Vom Einsatz der RFID-Technologie in Produktverpackungen werden zwar vorrangig große Chip-Hersteller wie Intel oder Texas Instruments profitieren. Die notwendige Ausrüstung zehntausender Geschäfte und Logistikzentren mit WLANs und neuer Warenwirtschaft-Software ist jedoch auch ein riesiger, neuer Absatzmarkt für Systemhäuser.
Von Folker Lück
[25.03.2004]
Wenn Intels Vice President John Davies, SAP-Vorstand Peter Zencke und Metro-Vorstand Hans-Joachim Körber ins niederrheinische Städtchen Rheinberg reisen, um einen Supermarkt zu eröffnen, dann muss es etwas außergewöhnliches sein. Vor knapp einem Jahr kam die prominente Herrenriege dort zusammen, um den dortigen Extra-Supermarkt, etwas protzig »Future Store« genannt, zu eröffnen. Das Futuristische: Sämtliche Waren im Geschäft sind bereits mit RFID-Etiketten versehen. Vom Kunden in den Einkaufswagen gelegte Artikel erfasst ein Scanner automatisch. Am Ausgang legt der Kunde lediglich noch seine Kreditkarte vor, bezahlt und geht.
Nicht nur der Handelskonzern Metro, auch die Tchibo Frisch-Röst-Kaffee GmbH testet derzeit die Möglichkeiten des Einsatzes von RFID-Technik. Beide Konzerne wollen mit den elektronischen Produktetiketten die Identifikation, Zählung und Kontrolle entlang des gesamten Warenflusses verbessern. So wird beispielsweise bei Tchibo die Warensteuerung im Hochregallager in Bremen auf Lkw- und Stapler-Ebene bereits mit RFID durchgeführt. Tchibo setzt außerdem RFIDs in EAS-Systemen ein, um Diebstähle aufzudecken.
Dass sich mit RFID schon heute Geld verdienen lässt, zeigt das Beispiel der Seeburger AG: Das nahe Karlsruhe ansässige Softwarehaus für Business-Integrationslösungen bietet bereits eine komplette RFID-Lösung an, die Unternehmen den Einstieg in die E-Logistik ermöglicht. Seeburgers zentrale Logistik-Plattform wird in eigenen Rechenzentren betrieben und offeriert allen beteiligten Unternehmen als Dienstleistung den Austausch von Bestellungen, Rechnungen, Lieferbestätigungen und -informationen bis hin zur Verfolgung der Waren sowie ein Inventar- und Event-Management. Die benötigten Transponder werden von Seeburger kostenlos zur Verfügung gestellt, die RFID-Infrastruktur als Miet- oder Leasingmodell angeboten.
Insbesondere für Chip-Hersteller wie Intel oder Philips und Infrastruktur-Anbieter wie Sun oder Cisco bedeutet die flächendeckende RFID-Einführung ein Riesengeschäft. »Allein bei den neuen Chips sprechen wir langfristig von mehreren hundert Milliarden Produktverpackungen, die jährlich damit ausgestattet werden«, verdeutlicht ein Metro-Sprecher das Marktvolumen. Selbst dann, wenn der Preis pro Chip unter einen Cent sinken wird, dürften die Kassen kräftig klingeln. Da die kleinen Datenträger mittelfristig wie heute der Barcode fester Bestandteil der Produktverpackung werden sollen, müssen immer wieder neue RFIDs produziert werden. Derzeit sind die Kosten für die kleinen Halbleiter jedoch noch relativ hoch: Ein einfacher Transponder, der allein die Identifikationsnummer trägt, kostet etwa einen Cent. Ein Modell, das zusätzlich einen elektronischen Produktcode speichern kann, kostet zwischen 30 und 40 Cent. Transponder mit Smartcard-ähnlichen Chips sind noch teurer.
Verbraucherschützer warnen indes vor den Gefahren der neuen Technologie: RFID sei eine Warenmarkierungstechnik mit gravierenden gesellschaftlichen Folgen, die bei missbräuchlicher Nutzung bis hin zum Verlust der Käuferanonymität und der Bedrohung bürgerlicher Freiheiten führen könne, heißt es in einem Positionspapier, das unter anderem der Verein FoeBuD (www.foebud.org) unterzeichnet hat. Mit RFID-Etiketten versehene Waren bekämen einzigartige Identifikationsmerkmale, die zur Errichtung eines globalen Registrierungssystems geeignet seien. Entsprechende Datensammlungen könnten mit Personen- Identifikationsdaten zusammengeführt werden. Dadurch wären Bewegungsprofile von Personen möglich, ohne dass diese davon wüssten. Zudem mahnt der Verein die Möglichkeit der Deaktivierung an: Bis dato sei noch kein Transponder auf dem Markt, dessen Identitätsdaten sich restlos löschen ließen.
