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Gerry Weber verwanzt Kleidung mit Schnüffelchips

Datenschützer schlagen Alarm

Die Modefirma Gerry Weber näht in Kleidung RFID-Chips ein, die per Funk ausgelesen werden. Das wissen viele Kunden nicht, wie die Datenschützer des Vereins FoeBuD mit einer Aktion vor einem Gerry-Weber-Laden zeigten. Das WDR-Magazin „markt“ berichtet am Mittwoch in einer Wiederholung.

Wer eine Jacke, eine Bluse oder einen Pullover der nordrhein-westfälischen Modefirma Gerry Weber kauft, bekommt einen RFID-Chip dazugeliefert: Der macht das kleidungsstück eindeutig erkennbar – und damit auch den Träger. Per Funk kann jeder, der ein entsprechendes Lesegerät nutzt, eine Identifikationsnummer abrufen, und zwar ohne direkten Kontakt zur Kleidung. So ist es theoretisch möglich, ein Bewegungsprofil des Käufers zu erstellen. Bei der RFID-Technologie werden auf Minichips Informationen gespeichert, die von Lesegeräten empfangen werden können.

Was viele Kunden nicht wissen, hat jetzt der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V. (FoeBuD) bei einer Aktion gezeigt. Die Datenschützer stellten sich mit einem handelsüblichen Lesegerät für RFID-Chips vor einem Laden der Modefirma in Bielefeld auf. Der WDR filmte diese Aktion und berichtet am Mittwoch in der Wiederholung der Sendung „markt“ über die Gefahren der Technologie. Mit dem Lesegerät scannten die Datenschützer die Chips und projizierten die Daten öffentlich in eine große Sprechblase. Zu sehen war ein Nummerncode, der das Kleidungsstück eindeutig identifizierbar macht. Gerry Weber wirbt auf seiner Homepage sogar damit: Der Nummerncode sei „in einer Datenbank hinterlegt. Dadurch erhält jeder Gegenstand mit RFID-Transponder eine unverwechselbare Identität.“

Bis aus acht Meter Entfernung lesbar

Die Firma stattet die Kleidungsstücke mit den Chips aus, um nach eigenen Angaben vor allem die Logistik beim Transport der Waren zu verbessern. Auf der Webseite heißt es dazu: „Das ,normale´ Pflegeetikett wurde zum textilen RFID-Etikett erweitert, das die Warensicherung, Herstellerangaben zur Pflege und den Elektronischen Produkt Code vereint.“

Darüber informiert Gerry Weber zwar mit Flyern in den Läden, doch nach Auffassung des FoeBuD sind sich die meisten Käufer dennoch nicht darüber bewusst, was das heißt: „Was zur Optimierung der Logistik gedacht ist, wird zur Gefahr für Kundinnen und Kunden, wenn es in der Kleidung bleibt“. FoeBuD-Sprecherin Rena Tangens erklärt gegenüber FOCUS Online: „Man kann die Daten bis zu einer Entfernung von acht Metern auslesen. Kunden seien damit „auch außerhalb des Ladens ortbar.“ Überall, wo ein Lesegerät vorhanden ist, könnten die Daten erfasst werden, die Träger merken davon nichts.

Menschen sind identifizierbar

Zwar könnten die Kunden im Laden verlangen, dass der Chip entfernt wird, doch Rena Tangens sagt: „Das machen sie aber nicht, wenn kein Problembewusstsein da ist.“ Die RFID-Chips sollen dreimalige Wäsche und eine zweimalige chemische Reinigung unbeschadet überstehen. „Man kann damit Menschen identifizieren und verfolgen“, meint Rena Tangens. Dabei handele es sich nicht um eine Horrorvision des FoeBuD, sondern werde von Firmen tatsächlich erwogen. Es gibt bereits ein entsprechendes US-Patent: Unter anderem soll mit Hilfe von RFID-Chips das Konsumverhalten eines Kunden dokumentiert werden.

Gerry Weber ist nicht der einzige Hersteller, der solche Chips in die Kleidung näht – aber bisher einer der wenigen. Nach Informationen der Datenschützer planen C&A und S.Oliver ebenfalls den Einsatz von RFID-Technologie. Derzeit nutzen viele Firmen sogenannte RF-Etiketten, die zwar die Warensicherung per Funk ermöglichen, aber keine eindeutige Identifikationsnummer enthalten.

Der FoeBud über RFID-Chips (Landeszentrale für politische Bildung NRW)

„Big Brother Awards“ für RFID-Verwendung

Auch die italienische Firma Peuterey verwendet die Technologie. So erfasste der FoeBuD bei seiner Aktion auch den Chip einer zufällig vorbeikommenden Passantin, die die Peuterey-Jacke vor über einem Jahr gekauft hatte. Sie wusste von dem Chip nichts. Für dieses Vorgehen erhielt der Hersteller vor einem Jahr den „Big Brother Awards“, den der FoeBuD einmal im Jahr für gravierende Verstöße gegen den Datenschutz verleiht.

In der Jury-Begründung hieß es dazu: „Angenommen, ich schaue mir hier im Raum eine Person aus. Sie zum Beispiel. Ich gebe Ihnen den Namen 27BStrich6. Und ich installiere in Ihrer Kleidung eine kleine Abhörwanze, die mir in unregelmäßigen Abständen Ihren Aufenthaltsort zusendet. Dann weiß ich, wo Sie sich, also die Person, der ich die Nummer 27BStrich6 gegeben habe, tagsüber und nächstens aufhalten.“

Der FoeBuD fordert, sämtliche Funketiketten an der Kasse oder vor dem Versand physikalisch zu entfernen. Eine Deaktivierung per Software reicht dem Verein nicht aus – eine Möglichkeit, die Gerry Weber zwar versprochen hat, aber bislang noch nicht anbietet. Außerdem sollte es nach Meinung der Datenschützer eine entsprechende verpflichtende Gesetzgebung auf EU-Ebene geben.

► Sendetermin

Das WDR-Magazin „markt“ berichtete in seiner Sendung am Montag, 16. Januar, 21 Uhr, im WDR-Fernsehen unter anderem über die Aktion des FoeBuD und die RFID-Chips in Kleidungsstücken. Das Magazin kann auf der Webseite www.wdr.de/tv/markt/ eine Woche lang als Video abgerufen werden.

Die Sendung wird am Mittwoch, 18. Januar, um 14:15 Uhr im WDR-Fernsehen wiederholt.

Claudia Frickel

Focus Online, München, 16. Januar 2012
Original: http://www.focus.de/digital/multimedia/datenschuetzer-schlagen-alarm-gerry-weber-verwanzt-kleidung-mit-schnueffelchips_aid_702960.html

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