VON REINHARD RÖDE
Willkommen im Future Store! Bitte melden Sie sich mit Ihrer Kundenkarte bei Ihrem Einkaufswagen an. (Piep) - Vielen Dank! Herzlich willkommen, Herr Mayer. Ihr letzter Einkauf: Zwei Salatköpfe und vier Äpfel. Der Future Store wünscht einen angenehmen Einkauf.
Das ist die Gegenwart im "Future Store" des Metro-Konzerns, seit April 2003 gibt's ihn in Rheinberg bei Düsseldorf, dort wird uns heute der Supermarkt von morgen vorgespielt. Was die echte Zukunft bringt, kann man nur ahnen. Eine Abkürzung geistert seit ein paar Monaten rum, die unser Alltagsleben massiv verändern wird, vor allem alles, was mit Einkaufen zu tun hat. RFID - Radio Frequency Identification: kleine Chips, fast unsichtbar, so klein wie ein Sandkorn, die jedem Produkt eine eigene Nummer und eine eigene Identität geben.
Der Supermarkt der Zukunft weiß, wieviel Spaghetti oder Tomaten in meinem Wagen liegen. Er weiß, welcher Wein dazu passt und welchen ich grade angeschaut und wieder zurückgestellt habe. Der Supermarkt der Zukunft funktioniert mit winzigen Funk-Chips. Die so genannte RFID-Technik wird bald in jedem Müslikarton, jeder Coladose, jedem T-Shirt und jeder U-Bahn-Fahrkarte stecken. Bis November dieses Jahr will Metro, der größte deutsche Handelskonzern, 250 Läden und 10 Logistik-Zentren mit RFID-Funktechnik ausrüsten. Eine rosige Zukunft sieht Unternehmenssprecher Albrecht von Truchsess, und zwar für alle:
"Wir versprechen uns davon sehr viel für unser Unternehmen und für unsere Lieferanten - aber an erster Stelle für unsere Kunden. Wenn die Technologie uns hilft, Prozessse effizienter zu gestalten und dadurch Kosten einzusparen, wird man natürlich als Handelsunternehmen solche Einsparungen auch an die Kunden weitergeben. Ein weiteres Beispiel: Die RFID-Technik hilft uns, Leerstände in Regalen zu vermeiden oder signalisiert, wann ein Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Auch das kommt natürlich dem Kunden unmittelbar zugute."
Sie stehen vor dem Regalfach von Coca Cola Vanille. Dieses Produkt ist leider heute ausverkauft. Wir empfehlen statt dessen: Pepsi Light, sechs Dosen für einen Euro 99 Cent. Im Regal 30 Zentimeter rechts von Ihnen.
Der Chip in der Coladose funkt das ganze Coladosenleben in eine zentrale Datenbank: Wann die Dose den Hersteller verlässt, wie lang die Cola haltbar ist, welcher Lastwagen sie wohin fährt, wieviele Dosen noch im Regal stehen und wann der Kunde damit durch die Kasse wandert. Ein Traum für den Handel, ein Alptraum für Datenschützer. Padeluun vom "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs", kurz: FÖBUD, erklärt seine Bedenken:
"Die RFIDs an sich sind erstmal nicht das Problem, sondern dazu gehört die Verknüpfung der Daten, die sofort im Laden stattfindet. 25 Millionen Deutsche haben eine Payback-Karte, mit der sie sich an der Kasse identifizieren. Damit kann ein Personenbezug hergestellt werden. RFIDs in einer solchen Kombination, mit dem Wissen, welcher Mensch zu dieser RFID gehört - das muss auf jeden Fall verhindert werden. Eigentlich bin ich auch bereits dagegen, dass die Chips in einem Laden aktiv sind - damit ließe sich bereits die Einkaufsbewegung von Menschen verfolgen."
Sie haben eine Packung Frischkäse Doppelrahmstufe in ihren Wagen gelegt. Aufgrund Ihres Einkaufsverhalten empfehlen wir Ihnen eine fettarme Ernährung. Zum Beispiel: Frischkäse Magerstufe, 0,2 Prozent Fett, 200 Gramm 1 Euro 19. Im Regal direkt vor Ihnen.
Wen geht's was an, welchen Käse ich kaufe, ob ich zuerst das Steak und dann den Rotwein suche oder umgekehrt? Metro-Sprecher von Truchsess sagt: Jetzt mal halblang - im Moment probieren wir die RFID-Technik erst bei einigen Produkten aus, vielleicht werden wir in ferner Zukunft mal den Weg von Kunden im Supermarkt damit verfolgen könen, aber wir haben ganz sicher nie irgendwas zu verbergen. Metro-Truchsess zu Informationsstrategie:
"Wir informieren über jede einzelne Technologie, die wir im Future Store einsetzen, sowohl Technologie, die den Kunden unmittelbar nutzt, wie intelligente Waagen, Einkaufsberater und Selbstzahlerkassen. Wir informieren auch über die Technologie im Hintergrund, speziell zu RFID: Es gibt Informationsmaterial, jedes Regal und Lesegerät mit RFID-Technik ist markiert. Wir haben auch am Ausgang einen Deaktivator, wo der Kunde sehen kann ich kann nach dem Einkauf die Information auf dem Etikett löschen. Momentan stellen wir fest, dass Kunden sich noch wenig nach RFID erkundigen, wird sich aber in nächsten Monaten ändern."
In welchen Produkten die RFID-Technik steckt und in welchen nicht, die Frage wird sich schon bald nicht mehr stellen: Praktisch jedes Alltagsprodukt wird einen solchen Sender haben, die Chips werden kleiner und billiger, zur Zeit kosten sie 5 Cent pro Stück und sind so klein wie ein Sandkorn. Niemand wird wissen, wieviele solche Chips er mit sich rumträgt, sogar manche deaktivierte Chips können wieder aufgeweckt werden, und wer wann welche Signale von ihnen empfängt und auswertet, ist völlig unklar. Datenschützer Padeluun sagt: Der Einzelkampf "Mensch gegen Chip" ist aussichtslos, die RFID-Technik muss insgesamt besser kontrolliert werden. Dazu nochmal Padeluun vom "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs":
"Diese Chips werden uns miliardenfach überfluten - in Geräten, Möbeln, Schuhen, Kleidung und so weiter. Da ist ein Kampf "Mann gegen Chip" einfach verloren - das wäre ungefähr das selbe, wie gegen ein Heer von gefräßigen Ameisen anzutreten. Wir müssen andere Mittel wählen: Uns darauf besinnen, dass wir eine Gesellschaft sind, dass wir Politiker haben, die uns vor Schäden bewahren sollen. Wichtig sind auch die Organisationen, die sich für den Schutz der Bürger einsetzen: Verbraucherschützer, Datenschutzorganisationen - von denen es in Deutschland ja mehrere gibt."
Bayrischer Rundfunk, 21. Januar 2004
Original: http://www.br-online.de/jugend/zuendfunk/themen/netz/rfid.shtml