Als denkbares Werkzeug zum Schutz der Verbraucher-Intimsphäre hat der Security-Spezialist RSA bereits einen Blocker-Chip entwickelt, der die Kommunikation zwischen den smarten Etiketten und den zugehörigen Lesegeräten stört. Der Störsender, dessen Demo-Exemplare RSA auf der Cebit als Bestandteil spezieller Einkaufstaschen verteilte, arbeitet wie die normalen RFID-Tags passiv. Das heißt: Er bezieht seine Energie aus den Sendeimpulsen des Lesegeräts und nutzt sie, um ein Störsignal dorthin zurückzusenden.
Noch brauchen sich die Kritiker allerdings keine allzu großen Sorgen vor konkretem Missbrauch zu machen: Bei bunt gemischten Einkaufskörben oder dicht gepackten Europaletten hat RFID vielfach noch Schwierigkeiten. Das Problem: Im RFID- Frequenzbereich schirmt Metall elektromagnetische Wellen ab. Dosen können deshalb die Datenübermittlung blockieren. Auch wenn zwei Transponder übereinander liegen, stören sie sich gegenseitig. Im 2,45-GHz-Bereich, wie er in Pilotverfahren in den USA genutzt wird, können sogar schon wasserhaltige Waren wie Melonen die Übertragung stören.
Außer Frage steht jedoch, dass die noch bestehenden technischen und rechtlichen Ungereimtheiten lösbar sind. Zwischenzeitlich schmieden namhafte Unternehmen kleine und größere RFID-Kooperationen. So eröffnen dieser Tage beispielsweise der US-Chip-Hersteller Intel und Siemens Business Services (SBS) ein gemeinsames RFID Technology Center. Das Kompetenzzentrum entsteht in Feldkirchen bei München und wird Teil des dortigen Intel Solutions Center sein. Beide Unternehmen wollen »erlebbare RFID-Technologie präsentieren« und die Verwendung der elektronischen Etiketten in der Logistik, bei Supply-Chain-Prozessen (SC) sowie beim Customer Relationship Management (CRM) demonstrieren. Standard-Lösungsszenarien sollen Interessenten zeigen, wie RFID zur Kostensenkung und Beschleunigung von Logistikabläufen beiträgt.
IBM und der niederländische Philips-Konzern haben ebenfalls mitgeteilt, dass sie bei der Entwicklung und dem Vertrieb von RFID-Tags zusammenarbeiten werden. Innerhalb der Kooperation wird Philips die RFIDs fertigen, während IBM die dafür benötigten Computer-Systeme und -Dienstleistungen anbietet.
Als erstes gemeinsames Projekt wollen die Unternehmen in der taiwanischen Philips-Halbleiterfabrik Kao Hsiung und in der Zentrale in Hongkong die RFID-Tags einsetzen. Dort sollen zunächst Kartons und Verpackungseinheiten mit den RFIDs versehen werden. Auch Infinion, NEC, Hitachi und Texas Instruments bereiten derzeit Fertigungskapazität für RFID-Halbleiter vor. Texas Instruments hat nach eigenen Angaben bereits ein RFID-Tag für den Einsatz in Textilien entwickelt, das sogar die chemische Reinigung in einer Wäscherei überstehen soll.
Der Barcode erfüllt nicht mehr die Anforderungen einer modernen Warenwirtschaft. Mit EPC und RFID ist der passende Ersatz gefunden. Für Software- und Netzwerk-Systemhäuser entsteht durch den Technologiewechsel ein viel versprechender, neuer Markt. Die Missbrauchs-Gefahren der RFID-Technologie müssen jedoch offen diskutiert und sollten nicht heruntergespielt werden. Industrie und Handel können nicht ohne Image-Schaden eine Technologie ohne Verbraucher-Akzeptanz durchsetzen.
RFIDs (Radio Frequency Identification) sind passive Chips, die ohne eigene Stromversorgung in einem elektromagnetischen Feld eine Kennung aussenden. Die Kennung der Chips soll bis auf eine Entfernung von 30 Meter erfassbar sein. RFID kommt beim neuen Electronic Product Code (EPC) zum Einsatz. Dieser soll in den kommenden Jahren nach und nach die bisher vor allem zur Warenidentifikation eingesetzten Barcodes ablösen. Damit erhofft sich die Warenwirtschaft eine gesteigerte Produktivität und Flexibilität, weil sich RFID-Label drahtlos und ohne Sichtkontakt lesen lassen. Zudem macht der bei EPC zur Verfügung stehende große Adressraum praktisch jedes einzelne Objekt eindeutig identifzierbar. Neben Seriennummern können weitere Informationen über Produkt und Hersteller gespeichert und abgerufen werden.
Computer Reseller News, 25. März 2004
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