gab es laut Sanktionsausschuss 26 laufende Verfahren zum "delisting", darunter aus der Europäischen Union, Pakistan, der Schweiz und Türkei. Erst Ende letzten Jahres gab die UNO bekannt, dass das Verfahren "transparenter und fairer" würde. Eine "Ombudsperson" solle zukünftig eine "unabhängige Überprüfung" ermöglichen.
Immer wieder gibt es politische Kampagnen, um ein "delisting" inkriminierter Organisationen durchzusetzen. Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker und Literaturnobelpreisträger forderten etwa 2009 die Entfernung der Hamas von der EU-Liste. Andere Anwälte und Solidaritätsgruppen wollen wiederum die kurdische PKK herausgenommen sehen, deren "listing" in der Türkei wie ein Volksfest gefeiert wurde.
2008 wurde der Europäischen Union für die Führung der "Terrorliste" der Big-Brother-Award von sieben deutschen Menschenrechtsorganisationen verliehen. "Die EU greift mit ihrer Terrorliste im 'Kampf gegen den Terror' gewissermaßen selbst zu einem Terrorinstrument aus dem Arsenal des sogenannten Feindstrafrechts", kritisiert der deutsche Anwalt und Bürgerrechtsaktivist Rolf Gössner in seiner Laudatio. Mittels eines "menschenrechtswidrigen Sonderrechts" würden angebliche "Staatsfeinde" praktisch rechtlos gestellt und gesellschaftlich ausgegrenzt. Gössner engagiert sich seit Jahren für die Abschaffung der Listen (Existenzvernichtung per Willkürakt).
Dass auch die UN-Listen keineswegs statisch sind und außenpolitischem oder militärischem Kalkül unterliegen, zeigt der Umgang mit Einträgen afghanischer Personen. Im Januar hatte der schwedische UN-Diplomat und Leiter der UNAMA-Mission Kai Eide gegenüber der New York Times gefordert, mehrere Namen von angeblichen Angehörigen der Taliban von der Liste zu streichen. Hierdurch würde die "Reintegration" gemäßigter Kräfte, mit denen die UN zusammenarbeitet, in die Gesellschaft erleichtert.
Erfolgreicher als die politischen Initiativen sind allerdings Verfahren vor dem Europäischen Gericht (EuG) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die hierbei teilweise erreichten Zugeständnisse dokumentieren die Willkürlichkeit der Listen. So sollten, sehr zum Leidwesen der iranischen Regierung, die iranischen Volksmudschaheddin wieder heruntergenommen werden, wogegen sich der Ministerrat auch nach einem entsprechenden EuGH-Richterspruch bis 2009 hinwegsetzte.
Bereits im Juli 2007 hatte der EuG in erster Instanz den Fall des philippinischen Staatsangehörigen José Maria Sison entschieden, den die Niederlande auf die EU-"Terrorliste" setzen ließ. Sison, der Flüchtlingsstatus beantragt hatte und wegen zu erwartender Folterungen nicht abgeschoben werden kann, war bis 1977 Vorsitzender des Zentralkomitees der philippinischen Kommunistischen Partei. Deren militärischer Arm NPA wird von den Niederlanden als "Terrororganisation" angesehen. Sison war nach Meinung des EuG der Rechtsschutz verwehrt, seine Nennung solle rückgängig gemacht werden. Ein ähnliches Urteil fällte der EuG 2009, nachdem der Ministerrat Sison erneut gelistet hatte.
Immerhin führte das von Sison angestrengte Gerichtsverfahren zur Überarbeitung der EU-Richtlinie. Betroffene werden nun vom "listing" unterrichtet und können auf formellen Weg ihr "delisting" beantragen. Dennoch sind die etwaigen Petenten weiterhin der einstimmigen Entscheidung der Außenminister unterworfen.
Im September 2008 hatte der EuGH in einem Grundsatzurteil eine "Überarbeitung" der Prozedur angemahnt, wonach ein gerichtlich nachprüfbares Verfahren entwickelt werden müsse. Der Gerichtshof gab einer Berufungsklage eines saudischen Staatsangehörigen und der in Schweden ansässigen Al-Barakaat-Stiftung statt.
Das Urteil fordert auch grundlegende Änderungen bezüglich der Umsetzung von UN-Sanktionen in EU-Gemeinschaftsrecht. Demnach müssten EU-Richtlinien, auch wenn sie sich an UN-Sanktionen orientieren, der Überprüfbarkeit durch EU-Gemeinschaftsgerichte unterliegen. Zwar unterliege die Sicherheitsrats-Resolution nicht der Gerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaft, sehr wohl aber die Verordnung zu ihrer Umsetzung. Die Richter in Luxemburg kritisieren zudem das "Einfrieren" von Geldern als ungerechtfertigte Beschränkung des Eigentumsrechts. Zuständige nationale Behörden müssten Gelder für Grundausgaben, darunter Miete und medizinische Behandlung, freigeben.
