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Datenschützer und Metro streiten über Funk-Etiketten

US-Aktivistin Katherine Albrecht entdeckt beim Besuch des Rheinberger Modell-Supermarkts versteckten Chip in der Kundenkarte

Der Kunde nimmt ein Hemd und geht in die Umkleidekabine. Dort erkennt ein Lesegerät am eingenähten RFID-Chip das Kleidungsstück. Auf einem Bildschirm erfährt der Mann Wissenswertes zum Hemd - und bekommt Vorschläge, womit es sich chic kombinieren lässt. "Das ist eine Qualität an Kundenservice, von der wir schon immer geträumt haben", schwärmt Axel Bretthauer, Projektleiter beim Paderborner IT-Unternehmen Wincor Nixdorf.

Die Technik gibt es schon. Erste Einzelhandelskonzerne wie Wal Mart, Tesco in Großbritannien oder die deutsche Metro-Gruppe richten sich auf die Zukunft mit den auch Smart Tags genannten RFID-Chips ein. RFID, das steht für "Radio Frequency Identification" - Identifizierung mittels Radiowellen.

Zunächst geht es nur darum, die Logistik billiger zu machen. Von November an will die Metro-Gruppe, weltweit fünftgrößter Einzelhandelskonzern, die Funk-Etiketten in seinen Unternehmen Kaufhof, Real und Extra zunächst in der Logistik einsetzen. Dann müssen etwa hundert Lieferanten ihre Waren und Verpackungen mit RFID-Etiketten versehen. Ganze Paletten lassen sich so erfassen, Haltbarkeit und Transportwege abfragen. Informationen, die in den Chip eingeschrieben werden. Dadurch ließen sich Kosten sparen, sagt Metro.

Doch die RFID-Chips stehen zunehmend in der Kritik - vor allem, wenn sie im Zusammenhang mit Verbrauchern eingesetzt werden. In Großbritannien mussten Supermärkte ihre Tests abbrechen, weil Kunden beim Herausnehmen von elektronisch gekennzeichneter Waren fotografiert wurden. Auch in Deutschland werden Verbraucher- und Datenschützer lauter. Der "Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) stellt dem Metro-Konzern, der die neue Technik in seinem "Future Store" in Rheinberg nahe Düsseldorf testet, ein Ultimatum: Bis zum heutigen Montag soll die Handelskette ihr Projekt einstellen und stattdessen ein Gremium mit Datenschützern und Verbraucherorganisationen einrichten, um RFID auf breiter Basis zu verhandeln.

RFID-Technik

In der RFID-Technik geben kleine, am Produkt angebrachte Sender mit Funkwellen Informationen an ein Lesegerät weiter. Die Chips können auch in die Verpackung eingebaut werden. Die Sender sind so winzig, dass sie nur bei genauem Hinsehen zu erkennen sind. RFID soll einmal den heute üblichen Barcode an Produkten ablösen. Würden Produktdaten mit persönlichen Angaben verknüpft, etwa wenn die Kunden an der Kasse mit EC- und Kundenkarte bezahlen, könnten Unternehmen die Daten zur Marktforschung und zu gezielter Werbung einsetzen. Besuchen die Kunden den Supermarkt wieder, seien sie gleich am Eingang mittels RFID identifizierbar, sagt FoeBuD. Auch außerhalb des Supermarktes ist das mit einem Lesegerät möglich - der gläserne Mensch wäre geboren.

Das Misstrauen verstärkte sich, als Aktivisten mit der US-Verbraucherschützerin Katherine Albrecht jüngst den "FutureStore" besuchten. Albrecht setzt sich mit ihrer Organisation Caspian weltweit dagegen ein, dass RFID-Chips mit Konsumenten in Kontakt kommen. Die Besucher in Rheinberg bekamen eine spezielle Pay-Back-Rabattkarte überreicht, die nur im "Future-Store" gilt. Später hielten die Gäste die Karte unter ein Röntgengerät - und stellten fest, dass sie einen RFID-Chip enthält.

"Darauf wird nicht hingewiesen, weder beim Abschluss des Kartenvertrags noch auf der Karte", sagt Rena Tangens von FoeBuD. Im "Future-Store" hängt ein entsprechender Hinweis nur am DVD-Regal. Dort können Kunden Filme sehen, bevor sie sich zum Kauf entscheiden. Enthalten die Streifen eine Altersbeschränkung, flimmern sie nur über den Schirm, wenn die Kunden ihre Pay-Back-Karte vor ein Lesegerät halten - und so als über 16-jährig identifiziert werden. "Kundenkarten gibt es nur ab diesem Alter. Das ist eine einfache Form des Jugendschutzes", sagt Metro-Sprecher Albrecht von Truchseß.

Umstritten ist auch der vor einem Monat aufgestellte Deaktivator hinter den Kassen. Dort müssen Kunden jedes Produkt einzeln einlesen lassen, wenn sie die RFID-Identifiaktionsnummer an der Ware gelöscht haben wollen. Das Gerät tilge zwar die Identifikationsnummer, aber die Seriennummer nicht, rügen Datenschützer. "Richtig", sagt von Truchseß. Die Nummer werde vom Hersteller Philipps auf den Chip gebracht und sei völlig wertlos. "Damit lassen sich keine Verbindungen zwischen Produkt und Personen herstellen." Für den Sommer kündigt er eine neue Generation von Deaktivatoren an, die dann auch die Seriennummern löschen können.

"Wieder so ein Punkt, wo wir Metro glauben müssen", sagt Rena Tangens. Sie fordert ein Gesetz, das den Umgang mit RFID-Chips regelt: "Dann haben Verbraucher und Unternehmen Sicherheit." Es sei an der Zeit, dass RFID breit diskutiert werde.

Auf das Ultimatum des FoeBuD indes wird Metro nicht eingehen: "Auf so einer Ebene diskutieren wir nicht", sagt der Konzern. Metro habe eigene Schritte unternommen. So werde im Betreiber-Konsortium EPC-Global eine Arbeitsgruppe zum Thema Datenschutz eingerichtet. "Wenn wir den Datenschutz nicht einhalten würden, bekämen wir Akzeptanzprobleme."

Der Bekleidungshersteller Gerry Weber hat Konsequenzen aus der Diskussion gezogen: Er wird RFID-Chips nicht in die Kleidung einnähen, sondern abtrennbar von außen anbringen. Damit ließen sich der Chip und sämtliche darauf enthaltenen Informationen nach dem Einkauf mit einem Griff im Mülleimer versenken.

Frankfurter Rundschau Online, 16. Februar 2004
Original: http://www.frankfurterrundschau.de/ressorts/wissen/netzwerk/?cnt=388662&sid=0f98e2b6149b2ebc51328b269aefdbda

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