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Big Brother Awards verliehen: Negativ-Preis: Die Cloud als Datenkrake

Zwei Innenminister, zwei Softwarefirmen und die Cloud gehören zu den insgesamt sieben Preisträgern des Big Brother Awards, der am Freitagabend (13.04.2012) in Bielefeld verliehen wird. Die Cloud erhält den Negativpreis, weil den Nutzern die Kontrolle über ihre Daten entzogen werde, so die Jury.

Fotos, Videos, Adressdaten, Telefonnummern, Musik - alles und überall verfügbar. Die Cloud macht es möglich. Daten werden im Netz gespeichert und zum Beispiel mit Web-Anwendungen, wie einer Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation, bearbeitet. Die Cloud ist eine technologisch bedeutende Entwicklung. Da sind sich der Branchenverband Bitkom und der Datenschutzverein FoeBuD einig. Der Branchenverband hofft auf zweistellige Zuwachsraten und betont, dass die Cloud-Anbieter bessere Sicherheitsstandards gewährleisten könnten, als der Anwender zu Hause oder in einem kleinen Unternehmen. Kontrollverlust über eigene Daten Mehr zum Thema

Das sieht Netzaktivist padeluun vom FoeBuD, der in der Öffentlichkeit nur unter seinem Künstlernamen auftritt, anders: "Das ist wie die Umkehr der Computer-Revolution. Die Macht, die wir uns erobert haben, wird uns wieder genommen und verschwindet im Nebel." Es sei der Kontrollverlust über die eigenen Daten. Die Lösung liegt für die Anbieter in der Verschlüsselung der Daten. Das Problem dabei sei aber, so Rena Tangens vom FoeBuD, dass die Anbieter den Generalschlüssel hätten. Und fast alle seien amerikanische Firmen, die verpflichtet sind, alle Daten den US-Behörden zur Verfügung zu stellen. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Rechner in Europa stünden, ausschlaggebend sei der Firmensitz. Natürlich ist sich die Datenschützerin klar darüber, dass so eine Entwicklung nicht zu stoppen ist. Der Big Brother Award soll aber die Menschen im Umgang mit ihren Daten nachdenklicher machen. "Übertechnisierung, Überwachung und Bevormundung"

Kritik an Funkchips in Wasserflaschen

Das gilt auch für einen weiteren Preisträger, der Brita GmbH. Das hessische Unternehmen stellt Wasserspender an Schulen auf. Das Wasser kann jedoch nur mit speziellen Flaschen gezapft werden, die mit Funkchips versehen sind. Darauf ist gespeichert, ob die monatliche Pauschale für das Wasser bezahlt ist. Nur dann können die Kinder mit ihrer Flasche Wasser zapfen. Außerdem sperrt der Chip die Flasche nach jedem Füllen für zehn Minuten. Damit will das Unternehmen verhindern, dass mehrere Kinder eine Flasche benutzen. Die Zeitsperre und den Chip kritisiert padeluun. Das sei eine Übertechnisierung, Überwachung und Bevormundung schon im frühen Kindesalter. Außerdem werde mit dem System das Wasser zu einem exklusiven, teuren Lebensmittel gemacht. Das Unternehmen widerspricht, im Vergleich zu einem Getränkeautomaten sei diese Lösung deutlich günstiger. Die Kritik des FoeBuD kann das Unternehmen auch bei den erfassten Daten nicht nachvollziehen. Über den Chip in der Flasche werden nur die Seriennummer der Flasche und der Anlage und Informationen zum Ablaufdatum erfasst, so das Unternehmen. Datenklauberei und Spionagesoftware Mehr zum Thema

Unangenehm ist der Preis für Bofrost: Das niederrheinische Unternehmen wollte einem Betriebsrat kündigen, weil der während der Arbeitszeit einen Brief geschrieben haben soll. Um an Beweise zu kommen, soll das Unternehmen mit einer Wartungssoftware eine Protokolldatei vom Betriebsratscomputer ausgelesen haben. Der Streit zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat ist mittlerweile beigelegt. In einer gemeinsamen Presseerklärung heißt es, "dass weder in der Vergangenheit noch gegenwärtig eine Ausforschung von Mitarbeitern erfolgt ist." Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat das anders bewertet, demnach war der Zugriff auf die Festplatte des Betriebsrats nicht rechtens. Den Datenschützern ist das ein Big Brother Award wert. Für den Missbrauch des Datenschutzes wird auch die Firma Blizzard Entertainment ausgezeichnet, die das populäre Online-Spiel "World of Warcraft" entwickelt hat. Das Unternehmen begehe diverse Datenschutzverletzungen und dehne die Datenklauberei immer weiter aus, heißt es in der Laudatio. Aus den gesammelten Daten lassen sich Persönlichkeitsprofile und Charakterstudien erstellen, kritisieren die Datenschützer. Der Preis ist ebenso wenig eine Überraschung, wie der an die Firma Gamma International. Das Unternehmen vertreibt Spionagesoftware. Auszeichnung für zwei Innenminister Mehr zum Thema

Für die Sammlung von Daten wird auch der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) ausgezeichnet. Bei einer Demo in Dresden im Februar 2011 hat die Polizei Verbindungsdaten von Telefonen von mehr als 55.000 Menschen erfasst. Das waren mehr als eine Million Datensätze.

Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich (CSU) erhält den Big Brother Award, weil er das Cyber-Abwehrzentrum und das Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus ohne Legitimation des Bundestages eingerichtet habe. Außerdem plane er eine zentrale Datei "gewaltbezogener Rechtsextremismus". Das verstoße jedoch gegen das Gebot, nachdem Sicherheitsbehörden strikt voneinander getrennt arbeiten müssten. In einer Stellungnahme des Innenministeriums heißt es dazu, das Trennungsgebot werde nicht verletzt, vielmehr sei eine Verzahnung der Dienste für eine vorbeugende Arbeit nötig. Tadel für Gigapixel-Foto

Die Big Brother Awards-Jury tadelt zudem das Gigapixel-Foto, das WDR.de beim Openair-Konzert "Rheinkultur 2011" produziert hatte. Einen Award gab es dafür nicht, weil markierte Menschen vor der Veröffentlichung ihre Zustimmung geben müssen. Wie WDR.de zu dem Tadel steht, lesen Sie hier: http://www1.wdr.de/themen/digital/panoramafoto116.html

Markus Rinke

Westdeutscher Rundfunk Online, Köln, 13. April 2012
Original: http://www1.wdr.de/themen/digital/bigbrotheraward100.html

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