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Was am Apfel faul ist

Lange haben Apple-Nutzer nur die strahlende Seite des kreativen Computerbauers gesehen. Doch in letzter Zeit hat das Unternehmen einiges dafür getan, sich Sympathien zu verscherzen.

Düsseldorf Der Mythos Apple lebt zu einem guten Teil von der Geheimniskrämerei: Wenn vor der Präsentation neuer Geräte Erwartungen und Spekulationen heiß gelaufen sind, findet der Konzern die perfekte Bühne vor, um der Welt die nächste Revolution vorzustellen.

Entsprechend ruppig geht der Konzern traditionell mit jenen um, die diesem Nimbus gefährlich werden könnten. Jetzt ist Apple dabei aber offenbar doch etwas zu weit gegangen: Apple-Sicherheitschef John Theriault muss US-Medienberichten zufolge gehen. Zuvor war bekannt geworden, dass Theriault, ein Ex-Polizist mit Kontakten zum FBI, die guten Kontakte zu seinem ehemaligen Arbeitgeber offenbar missbräuchlich ausgenutzt hat.

Theriault soll in seinem Eifer, einen verloren gegangenen iPhone-Prototypen wiederzufinden, seine Kompetenzen massiv überschritten haben. Apple-Sicherheitsleute hatten das in einer Bar verlorene Gerät in einem Wohnhaus in San Francisco vermutet und sich an einer Hausdurchsuchung beteiligt, die eigentlich nur von Polizisten hätte durchgeführt werden dürfen.

Das scharfe Vorgehen gegen alle, die Apples Geheimnisse gefährden könnten, hat bei dem Unternehmen Tradition. Schon 2005 verklagte Apple den damals erst 19-Jährigen Betreiber der Gerüchte-Website ThinkSecret.com. Der Blogger hatte in seinem Blog über einen noch geheimen Apple-Computer berichtet.

Mit Anwälten gegen Blogger

Das Blog gehörte damals zu den einflussreichsten Gerüchte-Websites über Apple. Doch auch gegen weniger bedeutende Vertreter der Bloggosphäre ging Apple nicht selten mit schweren juristischen Geschützen vor. So bekamen Blogger, die über Möglichkeiten berichteten, die Benutzeroberfläche von Windows Mobile oder PalmOS wie ein iPhone aussehen zu lassen, Post von Apple-Anwälten – mit Aufforderung, derartige Berichterstattung zu unterlassen.

Mindestens zweifelhaft ist, ob die reine Berichterstattung über solche Tools schon gegen Gesetze verstößt. Doch nicht wenige Blogger ließen sich von den wichtig erscheinenden Anwaltsschreiben einschüchtern. Die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) nahm sich der Sache an und unterstützte zahlreiche Betroffene in juristischen Auseinandersetzungen, weil sie die Pressefreiheit in Gefahr sah.

Arbeitsbedingungen in der Kritik

Auch durch die Arbeitsbedingungen bei Foxconn leidet das Bild der kreativen Computerfirma mit der weißen Weste. Der taiwanesische Zulieferer mit Fabriken vor allem in China beliefert zwar sämtliche großen Computerbauer - von Dell über HP bis Sony und Nintendo. Doch mit den glitzernden und teuren Apple-Produkten lässt sich besonders gut gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in der Firma protestieren, die durch eine Selbstmord-Serie unter Mitarbeitern ins Gerede kam.

Wer Apple-Produkte herstellt, lebt gefährlich: 137 Mitarbeiter verletzten sich beim Arbeiten mit gefährlichen Chemikalien, mit denen sie Touchscreen-Monitore von iPad-Bildschirmen reinigen sollten, räumte Apple im Februar ein. Im Mai dieses Jahres wurden bei der Explosion in einer Zulieferer-Fabrik drei Menschen getötet und 15 verletzt.

Auch schlechte Umweltstandards prangern Aktivisten an. In einem gemeinsamen Bericht von fünf Nichtregierungsorganisationen warfen Umweltschützer Apple erst jüngst vor, Flüsse und Seen zu verschmutzen. Die Fabriken leiteten kontaminierte Abwässer ungeklärt in Flüsse und Seen ein, so die Umweltschützer, in einer Probe sollen stark erhöhte Werte von Zyanid und Schwermetallen gefunden worden sein.

Apples allumfassende Kontrolle

Derartige Negativschlagzeilen sind für Apple ein Novum. Lange profitierte das Image des Konzerns vom Mythos der kreativen Garagenfirma, die gegen den übermächtigen Monopolisten Microsoft kämpfen muss. Diese Zeiten sind lange vorbei: Apple hat Microsoft längst beim Börsenwert überholt – und Apples Dominanz auf dem Smartphone-Markt ist selbst zum Gegenstand der Kritik geworden.

Auf seinen mobilen Geräten übt Apple eine Form der gebündelten Kontrolle aus, die Microsoft nie auf irgendeinem Gerät besessen hat. Nicht nur Hard- und Betriebssystem werden von den Amerikanern geliefert – auch, welche Software auf den Geräten laufen darf, bestimmt Apple allein.

