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Newsletter #77

Die Industrie tut was sie will, dagegen kann man doch eh nichts machen, sagt man sich häufig, zu häufig, wie uns scheint. Wir, die Verbraucher, die Käufer sind in organisierter Form die einzige Macht, vor denen die Großunternehmen noch Respekt haben. Das Beispiel Greenpeace hat es uns vorgemacht, die sogar Shell in die Knie gezwungen haben. Bei Politik, Bund, Land, Städten und Gemeinden reicht ein diskreter Hinweis auf die Arbeitsplätze oder die niedrigeren Gewerbesteuersätze der Nachbarstadt, die geringeren Arbeitskosten in den osteuropäischen Ländern, und schon kuscht Politik und Verwaltung vor der Industrie, auch wenn die häufig ihre Gewinne auf null rechnen und das Geld lieber einem Heer von Steuerberatern als dem Fiskus zahlt.

Dass es auch anders geht, zeigt der aktuelle Fall der Metro. Der Handelskonzern Metro (u.a. Lebensmittelgroß- und Einzelhandel) bricht angesichts der "emotionalen Diskussion" einen Versuch mit RFID-Chipkarten ab und wird 10.000 Payback-Kundenkarten austauschen, die einen sogenannten RFID-Chip enthalten. Die RFID-Technologie (Radio-Frequenz-Identifikation) ermöglicht den Einsatz von intelligenten papierdicken Etiketten, die eine berührungslose Übertragung von Produktinformationen ermöglichen, z.B. an der Supermarktkasse, aber eben nicht nur Preis, Frischedatum und Produktnummer, sondern auch persönliche Daten über Konsumenten.

Mit "emotionaler Diskussion" ist neben heftiger Kritik von Datenschützern am Einsatz dieser Technologie aber vor allem der Bielefelder "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs", kurz FoeBuD, gemeint. Mitglieder des Vereins hatten am Samstag eine Demonstration vor dem Rheinberger "Future Store" organisiert. Metro testet die sogenannte RFID-Etiketten an allen Waren seit einigen Monaten in ausgewählten Märkten und Warenlagern, vor allem im Supermarkt "Future Store" in Rheinberg, der eigens für den Probeeinsatz neuer Technologien errichtet und mit viel Presserummel und Claudia Schiffer vor gut einem Jahr eröffnet wurde.

Diese Demo und die Diskussion traf den Konzern an einem empfindlichen Punkt, an seiner Reputation in der Öffentlichkeit.

Metro entschloss sich zum Rückzug, auch wenn sie sich völlig zu Unrecht angegriffen sehen: "Der beanstandete Chip sei nur zur Alterskontrolle bei einem Video-Abspielsystem eingesetzt worden. Zudem habe man Payback-Kunden, die eine der RFID-Karten erhielten, in einem Informationsblatt darüber aufgeklärt." Wobei dazu gesagt werden muss, dass der Bielefelder Verein durchaus auch Gutes an dem Chip sieht, z.B. bei der Rückverfolgung von Medikamenten oder die Auffindung toxischer Substanzen, jedoch bemängelte, dass noch keine sinnvollen Kontrollmechanismen gegen Missbrauch existieren. Allein, dass jetzt endlich eine öffentliche Diskussion über das Missbrauchspotenzial solcher Chips begonnen, und dem Verbraucher seine mitunter doch vorhandene Macht gegenüber allmächtigen Konzernentscheidungen vor Augen geführt hat, ist dem Bielefelder Verein hoch anzurechnen, meint euer thofi.

Beepworld.de, 13. März 2004
Original: Nicht bekannt

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