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DATENFUNK ÜBER RFID-CHIPS

Teppich an Sauger

Geht es nach dem Staubsaugerhersteller Vorwerk, wird es unter unseren Teppichen künftig funken. "Smart Floor" nennt sich die Entwicklung, die Roboter-Staubsauger zielsicher durch Wohnungen und Büros lotsen soll. Der pfiffige Fußboden besteht aus einer textilen Unterlage, die mit RFID-Chips - das steht für Radio Frequency Identification - bestückt ist.

Kontroverse Diskussion

Auf der Cebit wird Vorwerk nur eines von etlichen Unternehmen sein, die Anwendungen auf Basis der drahtlosen Transponderchips präsentieren. Erstmals erhalten die Funkzwerge auf der Computermesse ein eigenes Ausstellungssegment namens Auto ID/RFID. Darüber hinaus will das "Cebit Forum RFID" eine "zentrale Anlaufstelle und Drehscheibe für den intensiven Meinungsaustausch mit Experten aus Wirtschaft und Forschung" sein, wie es in einer Ankündigung vollmundig heißt.

An Meinungen zum Thema dürfte in der Tat kein Mangel herrschen: Kaum eine Technologie wird derart kontrovers diskutiert, wie die der kleinen Datenfunker. Vertreter von Industrie und Handel schwärmen lautstark von der Zukunft der Logistik. Vom Fließband bis zum Ladenregal sollen Produktwege künftig lückenlos protokollierbar sein.

Bürgerrechtler und Datenschützer sehen in den "Schnüffel-Chips" hingegen den Anfang vom Ende der Privatsphäre. Sie bemängeln, dass RFID-Chips berührungslos und somit auch heimlich ausgelesen werden können.

"Der Käufer wird identifizierbar"

Der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs", kurz Foebud genannt, gehört zu den schärfsten Kritikern der Datenfunk-Technik: "Es geht nicht um die Identifizierbarkeit eines einzelnen Joghurt-Bechers", so der Verein: "Der Käufer des Bechers wird dadurch ebenfalls identifizierbar, wenn er beispielsweise mit EC-Karte gezahlt hat."

Dem Verein Foebud verdankt der Handelskonzern Metro - ein Vorreiter in Sachen RFID - ein PR-Desaster, das noch bis heute nachhallt. Vor drei Jahren enthüllten Vereinsmitglieder, dass Kundenkarten des prototypischen Einkaufszentrums Future-Store in Rheinberg bei Düsseldorf Transponderchips enthielten, ohne dass die Kunden davon wussten. Kleinlaut musste der Handelsriese die Karten gegen nichtfunkende Exemplare umtauschen.

Auf der Cebit will Metro nun in die Offensive gehen und auf einem Stand von der Größe eines halben Fußballfeldes die "Zukunft des Einkaufs" und das "Internet der Dinge" vorführen, um "der Öffentlichkeit die komplexe Technologie zu erklären und Vertrauen zu schaffen".

Vertrauen in die Technologie wird nötig sein. Denn Funkchips sind bereits dabei, unseren Alltag zu erobern. Nicht nur die Eintrittstickets zur Fußballweltmeisterschaft, auch die neuen Reisepässe werden RFID-Technik enthalten. Ob das der Sicherheit dient - oder eher ein Risiko darstellt, ist äußerst umstritten.

Erst Anfang Februar haben Hacker im holländischen Fernsehen demonstriert, wie leicht sich der Funkchip des niederländischen Reisepasses knacken lässt. Mit einem handelsüblichen PC benötigten sie keine zwei Stunden, um die Verschlüsselung zu umgehen und die Informationen auszulesen. Angeblich funktioniert diese Technik aus maximal zehn Meter Entfernung.

USA als Vorreiter

Zwar sollen die Daten der deutschen Reisedokumente mit einem 56 Bit langen Schlüssel kodiert werden, während die niederländischen Pendants mit nur 35 Bit auskommen müssen. Fachleute halten jedoch auch diesen Code für knackbar. Der vom Verein Foebud ursprünglich nur als "Diskussionsbeitrag" gedachte "Datensafe" - eine dünne Schutzhülle für den Reisepass, die Funksignale abschirmt - könnte dann plötzlich wesentlich mehr sein als nur das.

Während hier zu Lande noch Funkchips unterm Teppich präsentiert werden, ist man in den USA drei Schritte weiter. Die Videoüberwachungsfirma City Watcher pflanzt ihren Beschäftigten RFID-Chips unter die Haut. Ein Sprecher wird mit den Worten zitiert, die implantierten Transponder des Unternehmens Verichip seien wesentlich sicherer als das bisherige System auf der Basis von Plastikkarten.

Ausgerechnet die Chips dieser Marke aber hatte RFID-Experte Simson Garfinkel bereits im Oktober 2003 problemlos kopiert.

Mario Sixtus

Frankfurter Rundschau, 03. März 2006
Original: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/computer_und_internet/cebit_2006/?cnt=818983

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