Zwar lässt Apple Software-Konkurrenz auf dem iPhone zu – beispielsweise den Opera-Browser. Doch 30 Prozent des Umsatzes muss jeder Softwareanbieter an Apple abgeben. Das Argument, Apple wolle mit dem Verfahren eine gewisse Qualität der Inhalte sichern, ist nur eingeschränkt gültig: Die Anzahl an echter Schadsoftware ist auf dem iPhone zwar tatsächlich geringer als auf den konkurrierenden Android-Geräten. Dafür handelt es sich aber bei zahlreichen Gratis-Apps um Spyware, wie eine Analyse des „Wall Street Journal“ im vergangenen Jahr ergab. Die Programme, die sensible Daten wie Alter und Geschlecht an die Anbieter der Apps senden, verstoßen damit gegen Apples Richtlinien – passierten den Überprüfungsprozess für den App-Store aber dennoch problemlos.

Unliebsame Konkurrenz wird eingeschränkt

Durch das Raster fallen bei Apple dagegen zahlreiche Apps, die für Anwender sinnvolle Funktionen enthalten würden, Apple und seinen Partnerunternehmen aber nicht gefallen. So wurde beispielsweise die App „Big Five“ abgelehnt. Die Anwendung sollte die Grundlage für andere Web-Applikationen legen, die damit per Javascript auf Gerätefunktionen wie Kamera, GPS-Navigation und Beschleunigungssensor hätten zugreifen können. Diese Apps wären im Browser ausgeführt worden – und hätten damit die Kontrolle von Apple umgangen. Offizielle Begründung der Ablehnung: eingeschränkter Nutzwert. Andere Apps wurden beispielsweise abgelehnt, weil das sogenannte Tethering erlaubten – die Nutzung des iPhones als Internet-Zugang für Mac oder PC. Ein IT-Sicherheitsexperte, der Sicherheitslücken in Apples iOS-Betriebssystem gefunden hat, wurde kurzerhand ganz aus dem App Store verbannt, berichtete „Forbes“.

Auch inhaltlich greift Apple ein: Nackte Tatsachen in journalistischen Angeboten müssen zensiert werde. Eine App mit politischen Karikaturen des Zeichners Mark Fiore lehnte Apple unter dem Hinweis ab, sie gäben Personen der Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preis. Erst als Fiore den Pulitzer-Preis erhielt, änderte Apple seine Meinung.

Wer selbst bestimmen will, welche Anwendungen er auf dem iPhone installiert, muss zum sogenannten Jailbreaking greifen, dem "Aufbrechen" des Geräts. Damit verliert man jedoch Garantie und Support von Apple. Das Unternehmen behauptete gar, diese Praxis sei illegal. Die in den USA für Copyright-Fragen zuständige Kongressbibliothek gab dem Verfahren dagegen ihren Segen.

Apple als „Big Brother“ ausgezeichnet

Auch bei Datenschützern genießt Apple keinen guten Ruf. Gemeinsam mit Facebook wurde Apple im April dieses Jahres von der Datenschutzorganisation FoeBuD der Negativpreis „Big Brother Award“ verliehen.

Die Datenschutz-Aktivisten bemängeln eine „Erpressung“ der Kunden, die gezwungen würden, Apple-Geräte wie das iPhone oder das iPad zu registrieren. Ohne die Eingabe einer Apple-ID oder einem iTunes-Benutzerkonto könne man Apples beliebtes Smartphone nicht nutzen, klagen die Datenschützer. Das Anlegen eines Kontos ist dabei immer mit der Eingabe persönlicher Daten verbunden. Ohne diese Eingaben können die Kunden das iPhone nur wie ein Billighandy zum Telefonieren gebrauchen.

Wer also iPhone oder iPad für das benutzen will, für das er die Geräte gekauft hat, hat keine andere Wahl als das „Kleingedruckte“ zu akzeptieren. Das sind laut den Aktivisten vom FoeBuD 117 Seiten, wobei vor allem ein Blick in die Datenschutzbestimmungen lohnt. Dort nimmt sich Apple unter anderem heraus, Daten mit anderen Unternehmen auszutauschen. Dabei erwähnt Apple explizit Daten wie Beruf, Sprache, Postleitzahl, Vorwahl, individuelle Geräteidentifizierungsmerkmale sowie Ort und Zeitzone, wo Apple-Produkte verwendet werden.

Neuer Kurs unter Tim Cook?

Es gibt Hinweise darauf, dass sich der nüchtern auftretende neue CEO Tim Cook um einen Imagewandel bemüht. Als ein erster Hinweis darauf kann die Trennung von Sicherheitschef Theriault gelten. Aber auch bei der Firmenpolitik gibt es eine erste Änderung: Spenden von Apple-Mitarbeitern an gemeinnützige Organisationen werden künftig von Apple verdoppelt, kündigte der Manager an. Quelle: Handelsblatt Online

Stephan Doerner

Wirtschaftswoche, 08. November 2011
Original: http://www.wiwo.de/technologie/us-computerbauer-apple-was-am-apfel-faul-ist/5811854.html

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