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RFID: Wunder der Technik und große Spielwiese

Sie soll die "Lösung aller logistischen Probleme" sein und gilt in den Augen ihrer Befürworter als Zukunftstechnologie schlechthin. RFID kommt bereits in vielen Bereichen zum Einsatz, ob im Lagermanagement oder als elektronische Wegfahrsperre. Neben vielen Vorteilen birgt die Technik aber auch Gefahren und Risiken.

Die Ticktes für die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland sind heiß begehrt. Wer sich zu den Glücklichen zählen darf und im Besitz einer Eintrittskarte ist, wird sich beim Einlass ins Stadion vielleicht wundern: Weit und breit kein Stadionordner, der zur Kontrolle vor Spielbeginn eine Ticketecke abreißt. Stattdessen elektronisch gesteuerte Drehsperren, die der Fußball-Fan passieren muss, um ins Innere des Stadions zu gelangen. Eine Technik, die viele vom Winterurlaub und den Skiliftzugängen kennen. Möglich machen das RFID-Chips, die in den WM-Tickets integriert sind.

Und so funktioniert die ordnerlose Einlasskontrolle: Im Ticket-Chip sind Daten des Zuschauers gespeichert. Jede einzelne Eintrittskarte ist also personalisiert. Damit die reibungslose Kontrolle am Stadioneingang gewährleistet ist, werden die notwendigen Daten mit dem Ticketsystem verschlüsselt in das Zugangskontrollsystem des jeweiligen Stadions übertragen. Dabei dient der RFID-Chip als Schlüssel zu diesen Daten und dem Abgleich mit den Daten der Zugangskontrolle.

Technik mit Tradition

Der Marktforscher Gartner erwartet in den kommenden Jahren enorme Zuwachsraten bei Investitionen in die RFID-Technologie. Ab 2007 würden die Investitionen stark ansteigen und bis 2010 ein Volumen von drei Milliarden Dollar übersteigen. Bei der Erfoschung und Entwicklung von RFID nimmt Deutschland bereits heute eine führende Stellung ein. Mit einem Volumen von 7,7 Milliarden Euro steht es vor den USA und Japan auf Rang eins der Export-Weltrangliste für Fördertechnik und Materialfluss. Überhaupt würden 2006 entscheidende Weichen für den Einsatz von RFID gestellt, ist sich Michael ten Hompel, Vorsitzender des Informationsforums RFID, sicher.

Es scheint, als werde Wirtschaft und Forschung erst jetzt klar, welche Möglichkeiten diese Technologie in den nächsten Jahren bietet, obwohl endgültige Szenarien lange noch nicht absehbar sind. Die Geschichte der RFID-Technik ist jedoch viel älter. Wie so oft entspringt sie beim Militär. Im Zweiten Weltkrieg wurden als Vorläufer der RFID-Technologie Transponder in britischen Kampfflugzeugen eingesetzt. Sie waren mit den Bodenstationen in Kontakt und sollten die Piloten bei der Freund- und Feinderkennung unterstützen. Allerdings handelte es sich dabei nicht um kleine, dünne Chips, sondern koffergroße Geräte.

Die 60er Jahre brachten Vorläufer für den zivilen Bereich. Als Warensicherungssysteme sollten RFID-Systeme durch Prüfung einer Markierung Diebstähle verhindern. In den 70er Jahren wurde die Technik in der Landwirtschaft zur Tierkennzeichnung angewandt, bis in den 80er Jahren der endgültige Durchbruch kam. Zum ersten Mal wurde deutlich, was mit RFID alles zu erreichen war. Die USA trieben die Technik voran, die sich insbesondere für Mautsysteme bewährte. In den 90er Jahren wurde das Anwendungsspektrum dann auf Zugangskontrollen, Wegfahrsperren, Skipässe, bargeldloses Zahlen und Tankkarten erweitert.

Prozessoptimierung in der Gesundheitswirtschaft: Der codierte Patient

Die Diskussion um die konkrete Anwendung von RFID in der Praxis erstreckt sich momentan auf drei Bereiche: 1. den revolutionären, der RFID als Zukunftstechnologie schlechthin bezeichnet, 2. den umfassenden, der sich mit eher größeren Track- und Trace-Lösungen innerhalb einer Branche oder Warenkette beschäftigt, 3. den realitätsnahen mit logistischem Bezug.

Brauereien versehen ihre Fässer mit Funkchips, um deren Standort auf dem Gelände leichter feststellen und um die zurück kommenden Leerfässer genau einem Kunden zuordnen zu können. Holzfällerbetriebe können mit Hilfe von RFID-Etiketten an Baumstämmen den Transport der Stämme nachvollziehen und den Schwund vermindern. Hier wird RFID für ganz konkrete Aufgaben mit einem vergleichsweise hohen erwarteten Nutzen eingesetzt. Und auch im Gesundheitswesen spielen die Funkchips schon eine Rolle.

