Die Bonner Saatgut-Treuhand Verwaltungs GmbH (STV) kontrolliert mit Fragebögen und Testkäufen die Aussaat von Feldfrüchten - und damit die Konkurrenz. Dafür wurde sie ebenso wie Otto Schily und Franz Beckenbauer kürzlich mit dem Big-Brother-Preis 2005 ausgezeichnet.
Die "BigBrotherAwards Deutschland" sollen die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz fördern und missbräuchlichen Umgang mit Technik und Informationen aufzeigen. Die Preise gehen an Firmen, Organisationen und Personen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen.
Als auszeichnungswürdig empfand die Jury, dass die STV eine neue zentrale Datensammlung anlegt, "mit detaillierten Angaben wo, was, von wem, auf welcher Fläche, wie viel etc. angebaut wird". "Diese Informationen gelangen in die Hände der Saatgutkonzerne, die ein großes kommerzielles Interesse am ,gläsernen Landwirt' haben", erklärt Jurymitglied Rena Tangens.
Der Jury gehören neben dem Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. sechs unabhängige Organisationen an, so etwa die Internationale Liga für Menschenrechte.
Für wenig Überraschung dürfte die Auszeichnung von Noch-Bundesinnenminister Otto Schily in der Kategorie "Lebenswerk" sorgen, der die Einführung der biometrischen Reisepässe durchgesetzt hat. Die Technik führe zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung der gesamten Bevölkerung.
Der Big-Brother-Preis in der Kategorie "Politik" ging an den hessischen Innenminister Volker Bouffier für das neue Hessische Polizeigesetz. Es erlaubt das "präventive" Orten und Abhören von Mobiltelefonen. Ebenfalls erlaubt ist die DNA-Analyse bei straffälligen Kindern unter 14 Jahren.
Der schleswig-holsteinische Generalstaatsanwalt erhielt den Preis in der Kategorie "Kommunikation" für die großflächige Fahndung nach Zeugen mittels Handy-Ortung. Es war die erste Funkzellen-Massenabfrage. Mobilfunkunternehmen mussten sämtliche Verbindungsdaten einer Region herausgeben. Akteneinsicht wurde den Datenschützern des Landes Schleswig-Holstein, die den Fall prüfen wollten, jedoch verweigert.
Auch Franz Beckenbauer wurde in seiner Funktion als Organisator der Fußballweltmeisterschaft 2006 gewürdigt. Die Jury kritisierte die "inquisitorischen Fragenbögen" zur Bestellung von WM-Tickets und die geplante Weitergabe der Adressen an die FIFA und deren Sponsoren.
Chr. Schulzki-Haddouti
VDI-Nachrichten, Düsseldorf, 11. November 2005
Original: http://www.vdi-nachrichten.com/vdi_nachrichten/aktuelle_ausgabe/akt_ausg_detail.asp?source=rubrik&cat=1&id=24893