Man nennt sie auch die "Oscars für Datenkraken", und jedes Jahr müssen sie dran glauben: Unternehmen, Organisationen und Personen, die in Sachen Datenschutz und Privatsphäre nicht ganz so optimal unterwegs sind. Die WWW: BigBrotherAwards sind ein mittlerweile wichtiger Negativpreis, vergeben vom digitalcourage e.V., der sich für Freiheit, Bürgerrechte und "digitale Lebensqualität" einsetzt.
Ich finde: Viele Preisträger in diesem Jahr gehen in Ordnung. Da ist zum Beispiel der BigBrotherAward für Apple für die "umfassende Videoüberwachung von Beschäftigten". Oder die Bundespolizei für Polizeikontrollen, "bei denen Personen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes herausgegriffen werden". Auch den Preis für Deutschlands Ministerpräsidenten kann ich verstehen, die "verpasst haben, mit der Haushaltsabgabe eine neue, wirklich datensparende Methode" für den Rundfunkbeitrag einzuführen - auch wenn die Jury ausdrücklich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst ist.
Google? Wirklich Google?
Es gibt nur einen einzigen Preisträger, mit dem ich mich schwer tue: Google. Nicht, weil der Preis nicht gerechtfertigt wäre. Spätestens seit Google die Daten seiner Dienste von Gmail über Maps bis Google+ zusammengeführt hat, ist für mich am Leitspruch WWW: "Don't be evil!" nichts mehr dran. Die Forderung der Jury, Google müsse zerschlagen werden, unterschreibe ich sogar, denn zu viele Daten in der Hand eines einzigen Unternehmens - das ist tatsächlich ein Problem.
Aber: Brauchen wir einen solchen Preis für Google noch? Müssen wir dem Konzern im Jahr 2013 noch immer das Etikett "Datenkraken" aufdrücken, ihn mit Negativpreisen bewerfen und mit Drohungen von Datenschützern überziehen? Das gilt für Facebook genauso: Die Schlagzeilen zu Datenschutz und Privatsphäre begleiten uns jetzt seit Jahren. An den Nutzerzahlen ändert das wenig. Vielen ist es offenbar einfach egal.
Die Welt der Datenschützer besteht mir zu sehr aus Google & Co., und genau das stört mich. Denn es lenkt von all den anderen Datensammlern ab, die viel zu selten in die Schlagzeilen geraten.
Ein paar Blicke nach Deutschland würden dem Spiel gut tun
Wie wäre es zum Beispiel, die Adresshändler in Deutschland stärker in die Zange zu nehmen? Während wir über Online-Anbieter aus den USA diskutieren, WWW: machen die in Deutschland unbeobachtet gute Geschäfte. Gibt es kaum Berichte darüber, weil sich unter den Kunden der Adresshändler auch lauter Presseverlage befinden?
Wie wäre es, öfter einen Blick auf Bonussysteme wie Payback oder die DeutschlandCard zu werfen? Wenn man Anbieter kritisiert, die wissen, was ich im Internet suche, dann wäre Kritik doch auch bei solchen angebracht, die wissen, was ich im echten Leben kaufe.
Wie wäre es, Praktiken wie die schon etwas ältere der Bertelsmann-Tochter inmediaONE] unter die Lupe zu nehmen, WWW: Gutscheine an Schulen zu verteilen, um damit Adressen der Werbekunden von morgen abzugreifen? Das Kultusministerium in Bayern hält diese Praxis sogar für unzulässige Werbung - WWW: und hat die Schulen aufgefordert, nicht daran teilzunehmen.
Kritik am Datenschutz gehört gerechter verteilt
Abgesehen davon bekleckern sich auch unsere Politiker nicht mit Ruhm, was den Datenschutz angeht, wie bei ACTA, der Vorratsdatenspeicherung oder zurzeit Plänen für eine Bestandsdatenauskunft, gegen die es WWW: laute Kritik aus der Piratenpartei gibt.
Ich wünsche mir, dass sich die Schlagzeilen in Sachen Datenschutz und Privatsphäre etwas gerechter verteilen. Dass wir nicht ständig auf Giganten aus den USA schielen - sondern uns auch einmal etwas genauer vor der eigenen Haustüre umschauen.
Dennis Horn
Westdeutscher Rundfunk Online, Köln, 12. April 2013
Original: http://wdrblog.de/digitalistan/archives/2013/04/bigbrotherawards_die_welt_der.html