Auch nationale Gerichte geben den Klägern Recht: 2006 hatte ein türkisches Gericht in einem aufsehenerregendem Prozess zugunsten von Jassin A. Kadi entschieden, dessen Antrag auf "delisting" noch ein Jahr zuvor vom EuG abgelehnt wurde. Das Gericht bemängelte, dass keine Dokumente und Materialien, auf denen die Entscheidung des UN-Sanktionsausschuss basierte, vorgelegt wurden.
Ein weiterer spektakulärer Fall dreht sich um die kafkaeske Geschichte des Italieners Youssef Nada mit ägyptischer Herkunft. Jahrelang hatte der in der Schweiz lebende Geschäftsmann mithilfe der Schweizer Staatsanwaltschaft seine Streichung von der Liste erreichen wollen. Der US-amerikanische Geheimdienst CIA verdächtigte Nada, in die Finanzierung der Anschläge des 11. September verwickelt zu sein. Nadas geschäftliche Existenz war danach ruiniert.
Der Schweizer Abgeordnete, frühere Staatsanwalt und damaliger "EU-Sonderermittler" Dick Marty hatte 2007 anlässlich des Falles von Youssef Nada einen Bericht für den Europarat erstellt, in dem er die Verdachtsmomente des CIA als haltlosherausstellt. Marty kritisiert die Aufnahmeverfahren des UN-Sicherheitsrats und des EU-Ministerrats als "rechtsstaatlichen Skandal unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung". In seinem Bericht spricht er von einer "zivilen Todesstrafe".
Hinsichtlich des gegenwärtigen Düsseldorfer Verfahrens hat die BAW beim zuständigen OLG Düsseldorf erwirkt, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezüglich "bestimmter Rechtsfragen" zu veranlassen. In einem Strafverfahren, in dessen Verlauf sich Beschuldigte in Untersuchungshaft befinden, ist dieses Vorgehen ungewöhnlich. Laut den Anwältinnen der Beklagten geht es hierbei um die Klärung, inwieweit sich nicht nur andere Personen, sondern auch die Mitglieder einer auf der EU-"Terrorliste" gelisteten Organisation strafbar machen, wenn sie helfen, ihrer Organisation finanzielle Vorteile zukommen zu lassen.
Die Verteidigerinnen vermuten, dass sich die BAW zukünftig langwierige Verfahren sparen will, um eine angebliche Mitgliedschaft in einer "ausländischen terroristischen Vereinigung" zu beweisen. Damit würden für die BAW Verfahren nach dem "Anti-Terror-Paragraph"en 129b womöglich zunehmend weniger attraktiv. "Eine Verurteilung nach dem Außenwirtschaftsgesetz wäre vor Gericht viel einfacher durchzusetzen", folgert Andrej Hunko, Linkspartei-Abgeordneter und Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarates. Hunko hatte als Prozessbeobachter teilgenommen.
Auch die Rechtmäßigkeit der Listung der DHKP-C könnte Gegenstand der Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof sein. Die Anwältinnen halten ein Vorabverfahren vor dem EuGH zum jetzigen Zeitpunkt allerdings für nicht zulässig, da die Hauptverhandlung dadurch verzögert würde. Moniert wird ebenfalls, dass die EU-"Terrorliste" den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht kennt. Strafgesetze müssten so hinreichend bestimmt sein, dass klar erkennbar sei wann eine Strafbarkeit vorliegt. "Die Entscheidung würde, wenn sich das Konstrukt der BAW durchsetzt, vielmehr durch die grund- und menschenrechtlich höchst fragwürdige Aufnahme der Organisation auf die EU-Terrorliste vorweggenommen und somit einer effektiven, einem Strafverfahren angemessenen, gerichtlichen Kontrolle entzogen", so Rechtsanwältin Anni Pues.
Im Falle einer Verurteilung würde das von der Bundesanwaltschaft angestrebte Vorgehen als Präzedenzurteil bestätigt. Damit bestünde die Gefahr, dass zukünftig unerwünschte politische Arbeit ohne angemessene juristische und demokratische Kontrolle kriminalisiert werden könnte. "Wir befürchten, dass hier ein neues Mittel der Kriminalisierung unliebsamer politisch tätiger Menschen erprobt werden soll", fügt Rechtsanwältin Britta Eder hinzu. So könnte selbst die Unterstützung politischer Gefangener verfolgt werden.
Während in Deutschland im Zusammenhang mit den "Terrorlisten" gegenwärtig nicht-deutsche Staatsangehörige im Fokus der Verfolgungsbehörden stehen, haben Gerichte in anderen Ländern bereits Strafen gegen einheimische politische Aktivisten verhängt. Mitglieder der dänischen Solidaritätsgruppe "Fighters and Lovers" wurden letztes Jahr in höchster Instanz zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt, weil sie T-Shirts zugunsten der kolumbianischen FARC und der palästinensischen PFLP bedruckt und verkauft hatten. In einem ähnlichen Verfahren war vor wenigen Wochen der dänische Autor Patrick Mac Manus für schuldig befunden worden. Auch in seinem Verfahren ging es um eine Unterstützung von FARC und PFLP, obschon ein Kopenhagener Gericht 2007 festgestellt hatte, dass die Organisationen nicht "terroristisch" seien.
Matthias Monroy
Telepolis, 26. April 2010
Original: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32482/1.html