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RFID-Chip mit Sollbruchstelle

IBM hat einen Funk-Tag entworfen, der sich nicht nur deaktivieren, sondern auch wieder aktivieren lässt.

Bislang ist es nur ein Konzept, aber vorsorglich hat die IBM es schon einmal zum Patent angemeldet. Die Rede ist vom Funkchip, der aus Verbraucherschutzgründen unlesbar, im Falle einer Reklamation oder Garantieleistung aber auch wieder einsatzfähig gemacht werden kann.

Die Radio Frequency Identification (RFID) bewegt derzeit nicht nur Logistik und Handel, sondern auch die Verbraucherschützer: An gekaufter Ware verbliebene Tags erlauben es, so die Befürchtungen von Organisationen wie Foebud oder Caspian, den Kunden zu "tracken", also seine räumliche Bewegung nachzuvollziehen.

Ob gerechtfertigt oder nicht - die Unternehmen müssen solche Bedenken ihrer Endkunden ernst nehmen. Die Metro Group beispielsweise hat darauf reagiert, indem sie in ihrem als Supermarkt getarnten Testlabor "Extra Future Store" einen "Deaktivator" aufgestellt hat, der alle auf dem Funkchip gespeicherten Informationen - mit Ausnahme der Seriennummer - auf null setzt. Ein noch radikaleres Konzept verfolgt die Standardisierungsinstanz EPCglobal. Sie plädiert dafür, den Chip quasi auf den elektrischen Stuhl zu schicken, sobald er seine Schuldigkeit getan hat. Durch absichtliche Überhitzung werden die Informationen mitsamt dem Speichermedium unbrauchbar.

Beide Methoden haben einen entscheidenden Nachteil. Sie vernichten die Tag-Daten unwiderruflich. Sollte der Kunde mit der Ware nicht zufrieden sein oder ein Gerät reparieren lassen wollen, wären die gespeicherten Informationen aber hilfreich. Sie würden dem Handelsunternehmen beispielsweise verraten, welche Teile in einem CD-Player verbaut wurden und auf welchen Wegen er in die Hände des Verbrauchers gelangt ist.

Dieses Dilemma möchte die IBM mit Hilfe der "Clipped Tags" lösen. Hinter diesem Begriff verbergen sich gleich drei neue Chip-Entwürfe. Gemeinsam ist ihnen, dass sich Speichermedium und Antenne voneinader trennen lassen, so dass die Informationen nicht mehr auslesbar sind - jedenfalls nicht, ohne dass der Käufer es merkt.

Das erste Modell hat eine Sollbruchstelle, an der es sich nach dem Kaufvorgang sauber zweiteilen lässt. Beim zweiten wird die Verbindung zwischen Speicher und Sender durch Ziehen an einer Lasche unterbrochen. Und das dritte folgt dem Prinzip der "Rubbellose"; es wird unchiffrierbar, wenn seine Beschichtung abgekratzt ist. Sollten nun die Informationen auf dem Chip irgendwann wieder benötigt werden, so lässt sich das durch Aufsetzen zweier Kontakt relativ einfach bewerkstelligen, erläuert Kurt Rindle, RFID-Experte der IBM Deutschland.

Dieses Konzept eignet sich nicht für Massenware, soviel ist klar. Kein Kunde wird nach dem Kauf im Supermarkt zehn, 20 oder mehr Chips zerbrechen beziehungsweise abkratzen wollen. Auch wegen des relativ hohen Herstellungspreises sind die Clipped Tags eher für "spezielle" Anwendungen und hochpreisige Ware gedacht, so Rindle.

Die Produktion der Tags möchte IBM gern Chipherstellern wie Philips Semiconductors oder Alien Technology überlassen. Bislang hat allerdings noch keiner von ihnen angebissen. Aber zum Patent hat der blaue Riese das Konzept bereits angemeldet - nicht unbedingt aus der Erwägung heraus, dass sich damit Geld verdienen lässt, beteuert Rindle. Im EPCglobal-Umfeld hielten die Hersteller ihre Technik sogar lieber patentfrei, um ihr eine breite Basis zu sichern. Wie das Beispiel von Intermec und Symbol zeigt, eignen sich Patente aber hervorragend als "Tauschobjekte" für fremde Technologie.

Computerwoche, 14. März 2006
Original: http://www.computerwoche.de/nachrichten/573471/

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