Im Klinikum Saarbrücken werden Patienten in einem Pilotprojekt seit Mitte 2005 mit RFID-Etiketten am Arm erfasst. Eine Lösung, die zu Zeitersparnis und Reduzierung der Papierberge führt. Verwechslungen von Patienten aufgrund manueller Fehleingaben durch die Mitarbeiter des Krankenhauses und daraus resultierende falsche Behandlungen gehören seitdem der Vergangenheit an. Die Funktechnik ermöglicht dem Arzt den sekundenschnellen Zugriff auf das Medikamenten-System und kann eine Arznei auf Unverträglichkeit hin überprüfen.

"Mit dieser Technik können Abläufe auf Stationen effizienter organisiert und der Einsatz von Medikamenten und Materialien sicherer gesteuert werden",

sagt Thorsten Wichmann, Geschäftsführer des Berliner Technologieanalysten Berlecon Research. So näht beispielsweise auch die Wäscherei des Berliner Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge RFID-Chips in ihre Wäsche ein, um Diebstahl zu verhindern.

Metro Group Future Store: Die Zukunft des Einkaufens?

Wenn es einen Bereich gibt, der mit RFID am ehesten in Verbindung gebracht wird, ist es der Einsatz im Supermarkt an der Kasse. Der Kunde soll in Zukunft einfach mit dem Einkaufswagen langsam am Terminal vorbeifahren und die Funktechnik ermöglicht es, dass der Einkaufsbetrag zeit- und personalsparend übermittelt wird. Wie der Einsatz von RFID in der gesamten Wertschöpfungskette aussehen könnte, zeigt folgende Grafik: http://www.business-wissen.de/de/aktuell/kat8/akt25832.html?pg=0

Wenn einen der Computer am Einkaufswagen auf die aktuellen Sonderangebote hinweist, Produkte per Videofilm angepriesen oder mit elektronischen Preisschildern ausgezeichnet sind, dann befindet sich der Kunde im Future Store der Metro Group in Rheinberg bei Düsseldorf. Er ist das Ergebnis der Metro Group Future Store Initiative, die gemeinsam mit Partnern wie IBM, SAP oder Intel Impulse für den technologischen Wandel im Handel gibt. Ziel: Mehr Service, Information und Komfort für den Kunden.

Eigentliche Antriebskraft aber ist, die Effizienz entlang der gesamten Lieferkette zu steigern. Die beteiligten Unternehmen verknüpfen dabei erstmals innovative Technologien in komplexer Form. Aufgrund seiner technologischen Vorreiterrolle und der besonderen Leistung für die gesamte Branche wurde der Future Store mit dem Titel "Supermarkt des Jahres 2005" ausgezeichnet. Die Metro Group setzt RFID im Future Store vor allem entlang der Prozesskette und im Warenmanagement ein.

Alle Produktpaletten und Kartons für den Store sind mit so genannten Smart Chips ausgestattet, deren Daten mit einem Zeitstempel versehen und in einem Zentralrechner gesammelt werden. Produkte lassen sich so direkt identifizieren und lokalisieren - vom Transport bis in den Verkaufsraum. Kommen die Waren im Future Store an, werden sie durch ein RFID-Lesegerät ausgelesen, als "erhalten" registriert und später dann als "in den Markt verräumt" gekennzeichnet. Am Ende der Kette, wenn der Kunde ein bestimmtes Produkt gekauft hat, sorgt ein De-Activator am Ausgang des Marktes für die Löschung des elektronischen Nummerncodes - der Chip ist so dauerhaft unbrauchbar geworden.

Diese Vorteile soll RFID im Future Store für Kunden, Handel und Konsumgüterindustrie bringen: 1. Vereinfachung und Beschleunigung von Logistikprozessen, 2. Erhöhung der Warenverfügbarkeit, 3. Verbesserung der Qualitätssicherung.

Gefahren und Risiken abseits des RFID-Hypes

Auf den ersten Blick birgt die RFID-Technologie enorme Vorteile: Einen besseren Informationsfluss, schnellere, effizientere Prozesse oder die eindeutige Identifizierung von Produkten. Doch RFID ist nur eine Technik von vielen. Allein weil Forschung und Entwicklung gerade jetzt die Potenziale der digitalten Funktechnik erkennen, müssen andere, etablierte Techniken, nicht unbedingt schlechter sein. Ein Beispiel:

Ein Dienst, der völlig ohne RFID oder Barcodes auskommt, ist der Informationsdienst des European Egg Consortiums (EEC). Auf Basis einer europaweit eindeutigen Angabe des Erzeugerbetriebes als Stempel auf dem Ei ermöglicht er die Rückverfolgung eines jeden Eis in Europa bis zum Herstellerbetrieb. Auch für jeden Konsumenten. Kontrollen in den Betrieben und an Verkaufsstellen sowie die von den Eierproduzenten zu liefernde wöchentliche Statistiken sorgen für weitere Transparenz und letztlich für bessere Qualität.

Problem Technik

Bei aller Euphorie: Noch ist die RFID-Technik alles andere als ausgereift. So ist zum Beispiel noch nicht geklärt, wie im Falle von Störsignalen verfahren werden soll. Sie können dazu führen, dass die Datenübertragung vollständig zusammenbricht. Für ein Kaufhaus, das sämtliche Produkte mit Funkchips ausstatten würde, wäre das ein Horrorszenario. Zudem ist nicht klar, wie die Aussendung absichtlicher Störsignale verhindert werden kann und ob es Mittel und Wege gibt, die Frequenzen sicherer zu machen oder die Transponder abzuschirmen.

