Mit der neuen Fernbedienung "Betty" kann der Zuschauer beim Fernsehen Gewinn-Punkte sammeln
Köln - Draußen lockt der Frühling, doch "Betty" will, dass man drinnen bleibt und beim Fernsehen Sofameilen sammelt. Dafür wirbt das System mit dem Slogan "Draußen ist doof". Dank "Betty" kann man während "CSI: Miami" (RTL) zum Beispiel erfahren, wann Delko zum Ermittlerteam kam. "Betty" ließ über Ostern zur TV-Doku "Die Reise der Pinguine" (ProSieben) raten, wie viele Pinguinarten es gibt (18) oder wer nicht ihr natürlicher Feind ist (der Eisbär). Selbst wenn im Fernsehen Werbung läuft, verspricht "Betty", dass es auf dem Sofa schöner sei als draußen.
"Betty" ist eine TV-Fernbedienung mit einem kleinen Bildschirm. Immer wenn sie sich mit dezenten "Pling" meldet, kann man auf ihr einen Knopf drücken und Quizfragen auf dem Mini-Bildschirm lösen, Hintergrundinfos zur laufenden Sendung bekommen, in Werbepausen Warenproben bestellen, Bonuspunkte (genannt "Sofameilen") sammeln oder an kostenpflichtigen Wett- und Gewinnspielen teilnehmen. Seit Februar ist diese Fernbedienung für knapp 40 Euro erhältlich, was angeblich unter den Herstellungskosten liegt. Sie wird mit einem Scart-Kabel an den Fernseher und mit einem Funkmodem an die Telefonleitung angeschlossen.
In der deutschsprachigen Schweiz startete "Betty" nach einer dreimonatigen Testphase bereits im Juli 2006 regulär. Der Erfolg dort hält sich in Grenzen: Nur rund 8000 Kunden zählte die Betty TV AG am Jahresende 2006, was längst nicht profitabel ist. Hierzulande hat sich das Unternehmen, ein Ableger der Berner Swisscom Fixnet AG, bis zum Jahresende 2007 vorgenommen, zwischen 500 000 und einer Million Kunden zu gewinnen. Davon ist man noch weit entfernt. Einen Schub könnte das Geschäft vor allem dann erhalten, wenn "Betty" als Standard-Fernbedienung mit den Fernsehgeräten ausgeliefert würde. Angeblich sei man mit mehreren Herstellern darüber im Gespräch, heißt es.
Schließlich gibt es durchaus Bedarf an sogenanntem Mitmach-TV. Das beweisen schon alleine die glänzende Bilanz des Quizsenders 9Live oder die hohen Beteilungsquoten beim kostenpflichtigen Voting während TV-Shows wie "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS). Auch die "Betty"-Betreiber wollen vor allem Geld verdienen. Konzernchef Wolfram Schmidt kündigt an, dass ein Maximum von 30 Prozent der Gewinnspiele kostenpflichtig sein wird und ein Maximum von weiteren 30 Prozent aller "Betty"-Aktionen einen werblichen Charakter haben werden. Momentan sei man davon aber "noch weit entfernt".
Immerhin hat das Unternehmen wenige Wochen nach dem Start bereits die Sender ProSieben, Sat.1, Kabel 1, Tele 5 und seit kurzem auch RTL als Partner gewonnen, die bei den kostenpflichtigen "Betty"-Angeboten zu ihren Sendungen mitverdienen. Andererseits decken diese Programme, die "Betty" über das Videotext-Signal mit Daten versorgen, erst die Hälfte der Fernsehmarktanteile ab. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben kein Interesse an "Betty", auch bei Vox ist der Einsatz angeblich derzeit kein Thema. Und RTL hält sich ausgerechnet bei seinen mitmachträchtigen Shows "DSDS" und "Wer wird Millionär?" bei "Betty" zurück.
Schmidt glaubt, dass sich das bald ändern wird. Es sei für die Zuschauer doch umständlich, erst eine Telefonnummer zu wählen. "Bei "Betty" machen wesentlich mehr Leute mit, weil sie nur auf einen Knopf drücken müssen", sagt der Konzernchef. "90 Prozent unserer Kunden nutzen die ,Betty' täglich." Und auch für die Sender sei das Gerät "ein hervorragendes Kundenbindungsinstrument, da die Zuschauer das Gefühl haben, noch näher an ihrem Lieblingssender oder -format dran zu sein." Allerdings lässt das Interesse der Nutzer an der interaktiven Fernbedienung nach einiger Zeit auch wieder nach, wie die Erfahrungen aus der Schweiz zeigen.
Kritiker hoffen, dass sich erst gar nicht viele Nutzer für "Betty" begeistern. Denn die Fernbedienung sammelt nicht nur bei der Erstanmeldung die Daten der Nutzer, sie funkt auch jede Nacht an die Zentrale, was und wann wer im Fernsehen gesehen und an welchen Aktionen er sich beteiligt hat. "Betty gibt ausdrücklich keine Daten weiter, es sei denn, der Kunde gibt uns für einzelne Aktionen jeweils explizit sein Einverständnis dazu", versichert Schmidt. "Wenn beispielsweise ein Autohersteller dem Zuschauer eine Probefahrt mit einem neuen Modell anbietet, dann muss er ja in irgendeiner Form mit dem Interessenten Kontakt aufnehmen können."
Bei den Verbraucherzentralen liegen bislang keine Beschwerden wegen Datenmissbrauchs vor, doch sofern sich die Verbraucherschützer überhaupt schon mit diesem Thema beschäftigt haben, befürchtet man dort eher generell, dass "Betty" bei leichtgläubigen Menschen einen "Verlockungseffekt" erzeugen könnte, sich an kostenpflichtigen Aktionen zu beteiligen. Der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud) verleiht jährlich die "Big Brother Awards" an Institutionen, die besonders eklatant den Datenschutz unterlaufen. Dessen Mitbegründer, der Digitalkünstler padeluun, hält allein schon die Tatsache, dass die Daten überhaupt gesammelt würden, für gesellschaftlich fragwürdig. Das beträfe allerdings nicht nur "Betty", so sagt er, sondern auch Kundenrabattkarten wie Payback oder Happy Digits.
Mit letzterem System kooperiert "Betty". Jeweils 14 Sofameilen lassen sich in ein Happy Digit (1 Eurocent) umwandeln, was den Zugang zum gesamten Prämiensortiment von Happy Digits bedeutet. Und wie lange spart man mit "Betty" auf ein schnurloses Telefon oder eine Kaffeemaschine? Jedenfalls nicht monatelang, sagt der "Betty"-Chef. "Für unsere Zuschauer ist Fernsehen ein Hobby. Wer gerne fernsieht, hat auch die Möglichkeit, schnell viele Sofameilen zu sammeln."
Doch auch "Betty"-Fans sollten lieber rechnen, statt vorschnell eine Taste zu drücken. Am Dienstag etwa konnte man gegen 50 Cent Einsatz 750 Sofameilen bei "CSI:Miami" gewinnen. 750 Sofameilen sind umgerechnet circa 50 Cent.
Ulrike Langer
Welt am Sonntag, Berlin, 12. April 2007
Original: http://www.welt.de/welt_print/article804977/Rabatt_fuer_Couch-Potatos.html http://