Der "Big Brother Award" brandmarkt besonders gravierende Verletzungen des Datenschutzes - dieser Band zeigt die bisher in Deutschland vergebenen Awards auf
Seit dem Jahr 2000 wird in Bielefeld jährlich an besonders ausgezeichnete Datenkraken ein BigBrotherAward vergeben. Rena Tangens und padeluun haben nun bei Nautilus die wichtigsten Laudatio-Texte in Buchform vorgelegt, an unerbittliche Behörden, manische Überwachungsfanatiker, skrupellose Konzerne. Es werden "geehrt": Das Bundeskriminalamt für Präventiv-Dateien, Toll-Collect, ein Konsortium von DaimlerCrysler, der Deutschen Telekom AG und der französischen Cofiroute S.A., für eine lückenlose Überwachung der Autobahnen, nicht nur der LKW‘s. Dieses System, welches damals oft genug durch die Medien geisterte, wurde 2005 wieder ins Gespräch gebracht zur Nutzung dieser Daten für Fahndungszwecke. Die Grünen in Nordrhein-Westfalen für ihren Einsatz zur Videoüberwachung des öffentlichen Raumes. Natürlich ist auch die Bundesagentur für Arbeit dabei, und zwar für ihr fast schon sprichwörtliches Antragsformular Alg II, sowie Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) für dem großen Lauschangriff. Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ist gleich zweimal dabei, für die berühmten Antiterror-Gesetze und für sein Lebenswerk, die sogenannten Otto-Kataloge. Das unsägliche und leider oft unterschätzte Payback-System ist vertreten, ebenso wie die Metro AG und Lidel. Die zahlreichen Verstöße gegen Bürgerrechte und gegen den Datenschutz können auf solch engem Raum schon fröstelnd machen, das Buch liefert aber auch Anregungen, sich zu wehren. Es bietet außerdem eine beeindruckende Liste von Organisationen und Einzelpersonen die sich für den Datenschutz und informelle Selbstbestimmung stark machen.
In diesem Jahr ging der Award laut junge Welt (21./22.10.) an den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Günther Beckstein (CSU), an den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, der seit diesem Jahr das Aufzeichnen von verdachtsunabhängigen Tonaufzeichnungen im öffentlichen Raum erlaubte. Da wird es ja ein babylonisches Sprachgewirr zu entschlüsseln geben! Das Finanzunternehmen SWIFT für die Übermittlung von Überweisungsdaten an US-Behörden. Man darf gespannt sein, wer nächstes Jahr dran ist. Die Jury ist für Vorschläge offen. Spekulieren wir: Die Verbindungsoffiziere der deutschen Bundeswehr im US-Hauptquartier in Stuttgart-Vaihingen? Abwarten.
Adi Quarti
- fachbereich 9 ver.di - Fachbereich 9, Berlin
Original: http://www.stattweb.de/baseportal/Buecher&zeigen=68