Ein weiteres Problem betrifft die Kennzeichnung von Produkten mit bestimmten Eigenschaften. Weist ein Produkt einen hohen Wasser- oder Metallanteil oder eine hohe Dichte auf, können die Daten unter Umständen nicht richtig ausgelesen werden, die elekromagnetischen Felder werden gestört. Liegen mehrere solcher Waren beispielsweise in einem Einkaufswagen, wird die Problematik deutlich.

Problem Kosten

Theoretisch ist der Einsatz von RFID überall denkbar. Doch ob sich der auch aus Kosten-Nutzen-Erwägungen heraus lohnen kann, steht derzeit noch in den Sternen. Damit die Chips möglichst preiswert sind, müssen sie in entsprechend großer Anzahl produziert werden. Rund 30 Cent sollen preiswerte Einheiten zur Zeit kosten. Dass die Kosten für die Umrüstung auf die digitale Funktechnik schnell in die Höhe schießen können, lässt sich wieder am Beispiel eines Kaufhauses demonstrieren:

Neben den Aufwendungen für die Ausstattung der Produkte mit Transpondern, für Lesegeräte und Datenbanken, müsste auch das gesamte ursprüngliche Kassensystem umgerüstet, wenn nicht sogar ausgetauscht werden. Durch das Abgreifen der Daten steigt deren Menge enorm an, so dass die Rechnerkapazitäten umfassend ausgebaut werden müssten. Hinzu kämen Kosten für die Einführung des Systems durch externe Fachleute, die Schulung des Kassenpersonals und die Beseitigung eventueller Störungen in der Anfangsphase.

Problem Datenschutz

Dieser Bereich wird von den RFID-Kritikern am ehesten ins Felde geführt. Vom gläsernen Kunden ist die Rede, vom Ausspionieren der Angestellten, ja von Werksspionage. Alles nur erfundene Horrorszenarien? Immerhin: Nicht nur der Scanner im Supermarkt kann RFID-Daten auslesen, sondern theoretisch jeder, der sich einen RFID-Leser besorgt. Und die Bedenken, Daten auch aus größerer Entfernung abzurufen, sind noch lange nicht vom Tisch. Datenschützer warnen deshalb vor einer Produktkennzeichnung mit RFID-Chips.

Bei der Verwendung dieser Chips ist die Gefahr des heimlichen Scannens von personenbezogenen Daten gegeben. Ein Anschlag auf die informationelle Selbstbestimmung, denn die einzelne Person hat keinen Einfluss mehr darauf, welche Informationen von ihr preisgegeben werden. Beim Verlassen der Apotheke würden Patienten möglicherweise durch die RFID-Chips auf ihren Medikamenten so viel über ihren Gesundheitszustand verraten, dass das Arztgeheimnis obsolet wäre.

Problem Umwelt

Ungelöst ist derzeit zudem noch das Problem der Entsorgung der Transponder als Elektronikschrott beim Masseneinsatz wie zum Beispiel Supermarktartikel. Jedes Mal, wenn ein Produkt gekauft würde, müsste der jeweilige Chip zerstört und umweltgerecht entsorgt werden.

Über die Vor- und Nachteile von RFID-Technik lässt sich trefflich diskutieren. Fest steht jedoch: Ein einheitlicher Standard muss her. Nur firmenübergreifende, möglichst normierte Datenstrukturen können dazu beitragen, dass RFID sich langfristig durchsetzt. Sein Anwendungspotenzial ist jedenfalls enorm.

Stichwort:

RFID steht für das englische Kürzel Radio Frequency Identification (Funkerkennung) und bezeichnet eine Methode, um Daten lesen und speichern zu können, ohne sie direkt sehen oder berühren zu müssen. Dafür werden so genannte Transponder, die eigentlichen RFID-Chips, verwendet. Angebracht werden können sie theoretisch an jedem beliebigen Objekt. RFID ist lediglich der Oberbegriff für die komplette technische Infrastruktur.

Ein RFID-System umfasst

Die Datenübertragung zwischen Chip und Lese-Empfangs-Einheit erfolgt mittels elektromagnetischer Wellen. Je nach Ausführung kann ein RFID-Chip unterschiedlich große Datenmengen speichern. Je nach Frequenzbereich, Sendestärke und ortsabhängigen Umwelteinflüssen können Daten aus einer Distanz von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Metern gelesen werden.

Hinweis:

Vor dem Hintergrund, RFID langfristig zu etablieren, wurde 2003 die internationale Organisation EPCglobal gegründet. In diesem Gremium entwickeln Anwender und IT-Spezialisten gemeinsam einheitliche Standards für RFID-Systeme.

Der so genannte Electronic Product Code (EPC) soll in Zukunft als globaler Standard für die Kennzeichnung von Objekten stehen und soll die optische Erfassung mittels Barcodes über längere Sicht ablösen.

Weiterführende Informationen zur RFID-Technologie finden Sie unter folgender Linkauswahl: