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Schnüffelpreis für Innenminister Schily

Big-Brother-Awards-Verleiher kritisieren Verletzung der Privatsphäre der Bundesbürger

BIELEFELD-BREMEN. Zum Ende seiner politischen Karriere wird Bundesinnenminister Otto Schily mit einer Auszeichnung „geehrt", auf die er wohl gern verzichtet hätte. In Bielefeld wurde ihm gestern der Deutsche Big-Brother-Award verliehen, weil er nach Ansicht der Jury die Privatsphäre der' Bundesbürger erheblich verletzt hat. Die Jury, in der unter anderem die Internationale Liga für Menschenrechte, die Humanistische Union und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz vertreten sind, hat ihm die Auszeichnung in der Kategorie „Lifetime" für „langjährige Verdienste" gegeben.

Der Bremer Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner, Präsident der Liga für Menschenrechte, begründete den Jury-Entscheid in seiner Laudatio mit der Politik Schilys in den letzten Jahren:

• Einführung des biometrischen Passes mit unausgereifter Technologie und ohne parlamentarische Legitimation

• Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger-und Freiheitsrechte ©Aushöhlung des Datenschutzes und der Informationellen Selbstbestimmung durch die so genannten Anti-Terrorgesetze

• Mitwirkung am Großen Lauschangriff

• Angriffe auf die Unabhängigkeit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz

Gössner sieht insbesondere in der digitalen Erfassung von biometrischen Merkmalen im Pass Gefahren für den Bürger. Er beruft sich auf das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das die neue Technologie als nicht praxistauglich und unaus-gereift abwertet. Gössner: „Es steht zu befürchten, dass täglich Tausende Menschen an Flughäfen zurückgewiesen und in ihrer Reisefreiheit beschränkt werden, weil ihre digitalen Fotos oder Fingerabdrücke von der Software nicht akzeptiert werden."

Zudem, so der Anwalt, seien die elektronischen Ausweise anfällig für Missbrauch. Biometrische Daten könnten an Kontrollstellen im In- und Ausland ausgelesen werden, unbefugte Dritte so Bewegungsprofile von arglosen Passinhabern anfertigen.

den sieben anderen Kategorien sind weitere Politiker, Behörden und Unternehmen ins Visier der Jury geraten. So hat der Hessische Minister des Inneren Volker Bouffier nach Erkenntnissen der Juroren das präventive Abhören von Mobiltelefonen angeordnet. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff wird' vorgeworfen, die Datenschutzaufsicht in der Wirtschaft zerschlagen zu haben - entgegen einem aktuellen EU-Beschluss, der die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht fordert.

Auch Franz Beckenbauer bekommt sein Fett weg. In der Kategorie Verbraucherschutz werden dem WM-Organisationskomitee des DFB unter anderem „inquisitorische Fragebögen zur Bestellung von WM-Tickets " zur Last gelegt.

Der Big-Brother-Award wird seit sechs Jahren in 14 europäischen Ländern vergeben, so auch in England, der Schweiz und Österreich. Ob er hilft, die Privatsphäre der Bürger sicherer zu gestalten? Gössner glaubt nicht, dass Schily das Gespräch mit ihm suchen werde. Doch als Microsoft wegen Sicherheitslücken in seinen Produkten „ausgezeichnet" wurde, erschien der Deutschlandvertreter der Firma zur Preisverleihung - und gelobte Besserung.

Rainer Kabbert

Weser-Kurier, Bremen, 29. Oktober 2005
Original: Nicht bekannt

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