Am kommenden Montag wird das Organisationskomitee (OK[1]) der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland gemeinsam mit FIFA-Vertretern die offiziellen Richtlinien zum Verkauf der WM-Tickets bekannt geben. In einer ersten Verkaufsphase sollen ab 1. Februar weltweit rund 850.000 der insgesamt 3,2 Millionen Tickets an den Mann gebracht werden. Klar ist schon jetzt, dass nur Fans ins Stadion gelangen werden, die zuvor ihre Daten offenbaren: Wer ein Ticket beantragt, muss im Rahmen der Online-Bestellung (90 Prozent der Karten sollen über das Internet vertrieben werden) persönliche Informationen wie Name, Alter, Anschrift, Pass- oder Personalausweisnummer, Telefon- und Faxnummer, E-Mail-Adresse, Bankverbindung oder Kreditkarteninformation preisgeben.
Damit ist allerdings noch keineswegs gewährleistet, dass Interessenten auch wirklich eines der zwischen 35 und 600 Euro teuren Tickets für die Spiele in den ingesamt zwölf WM-Stadien erhalten. FIFA-Chef Joseph Blatter geht davon aus, dass allein aus Deutschland 30 Millionen Kartenwünsche eingehen werden -- Datensätze, die für die Organisatoren der WM 2006 bares Geld wert sind. Warum, lässt sich in den Datenschutzrichtlinien der für das WM-Ticketing verantwortlichen Bremer CTS Eventim AG[2] nachlesen, die auch die Tickets für den im Sommer anstehenden FIFA Confederations Cup Germany 2005 vertreibt -- eine Art Generalprobe für das Mega-Event ein Jahr später. In den CTS-Datenschutzbestimmungen steht, dass das Organisationskomitee die Daten für Werbe- und Marktforschungszwecke nutzen darf, solange der Kartenkäufer nicht ausdrücklich widerspricht.
Was sich bei Online-Geschäften meist mit einem einzigen Mausklick erledigen lässt, nimmt bei der FIFA jedoch unverhältnismäßige Züge an, denn gegen die Nutzung seiner persönlichen Daten für Werbezwecke kann der Ticketkäufer nur auf dem Postweg widersprechen. Da sich die meisten Fans diesen Aufwand wohl schenken werden, gelangen die WM-Sponsoren in den Besitz von Millionen Kunden-Datensätzen, die sie sonst nur mühsam über teure Marketingmaßnahmen generieren könnten. Hauptsponsor Philips ist zudem verantwortlich für die angekündigte Ausstattung der WM-Tickets mit RFID-Labels[3] (Radio Frequency Identification). Diese RFID-Labels enthalten einfache Speicherchips und Transponder, die in der Nähe eines entsprechenden Lesegerätes über Wechselfelder von diesem mit Strom versorgt werden und berührungslos die auf dem Chip gespeicherten Daten übermitteln können.
Mit den RFID-Chips will das OK zum einen die Fälschungssicherheit der Karten erhöhen, zum anderen den Schwarzmarkthandel unterbinden und damit vermeiden, dass bekannte Hooligans möglicherweise in den Besitz von WM-Tickets gelangen. Dazu müssen auf den RFID-Chips aber personenbezogene Daten gespeichert werden, die später an den Stadioneingängen eine eindeutige Identifikation des Karteninhabers ermöglichen -- und die möglicherweise von Unbefugten ebenfalls ausgelesen werden können. Welche Daten dies genau sein werden, verrät Philips derzeit nicht. Auch ist noch nicht bekannt, über welche Speicherkapazitäten die Chips verfügen werden. Fans, die trotzdem Karten auf dem Schwarzmarkt kaufen, müssen damit rechnen, dass ihnen bei einer manuellen Überprüfung -- beispielsweise des Ausweises -- der Eintritt in die Stadien verwehrt wird.
Ob sich der Aufwand für die Einführung der RFID-Kontrolltechnik bei der Fußballweltmeisterschaft -- außer für die beteiligten Firmen und Sponsoren -- wirklich lohnt, ist fraglich. In den meisten deutschen WM-Stadien sind inzwischen elektronische Zutrittskontrollsysteme installiert, die von Sicherheitsexperten als vollkommen ausreichend für nationale und internationale Großveranstaltungen angesehen werden. Für das Erkennen und Ausfiltern von bekannten Gewalttätern in Stadien setzen die Vereine gemeinsam mit der Polizei längst wirksame Videoüberwachungstechniken ein. Und die Meinung des Organisationskomitees, dass die Stadionbetreiber von der "hochwertigen Nachhaltigkeit" der RFID-Technik profitieren und diese sich auch nach der WM nutzen sollen, teilen nicht alle Ausrichter. Hannover 96[4] beispielsweise, Betreiberin der 52.000 Zuschauer fassenden AWD-Arena, weiht zum Rückrundenstart der Fußballbundesliga am morgigen Samstag ein neues Ticketing- und Zutrittskontrollsystem von T-Com und der Schweizer Firma Interflex[5] ein -- ohne RFID-Technik, und das 504 Tage vor Beginn der WM. (pmz[6]/c't) (pmz/c't)
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Heise Online, Hannover
, 21. Januar 2005
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