„Zu Gast bei Freunden", so wollen die Deutschen die Fußball-Fans aus aller Welt bei der WM 2006 begrüßen. Doch sollen auch die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden: vom Einsatz der Bundeswehr im Inneren bis zum umfangreichen Sammeln von Daten. Mancher fürchtet, der Spaß am Spiel könne dabei verloren gehen.
Umstritten ist etwa die neue Vergabeweise der Eintrittskarten. Das erste Mal in der Geschichte der Fußball-WM werden die Karten persönlich zugeteilt und mit dem Namen des Inhabers gekennzeichnet: So kann überprüft werden, ob Fan Müller auch wirklich die Karte besitzt. Außerdem ist es • nicht ganz einfach, überhaupt an ein Ticket zu kommen. Dafür muss man an einer Verlosung teilnehmen, — und einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen: unter anderem wird nach Geburtsdatum, Postanschrift, Staatszugehörigkeit, Nummer des Personalausweises oder des Passes und der E-Mail-Adresse gefragt, auch die Bankverbindung wird erfasst. Nicht alle Angaben dürfen weitergeleitet werden: Ausgenommen waren Bank- und Kreditkarteninformationen sowie die Ausweis- oder Passnummer.
Doch es hagelte Kritik: Patrick von Braun-mühl, Vorstandsmitglied der Verbraucherzentralen, verurteilte „die Datenerfassung aller Ticketbewerber als überzogen", zumal „neun von zehn (Bewerbern) leer ausgehen." Auch das Bielefelder Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) ist gegen diese Ticketpraxis: „Wenn Fußballfans nur die Wahl haben, teilweise sehr persönliche Daten preiszugeben ohne zu wissen, wer darauf Zugriff hat, oder eben keine Tickets bekommen, wird (...) das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung verletzt", so der BAFF-Sprecher Jörg Höfer. Und Dr. Thilo Weichert vom Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein spricht von „Schnüffeltechnik" sowie von „Fans, die ausspioniert werden." Er befürchtet, dass die Fandaten für Werbezwecke missbraucht werden.
Hinzukommen RFID-Chips, die in die Karten integriert werden, um Schwarzhandel und Fälschungen zu erschweren. Denn nur der Käufer selbst darf ins Stadion, ein Weiterverkauf oder eine Weitergabe ist verboten, gilt als Schwarzmarkthandel und führt zur Sperrung der Karte.
Dieser so genannte RFID-Chip ( „Radio Frequency IDentification") enthält Daten, die von entsprechenden Lesegeräten erkannt werden können. Nur mit diesen Karten gelangt man ins Stadion, das wiederum mit dem entsprechenden elektronischen Kon-trollystem ausgestattet ist. Zwar enthält der Chip keine persönliche Daten. Aber er hat eine gespeicherte Nummer, die über die FiFa-Datenbank mit den Käufer-Daten verknüpft ist. Damit lässt sich jede Karte — nochmals — eindeutig einer Person und deren Angaben zuordnen.
Diese Ticketvergabe hatte Konsequenzen. Das Organisationskomitee wurde mit dem Big Brother Award in der Kategorie „Verbraucherschutz" ausgezeichnet. Datenschützer, die sich im „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) zusammengeschlossen haben, verleihen den Negativ-Preis. Sie sprechen von „inquisitorischen Fragebögen" und halten die Abfrage der Daten „für eindeutig illegal". Der Big Brother Award wird in Deutschland seit 2000 an Unternehmen, Organisationen und Personen verliehen, die in „besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen."
Weitere Aspekte sind bei den Chips ungeklärt. Ohne Kontrolle seien die Chips eil führt worden, krititisiert FoeBuD. Es gät kein Gremium, welches Regeln und Gese ze vorgibt, damit der Datenschutz gesiche ist. FoeBud befürchtet außerdem, dass d Lesegeräte nach der WM in den Stadie bleiben werden. Auf diese Weise werde eir Überwachungs- und KontroEstruktur salot fähig gemacht — mit Millionen von Fußbal fans als Testobjekten.
Auch staatliche Stellen werden ihre Siehe heitsmaßnahmen erweitern. In den Stadie und Innenstädten kommen Spezialkamer; zum Einsatz, die biometrische Gesichtsmef male von anwesenden Personen erfassen. D aufgenommenen Videos lassen sich mit at deren Bild-Datenbanken vergleichen, etv mit Gesichtern bekannter Hooligans odi Gewalttätern. Zudem wird die Polizei rr einem mobilen optische Fingerabdrucksy tem („Fast Identification") ausgestattet, d: auch einen Vergleich mit erfassten Straft tern erlaubt. Außerdem kündigte Badei Württembergs Justizminister Ulrich Gc kündigte an, dass allein in Stuttgart füt Staatsanwälte bereit stehen werden, um Stra täter im WM-Umfeld sofort oder binne weniger Tage vor den Richter zu stellen.
Weiter geht Innenminister Wolfgar Schäuble, der das Grundgesetz ändern wi damit die Bundeswehr bei der Fußball-W eingesetzt werden kann. SPD, die klein« Parteien und auch Teile der Union lehnte den Vorschlag ab, ebenso die Gewerkscha der Polizei. Selbst der Bundeswehrverbar reagierte kritisch. „Mit der Ausbildung vc Soldaten kann man militärische Sicherheit bereiche schützen, aber nicht Fußball-St dien", so der Vorsitzende Bernhard Gert Zustimmung kam von Bayerns Innenenrr nister Günther Beckstein. Er meinte sogs ohne Bundeswehr müsse man die Spiele al brechen, falls die Terrorgefahr steige. Der dann reichten Polizeikräfte nicht aus.
Peter Streiff
Trott-war, Stuttgart, 01. Januar 2006
Original: Nicht bekannt