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90 Prozent der Deutschen nutzen Rabattkarten

Vorsicht, Sie werden zum gläsernen Kunden!

Frage & Antwort -- Kundenkarten: Was wissen die Firmen eigentlich über mich? Deutschland im Schnäppchenrausch. Neun von zehn Deutschen haben eine Rabattkarte. Doch jetzt schlagen Verbraucherschützer Alarm: Durch die Karten werden die Kunden ausspioniert! Sie speichern persönliche Daten, analysieren unser Kaufverhalten...

Payback ist nach eigenen Angaben mit 28 Millionen Karten Marktführer. Auf Platz zwei kommt die Happy-Digits-Karte (22 Millionen Kunden). Datenschützer warnen: Die Kaufhäuser und Supermärkte können damit jeden Schritt ihrer Kunden überwachen.

Daten-Spionage

Das Prinzip ist einfach: Jeder, der die Karte vorzeigt, bekommt den Einkauf etwas günstiger. Doch dafür will der Handel eine Gegenleistung: Informationen. Jürgen Weber, Datenschutzbeauftragter bei Payback: ?Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Die Firmen erfahren etwas über das Kaufverhalten von Kundengruppen, die Kunden bekommen Rabatt.?

Rabatt satt

Hauptinteresse der Firmen: Persönliche Daten wie Familienstand oder Einkommen. Christian Fronczak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen: ?Viele Verbraucher geben Ihre persönlichen Daten zu leichtfertig raus. Die Anmeldeformulare sind so raffiniert gemacht, daß die Kunden nur schwer zwischen notwendigen und freiwilligen Angaben unterscheiden können.?

Doch die Firmen gehen noch weiter: So hatte die Metro-Gruppe in Rheinsberg (NRW) tausende Kunden heimlich ausspioniert. In ihren Rabattkarten waren sogenannte RFID-Chips (Radio Frequency Identification) versteckt. Jeder Chip hatte eine eigene Nummer. Rena Tangens, Sprecherin der Verbraucherorganisation FoeBud: ?Sobald ein Kunde den Laden betrat, wurde er registriert. Die Betreiber zeichneten exakt auf, wo er sich wie lange im Laden aufhielt und was einkaufte.?

Jetzt soll den Verbrauchern der Ausspionier-Chip RFID sogar als neue Sicherheitstechnik verkauft werden. Tangens: ?Die Chips sind auch auf den Tickets für die Fußball-WM 2006 versteckt.? Darauf ist die Personalausweis-Nummer gespeichert. Wer das passende Lesegerät hat, kann genau feststellen, wer wo im Stadion ist. Tangens: ?Die Angst vor Hooligans wird ausgenutzt.?

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1. Wie funktionieren Kundenkarten?

Christian Fronczak, Bundesverband der Verbraucherzentralen: ?Die Verbraucher legen bei jedem Einkauf ihre Karte vor. Die Daten, wie Kundennummer oder Kaufbetrag, laufen zentral bei einer Stelle zusammen und werden dort gespeichert. Die Firmen nutzen diesen Informationspool später, um z.B. gezielt ihre Werbepost zu verschicken.?

Wer also oft bei einer Drogerie einkauft, kann damit rechnen, daß er gezielt Kosemetik- oder Drogeriewerbung zugeschickt bekommt.

2. Wenn ich ein Shampoo kaufe, wird das auch vermerkt?

Rena Tangens vom ?Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.? (FoeBud): ?Über Ihre Kundenkarte sind Sie mit einer Nummer genau identifizierbar. Dadurch lieferen Sie dem Unternehmen, bei dem Sie einkaufen, Ihren detaillierten Einkaufszettel zusammen mit Ihren persönlichen Daten ab.

Auch wenn Payback angeblich nur die Warengruppen Ihres Einkaufs mitgeteilt bekommt, kann Payback daraus ein sehr aussagekräftiges Konsumprofil erstellen.

