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Auszeichnungen für Datenkraken

Eingriffe in Privatsphäre: BigBrotherAward geht auch an Steinbrück, Zypries und Harms

Alle Jahre wieder wird in Bielefeld der Big Brother Award verliehen. Eine Auszeichnung, über die sich die Preisträger in aller Regel nicht freuen. Denn sie geht an Firmen, Organisationen und Menschen, denen Verstöße gegen den Datenschutz und die Privatsphäre vorgeworfen werden: Den "Datenkraken".2007 hat es auch zwei Bundesminister und die Generalbundesanwältin erwischt. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) in der Kategorie "Politik" für die Einführung einer lebenslangen Steuer-Identifikationsnummer für alle Bundesbürger und Justizministerin Brigitte Zypries (Kategorie "Kommunikation") für ihren Gesetzentwurf zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten.Generalbundesanwältin Monika Harms bekommt den Big Brother Award (Kategorie "Behörden und Verwaltung") für ihre Antiterror-Maßnahmen gegen Kritiker des G-8-Gipfels in Heiligendamm: Briefe wurden kontrolliert, Körpergeruchsproben von Gipfelgegnern genommen und konserviert.Seit 2000 wird der Preis in Deutschland, Frankreich und der Schweiz verliehen, nachdem er 1998 in England kreiert wurde. 1999 zogen die USA und Kanada nach. In Deutschland wird die Verleihung der Negativ-Preise vom FoeBuD organisiert, dem "Verein zur Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkehrs". In der Jury sind unter anderem die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR), die Humanistische Union und der Chaos Computer Club vertreten.Seit 2000 hat sich die Datenschutzsituation erheblich verschlechtert", sagt ILMR- Präsident Rolf Gössner. Seit den Terroranschlägen vom 11. September in den USA sind seiner Ansicht nach die "Bürgerrechte unter die Räder geraten". Biometrischer Ausweis, geplante Nutzung der Maut-Daten über den eigentlichen Zweck der Gebührenerhebung, Speicherung von Kommunikationsdaten: Der Staat will immer mehr Daten vom Bürger.Dabei werden Gesetze erlassen, die nicht immer verfassungskonform sind. Gössner, Anwalt in Bremen, erinnert an Urteile des Bundesverfassungsgerichts etwa zum großen Lauschangriff oder zum Luftsicherheitsgesetz (Abschuss von Passagierflugzeuge), mit denen das Parlament in die Schranken gewiesen wurde.In Bielefeld sind Big Brother Awards auch in fünf weiteren Kategorien verliehen worden. So wird die Bahn ("Wirtschaft") kritisiert, weil sie anonymes Reisen unmöglich macht: Da immer weniger Fahrkartenschalter und Automaten mit Bargeldannahme existieren, müsse der Reisende beim Fahrkartenkauf - wie im Internet - seine persönlichen Daten preisgeben.Die Stadt Hamburg kam auf die Preisliste durch die Einrichtung eines Schülerzentralregisters, internationale Hotelketten wegen der Erfassung und zentralen Speicherung persönlicher Daten, die Firma PTV Planung Transport Verkehr AG für ein System zur individuellen Berechnung der Kfz-Versicherung.Und in der Kategorie "Arbeitswelt" wird die Firma Novartis Pharma GmbH dafür gescholten, Arbeitnehmern durch Privatdetektive nachzuspionieren. "Wir bekommen immer wieder Hinweise aus der Wirtschaft, wie die Belegschaften bespitzelt werden", kritisiert Gössner. Außer Konkurrenz und ohne Preis wird Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bedacht: Der habe sich, kritisiert Gössner, als "zwanghafter Scharfmacher in Sachen Sicherheit und Terror" gezeigt.

Rainer Kabbert

Weser-Kurier, Bremen, 13. Oktober 2007
Original: Nicht bekannt

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