Der Koalitionsvertrag steht – mehr oder weniger. An diesem Wochenende jedenfalls werden die Stimmen der SPD-Basis ausgezählt. Sollten sie der Koalitionsvereinbarung zustimmen, dann wäre damit auch eine Entscheidung gefallen für die sogenannte Vorratsdatenspeicherung. Union und SPD hatten sich nämlich geeinigt, die EU-Richtlinie zur Nutzung von
Telekommunikationsverbindungsdaten umzusetzen, den Zeitpunkt aber offen gelassen. Diese Richtlinie sieht vor, dass die EU-Länder die Verbindungsdaten von Telefon- und Internetnutzern für sechs Monate zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus speichern müssen, und zwar ohne konkreten Anlass.
Der Künstler und Netzexperte padeluun, der sich seit Jahren für digitale Bürgerrechte einsetzt, malt sich aus, wie es wäre, wenn wir Bürger in der Vorweihnachtszeit unseren Wunschzettel bei der Regierung abgeben dürften:
Wenn in der Regierung nur Weihnachtmänner wären ... Auf einem Wahlzettel liegen eine Brille und ein Stift.
... dann würden wir uns Geschenke erhoffen. Viele gute Geschenke. Geschenke, die Freude machen. Und die hätten wir auch verdient, denn schließlich sind wir doch alle - GLAUBEN WIR - immer ganz brav gewesen. Alle haben wir bei der Wahl unser kleines Gedicht aufgesagt: "Kreuzchen Kreuzchen auf dem Wahlzettelchen - mach das alles schön und gut wird". Und dann haben die Weihnachtsmänner die Zettelchen ausgezählt und herausgefunden, von welchen Weihnachtsmännern wir Geschenke haben wollen. Und die bekommen wir nun auch. Egal, ob wir DIESE Geschenke haben wollen oder nicht.
Wir wollen nicht alle PRÜFAUFTRÄGE genannten Geschenkgutscheine erwähnen, die man nur einlösen kann, wenn die Weihnachtsmänner im neuen Jahr noch genügend Geld haben sollten. Wir erwähnen auch nicht die Geschenkgutscheine für die großen Kinder namens Industrie und Mittelstand, die sich im Rahmen der PUBLIC/ Weihnachtsmann-Partnership schon eher auf das tatsächliche Einlösen ihrer Gutscheine freuen dürften. Getreu dem Motto, Geschenke privatisieren - Geldausgaben für Geschenke auf alle verteilen.
Geschenke mit unsicherem Inhalt
Wir freuen uns über den ungeliebten Fahrradhelm und wir freuen uns, dass wir zukünftig unseren Nachbarn und dem einsamen Mann auf der Straße WLAN schenken dürfen, ohne dafür von Winkeladvokaten belangt zu werden.
Aber wehe wehe, da kommen hübsch verpackte Geschenke, auf denen steht ganz groß Sicherheit drauf. Und dann packen wir die aus. Und was steckt drin? ÜBERWACHUNG. Das besonders große Geschenk heißt Vorratsdatenspeicherung. Damit machen sich die Weihnachtsmänner selbst ein riesengroßes Geschenk. Zukünftig können sie ganz legal rund um die Uhr mitschnüffeln, ob wir wirklich alle brave Kinder sind. Dann fühlen wir 24 Stunden am Tag, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, die forschenden Augen der Weihnachtsmänner auf uns.
Und da können wir so brav sein wie wir wollen, die Schnüffelei werden wir so schnell nicht wieder los.
Gegen Geschenke kann man sich nicht wehren?
Und das Geschenk, das wir uns wirklich wünschen, nämlich die SICHERHEIT, dass wir nicht von den fünf großen Weihnachtsmännern aus Übersee rund um die Uhr überwacht werden, DIESES Geschenk bekommen wir leider nicht. Dabei stand das ganz oben auf unserem Wunschzettel.
Eine kleine Hoffnung gibt es noch. Da gibt es die Soziale Weihnachtsmannpartei, die noch abstimmen soll, ob sie damit einverstanden sind, dass wir diese Danaer - pardon - Weihnachtsgeschenke bekommen sollen.
Hoffen wir, dass sie nein sagen zur ganzjährigen Weihnachtsdekoration, weil ihnen Freiheit und Demokratie die wichtigeren Geschenke sind, die man mit nichts - aber auch wirklich gar nichts - aufwiegen kann.
padeluun
Mitteldeutscher Rundfunk, 06. Dezember 2013
Original: http://www.mdr.de/mdr-figaro/journal/kolumne332.html