Und warum sollten die Daten nicht schon bald anders genutzt werden? Zum Beispiel könnten sich Krankenkassen dafür interessieren, was ihre Mitglieder essen. Oder die Polizei steht plötzlich bei Ihnen vor der Tür, nur weil Sie zufällig ein Werkzeug gekauft haben, das auch für einen Einbruch verwendet wurde.?

3. Lohnen sich die Kundenkarten überhaupt?

Rena Tangens: ?Nein. Denn für gerade einmal ein Prozent Rabatt geben Sie Ihre persönlichen Daten preis. Außerdem hat kein Konzern etwas zu verschenken. Die Rabatte werden in der Regel vorher auf den Preis draufgeschlagen. Das Ganze ist also Augenwischerei. Gehen Sie lieber woanders einkaufen, wo kein teures Kundenkartensystem eingesetzt wird.?

4. Wie gut sind meine Daten geschützt?

Rena Tangens: ?Firmen, die Kundenkarten anbieten, berufen sich auf das deutsche Datenschutzrecht. Das ist im internationalen Vergleich recht gut. Auf den Anmeldeformularen unterschreiben die Kunden jedoch eine Erklärung, daß ihre Daten für Werbe- und Marktforschungszwecke verwendet werden dürfen. Und in Deutschland wiegt die Vertragsfreiheit höher als das Datenschutzrecht.?

5. Werden meine Adresse oder andere Daten nach außen weitergegeben?

Jürgen Weber, Datenschutzbeauftragter von Payback: ?Es werden keine persönlichen Daten nach außen weitergegeben. Nicht einmal die beteiligten Partner-Unternehmen bekommen diese Informationen. Alles läuft bei Payback ein und bleibt dort.?

6. Kann ich meine Daten trotz Rabattkarte schützen?

Christian Fronczak: ?Wenn Sie so wenig wie möglich von sich preisgeben wollen, sollten Sie im Anmeldeformular keine freiwilligen Angaben ausfüllen. Verraten Sie nur das Nötigste.

Sie können oft auch sicherstellen, daß Ihre Daten nicht zu Marktforschungs- oder Werbezwecken verwendet werden. Zum Beispiel, indem Sie in einem Formular ankreuzen, daß Sie keine Werbepost wollen. Sie können solche Passagen auch einfach streichen.?

7. Wie weit ist die Technik bei Kundenkarten?

Rena Tangens: ?Ganz neue Möglichkeiten haben Unternehmen durch die sogenannten RFID-Chips (Radio Frequency Identification). Das sind winzige Computerchips mit Antenne, die in Kundenkarten, auf Preisetiketten oder auch in der Ware selbst versteckt sind.

Diese Schnüffelchips können gelesen werden, ohne daß Sie das bemerken. Das heißt, wenn Sie mit einer RFID-Chip-Kundenkarte in der Handtasche den Laden betreten, kann das Unternehmen Sie identifizieren, schon bevor Sie irgendetwas gekauft haben. Und kann beispielsweise registrieren, wie lange Sie vor dem Zeitschriftenregal gestanden haben, ohne eine Zeitung zu kaufen.?

8. Wurden die RFID-Chips schon eingesetzt?

Rena Tangens: ?Ja, durch die Metro-Gruppe (Galeria Kaufhof, Real, Praktiker, Mediamarkt, Saturn, Extra) in einem Supermarkt in Rheinsberg. Seit April 2003 wurden rund 10.000 Payback-Kundenkarten mit RFID-Chips ausgegeben.

Unsere Initiative hat den heimlichen Einsatz der Chips Anfang Februar 2004 entdeckt. Daraufhin mußte das Unternehmen diese Payback-Karten austauschen. Inzwischen dürften keine mehr im Einsatz sein.?

Claudia Carl

bild.de, Berlin, 18. Januar 2005
Original: http://www.bild.t-online.de/BTO/index.html

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