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Trophäen für gefräßige Datenkraken

BigBrotherAward belohnt Eingriff in Privatsphäre - Telekom souverän: Vertreter akzeptiert Preis

Bremen·Bielefeld. So richtig froh macht das zehnjährige Jubiläum des BigBrotherAwards nicht. 1998 wurde der Negativpreis in England zum ersten Mal an Personen und Organisationen vergeben, die sich illegal in die Privatsphäre der Bürger eingemischt oder persönliche Daten an Dritte weitergegeben haben. In Deutschland wurden "Datenkraken" gestern zum neunten Mal ausgezeichnet. Ihre "Verdienste" liefern genug Gründe, die Datenschutzlage im Lande als gefährdet einzustufen.

Über 500 Vorschläge hat der Bremer Anwalt und Buchautor Rolf Gössner gezählt. Als Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte sitzt er in der siebenköpfigen Jury. "Die Zahl der Nominierungen nimmt dramatisch zu", beobachtet Gössner. In der Kategorie Europa/EU etwa wird der EU-Ministerrat für seine Terrorliste "geehrt". Darin werden Organisationen und Einzelpersonen als terroristisch eingestuft, ohne dass ihnen rechtliches Gehör oder Rechtsschutz gewährt wird.

"Wer einmal auf der Liste steht, hat kaum mehr eine Chance auf ein normales Leben", kritisiert Gössner. "Er ist quasi vogelfrei, wird politisch geächtet, wirtschaftlich ruiniert und sozial isoliert und ist ohne Aussicht auf Entschädigung, selbst wenn sich Listung und Sanktionen als ungerechtfertigt herausstellen." Nicht immer ist der Eingriff in die Privatsphäre so konkret spürbar wie eine Kontosperre, wenn der eigene Name auf der Terrorliste auftaucht und sei es nur aufgrund einer Namensverwechselung. In den sechs anderen Kategorien sind aber mit ein wenig Phantasie ebenfalls persönliche Nachteile denkbar. Etwa wenn die Deutsche Angestellten Krankenkasse Patientendaten von 200000 chronisch Kranken ohne deren Zustimmung an eine Privatfirma weitergibt (Kategorie Gesundheit und Soziales).

Auch die Telekom sorgt für Unbehagen, mit der illegalen Nutzung von Telefonverbindungsdaten zur Bespitzelung von Telekom-Aufsichtsräten und Journalisten. "Dies wiegt", meint Gössner, "umso schwerer, als die Telekom durch die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten zum Hilfspolizisten gemacht worden ist." Immerhin war der Datenschutzbeauftragte des Konzerns so souverän, die Auszeichnung persönlich in Empfang zu nehmen. Er nehme die Kritik ernst, sagte Claus Ulmer gestern Abend in Bielefeld und kassierte den Applaus des Publikums. Datenschutz werde im Konzern künftig stärker betont.

Der Bundestag bekam während der Preisverleihung auch sein Fett weg, weil er die Gesetzesgrundlage für die Erhebung, Speicherung und Weitergabe der Daten Reisender gelegt hat.

Aber auch die "Tadelnden Erwähnungen" der Jury, in der unter anderem auch die Humanistische Union, der Chaos Computer Club und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz vertreten sind, provozieren Unbehagen. Das Bundeskriminalamt zum Beispiel informiert auf seiner Internetseite über die linksextremistische "militante gruppe" und speichert die PC-Adressen der Webseitenbesucher. Hunderte gerieten so ins Raster polizeilicher Ermittlungen.

In 14 europäischen Ländern wird der Negativ-Preis verliehen. Vielleicht hilft er, Sensibilität beim Bürger für seine Daten zu schaffen. "Es geht nicht nur um den Hunger von, Datenkraken'", meint Gössner, "sondern auch um den leichtfertigen Umgang der Bürger mit ihren Daten."

Rainer Kabbert

Weser-Kurier, Bremen, 25. Oktober 2008
Original: Nicht bekannt

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