von Claudia Fischer
Seit Bundesinnenminister Otto Schily sein Sicherheitspaket in die öffentliche Debatte geworfen hat, wird er viel kritisiert. Otto Schily bekommt jetzt auch auch von bielefelder Datenschützern einen dicken Rüffel. Sie haben dem Minister am Freitag (26.10.2001) den Big Brother Award verliehen.
Mit dem Negativpreis wollen die Datenschützer die öffentliche Diskussion um Datenschutz fördern - 1987 gründeten sie einen Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD e.V.) Ins Leben riefen sie den "Negativpreis" im vergangenen Jahr. Die Auszeichnung geht an Firmen, Organisationen und Personen, die in die Privatsphäre anderer Menschen eindringen. Der Name des Awards ist George Orwells negativer Utopie "1984" entnommen, in der der Autor bereits Ende der vierziger Jahre seine Vision einer zukünftigen Gesellschaft entwarf, die unter totaler Überwachung steht.
Zur Jury des Big Brother Awards gehören unter anderem der Kieler Datenschützer Dr. Thilo Weichert sowie ein Vertreter des Chaos Computerclubs aus Hamburg. Nach Ansicht der Jurymitglieder nutzt der Innenminister die Terrorismus-Debatte, um den im Grundgesetz verbrieften Datenschutz als "Täterschutz" darzustellen und nachhaltig einen Überwachungsstaat einzuleiten. Fingerabdruck auf Schülerausweis
Ein weiterer Preis - der Regionalpreis - geht an das Hans-Ehrenberg-Gymnasium in Bielefeld-Sennestadt: Hier wurde ein Schülerausweis mit Fingerabdruck entwickelt und eingeführt, mit dem die Schüler auch in der Cafeteria bargeldlos bezahlen können. Dabei kritisiert die Jury, dass Einkäufe individuell nachvollzogen werden könnten und die Schüler somit lernten, den Abbau ihrer Privatsphäre schon im jungen Alter zu akzeptieren. Das sei "alles Quatsch", wehrt sich die Schule: Der Ausweis sei eingeführt worden, um Schüler mit diesen Prepaid- Karten vor Überschuldung zu bewahren. Dazu brauche man aber keinen Fingerausweis als Überwachungsinstrument, widerspricht die Jury.
In der Kategorie "Business und Finanzen" erhält die "Informa Unternehmensberatung GmbH" aus Pforzheim den Big Brother Award. Dieses Unternehemn betreibt das sogenannte Scoring-Verfahren. Beim Scoring wird für jeden erfassten Bundesbürger ein Punktwert, ein sogenannter Score errechnet und anderen Firmen zur Verfügung gestellt. Die entscheiden dann aufgrund dieser Zahlen, ob sie zum Beispiel dem Kunden einen Kredit einräumen oder nicht. Dafür werden unterschiedlichste Daten zusammengetragen und zentral erfasst: Für die Zahlungsmoral bei Banken, Einkaufsvorlieben aus Kundenkarten verschiedener Anbieter, oder auch über die Adresse und Fotos von Häusern werden Punktwerte für Wohnlage und geschätztes Wohnmilieu berechnet.
Wenn jemand also zukünftig keinen Kredit mehr bekommt oder - wie es einem Kaufmann aus der Nähe von Köln passiert sein soll - jemand von einem Stromanbieter als Kunde abgelehnt wird, liegt das vielleicht an der Zahlungsmoral seiner Nachbarn oder daran, dass sein Haus dringend einen Anstrich braucht. Mit der Verleihung des Big Brother Awards will die Jury auf solche Verfahren aufmerksam machen.
WDR Online, 26. Oktober 2001