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Demonstration auf der Cebit

Protest gegen RFID

RFID ist das Trendthema der Cebit. Die Funkchips helfen dabei, Prozesse zu verschlanken. Sie können aber auch die Privatsphäre verschlanken, meint eine Bürgerinitiative, die am Stand der Metro Group demonstrierte.

Von 99 Luftballons getragen, schwebte ein Transparent mit der Aufschrift „Stoppt RFID“ durch die RFID-Halle 6. Mit dieser Aktion wollte der FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.) darauf aufmerksam machen, dass RFID-Chips auch Schnüffelchips sein können.

Die Flug-Aktion vom „Club der freundlichen Genies“ störte eigentlich niemanden, denn niemand fühlte sich so richtig dafür zuständig, die Privatsphäre anderer zu stören oder gar „den Datenschutz mit den Füßen zu trampeln", wie es beim FoeBuD heißt.

Tags zuvor hatte Gerd Wolfram, Geschäftsführer der Metro Group Information Technology (MGI) auf der Cebit-Pressekonferenz noch erklärt, dass ihm der Datenschutz ein ernstes Anliegen sein wird, wenn die Chips auf einzelnen Waren auftauchen. Das aber soll Wolfram zufolge erst in 10-15 Jahren passieren. Rätselhaft, wieso sich dann die Datenschützer heute so aufregen.

In der intelligenten Umkleidekabine zieht sich keiner aus

Ein Blick auf den hochinteressanten großen Metro-Stand zeigt sofort, wie knifflig das Problem ist. Da betreten Messebesucher die „intelligente Umkleidekabine", die beim Kombinieren von verschiedenen Kleidungsstücken berät und streng genommen keine Kabine mehr ist.

Denn niemand muss sich ausziehen: Erst wird ein Digitalfoto geschossen, dann winkt man die gewünschten Kleidungsstücke an einem RFID-Leser vorbei und sieht am Monitor, ob die Klamotten passen. Alles paletti? Aber was ist mit der Boutique, die Kundendaten, Körpermaße und das Digitalfoto speichert?

Sprachbefehle im Warenlager

Am anderen Ende des Standes läuft die Superanwendung, vor der sich die Metro Group größte Einsparungen verspricht. Hier werden Waren für die Auslieferung auf modernste Weise kommissioniert: Die einzelnen Posten stehen nicht nur auf einem Bildschirm, sondern werden in das Bluetooth-Headset der Arbeiterin gesprochen: „Nimm einen Karton Pringles Natur!“.

Wenn die mit Datenhandschuhen ausgerüstete Arbeiterin den Karton packt, ruft sie den Befehl „Scannen!", den der Datenhandschuh versteht. Sofort taucht die Kartonnummer der Chips in der Ausgangs-Lieferliste auf. In Zukunft sollen auch die Arbeiter, die in den Läden die Regale füllen, zu menschlichen Erfassungsgeräten werden.

Auf dem Weg zum gläsernen Konsumenten

Dann werden noch die Regale „intelligent“ und wissen, was in ihnen steht – entsprechende Systeme finden sich schon am Metro-Stand. Kombiniert man das Szenario mit dem intelligenten Teppich voller RFID-Chips, den Infineon und Staubsauger-Hersteller Vorwerk in Halle 9 zeigen, dann wird das Unbehagen der Datenschützer langsam verständlich. Denn auch wir werden genügend RFID-Chips an uns tragen und auf diese Weise zum gläsernen Konsumenten.

Unter diesem Aspekt ist die kleine drollige Demo mit dem schwebenden Stoppschild eine Mahnung, auch in der strahlend schönen Zukunft einer Welt voller kommunizierender Chips das Gebot der Datensparsamkeit nicht zu vergessen.

Detlef Borchers

Focus, München, 09. März 2006
Original: http://focus.msn.de/digital/cebit/news/demo-auf-der-messe_nid_25965.html

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