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Big Brother wacht über die Bahnhöfe

Zum Jahresbeginn steigt wieder die Zahl der Graffitis in Bahnhöfen und auf Zügen. Die Bahn setzt verstärkt auf Videoüberwachung mit Erfolg.

Mönchengladbach. Neues Jahr neue Schmierereien. Beinahe schon traditionell müssen sich Bundespolizei und Deutsche Bahn AG im Januar mit einer Vielzahl von frischen Graffiti in Bahnhöfen und auf Zügen herumplagen. Das Jahr 2006 macht da keine Ausnahme. "Es geht, wie immer zu Jahresbeginn, heiß her.

Jeder will der erste sein, der sein neues ,Tag` anbringt", berichtet Norbert Peters, Sprecher der Bundespolizei. "Tag" ist die englische Bezeichnung für Kennzeichen oder Namensschild. Und eben diese Lack-Duftmarken werden von den Sprayern jedes Jahr neu aufgelegt. Derzeit ist folglich die Endung `06 angesagt.

Eine aktuelle Statistik der Bundespolizei für 2005 weist für das Bahngelände in Mönchengladbach nicht weniger als 71 Sachbeschädigungen aus. 41-mal ging es dabei um Graffiti. Insgesamt 14 Täter, die zum Teil mehrere Straftaten auf dem Bahngelände begangen haben sollen, wurden laut Peters gestellt. Sechs von ihnen waren Sprayer.

Am häufigsten, so hat die Bundespolizei beobachtet, sei die Graffiti-Szene im Abstellbahnhof aktiv. "Dort stehen die meisten Züge." Aber auch an den Haltepunkten beklagt die Deutsche Bahn immer wieder Sachbeschädigungen wenn nicht mit der Spraydose, dann oft mit roher Gewalt. Demolierte Scheiben, eingeworfene Uhren sowie zerstörte Fahrkartenautomaten und Aufzüge kosten die Bahn laut ihrem Sprecher Torsten Nehring NRW-weit 15 Millionen Euro pro Jahr.

Die Schäden in Mönchengladbach und Umgebung bezeichnet die Bahn zwar im Vergleich etwa mit Düsseldorf oder Köln als "gering bis mäßig". Doch bei 3000 bis 5000 Euro, die jeder Fall von Vandalismus laut Nehring kostet, steigt die Schadenssumme auch im Stadtgebiet Mönchengladbach schnell in den sechsstelligen Bereich.

Tatenlos zusehen will die Bahn nicht und installiert deshalb immer mehr Videokameras. 180 der 700 Stationen in NRW liefern bereits gestochen scharfe Farbbilder vom Bahnsteig. Im Stadtgebiet sind die Hauptbahnhöfe Mönchengladbach und Rheydt ans Videonetz angeschlossen. In der so genannten "3-S-Zentrale" (Sicherheit, Service, Sauberkeit) des zuständigen Bahnhofsmanagements Aachen laufen die Drähte zusammen. Nicht nur die Mitarbeiter der Bahn, die auf den Bahnsteigen Hausrecht genießt, sondern auch die Beamten der Bundespolizei können sich jederzeit auf die Kameras aufschalten.

Aus Sicht der Bahn ist die Videokontrolle eine Erfolgsgeschichte. "Durch die Kameraüberwachung ist der eine oder andere Täter schon erkannt und ausfindig gemacht worden", sagt Nehring. Vor allem setze man aber auf die abschreckende Wirkung der so genannten Dom-Kameras, die sich horizontal um 360 und vertikal um 180 Grad drehen lassen. Dass eine Kamera über den Gleisen ihre Wirkung nicht verfehlt, kann die Polizei nur bestätigen.

"Da lassen die Sachbeschädigungen auf jeden Fall nach", sagt Peters. Inzwischen gibt es deshalb sogar schon Überlegungen, Attrappen aufzuhängen. Denn die Grundausstattung eines videoüberwachten Bahnhofs kostet mehr als 50 000 Euro.

Geld, das aus Sicht von Datenschützern nicht sonderlich sinnvoll angelegt ist. Kritiker der Videokameras über den Gleisen zeichnen das beklemmende Bild, dass Pendler und Reisende ständig überwacht werden. Bahnchef Hartmut Mehdorn wurde deshalb bereits im Jahr 2000 eine zweifelhafte Ehre zuteil: Er erhielt vom Verein FoeBuD den Big Brother Award in der Kategorie Behörden und Verwaltung.

Carsten Icks

Westdeutsche Zeitung - newsline, Düsseldorf, 27. Januar 2006
Original: http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=105630

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