FoeBuD e.V.  ·  Marktstraße 18  ·  D-33602 Bielefeld
http(s)://www.foebud.org  ·  foebud@bionic.zerberus.de

Telekom erhält Negativpreis für Bespitzelungsaktionen

Big Brother Awards 2008: Ungeliebte Trophäe für Unternehmen und Institutionen, die es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen

Die Telekom bespitzelt Aufsichtsräte und Journalisten, die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) gibt die Daten chronisch Kranker an eine Privatfirma weiter, der EU-Ministerrat setzt Verdächtige auf eine Terrorliste. Für solche und andere Datenschutzskandale erhielten Unternehmen und Behörden in diesem Jahr den Big Brother Award.

Bürgerrechts-, Datenschutz-, und unabhängige Netzorganisationen verleihen jährlich im Oktober den Big Brother Award für die gröbsten Verstöße gegen den Datenschutz. Der Preis jährt sich in diesem Jahr zum zehnten Mal. Über 500 Vorschläge zu 200 potenziellen Datensündern wurden eingereicht. Vergeben wurde die Negativ-Auszeichnung 2008 in den Kategorien "Europa", "Gesundheit und Soziales, "Verbraucher", "Technik", "Arbeitswelt und Kommunikation" und "Politik".

Die Organisatoren Rena Tangens und Padeluun vom ausrichtenden Bielefelder Bürgerrechtsverein "Foebud" wunderten sich in diesem Jahr: Die Deutsche Telekom ließ bereits vor Bekanntwerden der Preisvergabe anfragen, ob sie denn einen Unternehmensvertreter zur Preisabholung schicken solle. "Ja, natürlich", lautete die Antwort. Denn kein Unternehmen musste in diesem Jahr so viele Datenskandale verdauen wie das Bonner Telekommunikationsunternehmen.

Die Telekom erhielt denn auch den Preis in der Kategorie "Arbeitswelt und Kommunikation" für die illegale Nutzung von Telefonverbindungsdaten zur Bespitzelung von Telekom-Aufsichtsräten und Journalisten. Datenschützer Christoph Ulmer nahm den Preis für die Telekom entgegen und erklärte: "Wir nehmen die Kritik an. Wir haben den Datenschutz zur Vorstandssache gemacht. Wir werden einen externen Datenschutzbeirat gründen und auf einer Internetseite transparent das laufende Ermittlungsverfahren kommunizieren."

Die weiteren Preise warteten jedoch vergeblich auf ihre Abholung. In der Kategorie "Technik" zog das Energieunternehmen Yello Strom GmbH das große Los, da es die Einführung der Digitalstrom-Technik für Privatkunden plant. Die Jury monierte, dass die Kunden hierüber noch nicht informiert worden seien. Yello Strom hingegen erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme: "Niemand außer dem Kunden auch nicht Yello erhält Einblick oder Zugriff auf sekundengenaue Verbrauchsdaten. Diese Informationen verlassen die Wohnung oder das Haus des Kunden nicht."

In der Kategorie "Europa/EU" ging eine Auszeichnung an den EU-Ministerrat für die von ihm verantwortete EU-Terrorliste. Jury-Mitglied Rolf Gössner, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, schilderte, wie die Aufnahme in die Terrorliste die bürgerliche Existenz eines Verdächtigen nahezu ausradiert.

Obgleich der Bundestag demnächst zahlreiche Gesetze für einen verbesserten Verbraucher- und Arbeitnehmerdatenschutz verabschieden wird, erhielt er dennoch die Auszeichnung: "Für das Durchwinken mehrerer Gesetze, die eine Erhebung, langfristige Speicherung und Weitergabe von detaillierten Daten über Reisende erzwingen."

In der Kategorie "Gesundheit und Soziales" erhielt die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) die Negativ-Trophäe. Sie hatte unzulässigerweise Patientendaten von 200 000 chronisch kranken Versicherten an eine Privatfirma weitergegeben, ohne die Versicherten über die Weitergabe zu informieren oder ihre Zustimmung einzuholen.

Das Bundeswirtschaftsministerium wurde in der Kategorie "Politik" für die geplante Einführung der Jobcard ausgezeichnet. Das Gesetz über das ELENA-Verfahren erzwinge nämlich die Einführung der elektronischen Signatur.

In der Kategorie "Verbraucher" schließlich wurde der Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. (ADM) gewürdigt. Er empfiehlt in einer Telefon-Richtlinie, Telefoninterviews bei Bedarf ohne Kenntnis der Gesprächspartner heimlich mitzuhören. Obwohl die Datenschutz-Aufsichtsbehörde dies bereits als rechtswidrig beanstandet hatte, kündigte er an, seine Handlungsempfehlung weiterhin zu propagieren.

Christiane Schulzki-Haddouti

VDI-Nachrichten, Düsseldorf, 31. Oktober 2008
Original: http://www.vdi-nachrichten.com/vdi_nachrichten/aktuelle_ausgabe/akt_ausg_detail.asp?source=volltext&cat=2&id=40906

© WWW-Administration, 13 Nov 08