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Proteste gegen Funkchips in Pässen

"Menschen als Nummern automatisch abfragbar zu haben, ist ein Verbrechen." Dies erklärte der Netzaktivist padeluun vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD[1]) am ersten Tag des 20. Chaos Communication Congress[2] in Berlin.

Gemeinsam mit Mitgliedern des Chaos Computer Clubs (CCC[3]) protestierte er mit diesen starken Worten gegen die vom US-Ministerium für Homeland Security[4] momentan auch in Europa propagierten Pläne, Pässe mit auslesbaren Funkchips und darin gespeicherten eindeutigen Identifizierungsnummern gemäß der RFID-Technik (Radio Frequency Identification) zu versehen. Selbst wenn nur staatliche Stellen Zugang zu den "Seriennummern" hätten, sei dies "zynisch und böse", so der Bielefelder Mitausrichter der deutschen Big Brother Awards[5]. Menschen seien generell nicht "in Bereiche von Effizienz und Effektivität" einzuordnen.

"Ich muss mich unnotiert und unbeobachtet von Maschinen bewegen können", forderte padeluun. "Ich will meine Freiheit nicht begründen müssen." Unter dem Beifall der versammelten Hacker fügte er hinzu: Er finde es "entsetzlich", dass so viele der Meinung seien, dass ihnen das Potenzial zur Einschränkung von Bürgerrechten[6] durch die RFID-Technik "egal" sei. Es gehe nicht um die Verdammung der Mini-Transponder, die aufgrund ihrer Möglichkeiten zur effizienteren Gestaltung der Warenlagerung und zur Verbesserung von Logistikprozessen momentan in der Wirtschaft in hohem Kurs stehen: Nach dem Willen von Handelsketten wie der Metro[7] oder des US-Riesen Walmart sowie auch des Pentagon[8] sollen die RFID-Tags nach dem Vorbild etwa von Gillette[9] mit den Mach3-Rasierklingen bald in alle Güter einziehen und den Streifen-Barcode ersetzen. Sie könnten etwa in Wegfahrsperren gute Dienste leisten, meinte padeluun. Angesichts zahlreicher Missbrauchsmöglichkeiten und der gesellschaftlichen Überwachungsgefahr müsse man sich "aber jetzt damit beschäftigen, sonst geht etwas vollkommen schief".

Die Pläne der Techniker und der Industrie rund um die Funkchips, die in der billigeren Passiv-Variante ohne eigene Stromversorgung etwa 2,5 Meter weit Daten kontaktlos und meist unverschlüsselt an Lesegeräte übermitteln, sind nach Angaben von Andreas Krisch von einem Verein österreichischer Internetnutzer umfassend. Projekte wie die Gemeinschaftsunternehmung EPCglobal[10] von EAN (European Artifical Numbering Association) und UCC (Universal Code Council) hätten es sich zur Aufgabe gemacht, "alles, was über ein Produkt gespeichert werden kann" auf entsprechenden Servern vorzuhalten. Der Forschungsverbund Auto ID Labs[11], der aus dem Auto ID Center unter Führung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) entstand, habe bereits eine spezielle Physical Markup Language nach dem Vorbild von HTML entwickelt, um ein ganzes "Internet der Dinge" auf Basis der kleinen Transponder zu entwickeln. Dahinter verberge sich letztlich ein gigantisches Produktverzeichnis, in dem auch Orts- und Personenangaben zu sämtlichen mit RFID-Chips bestückten Waren parat gehalten und einfach so um die Welt reisen würden.

FoeBuD und zahlreiche andere internationale Bürgerrechtsorganisationen dringen auf ein Moratorium[12] vor der Implementation der verräterischen Transponder in großem Maßstab und fordern eine ernsthaft vorangetriebene Technikfolgenabschätzung. Um dem Appell Nachdruck zu verleihen, entwickelt der dem CCC nahe stehende Verein momentan einen "DataPrivatizer", der gezielt RFID-Tags auf die Spur kommen und die Bürger über deren Integration in Alltagsgegenständen aufklären soll[13]. Den Preis für das Gerät, das eventuell auch eine Art Störsender enthalten soll, schätzt padeluun auf 50 bis 100 Euro. Insgesamt will der diesjährige Chaos Communication Congress ein Zeichen setzen gegen die Durchnummerierung und Rasterung der Menschheit: Er steht unter dem Motto "Not a Number". (Stefan Krempl) / (jk[14]/c't)

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Stefan Krempl

Heise Online, Hannover , 28. Dezember 2003
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