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Gläserne Kunden durch Rabattkarten

Von Erich Reimann

Rund 24 Millionen Payback-Karten-Besitzer und 17 Millionen Besitzer von Happy-Digits-Karten in Deutschland hinterlassen bei jedem Einkauf mit Karte eine Datenspur. Kaufen sie Wein? Oder Sportartikel? Alles wird in den Datenbanken der Handelskonzerne gespeichert.

Die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries warnte: "Wenn man sieht, mit welcher Bereitwilligkeit heute jeder bei den Rabattkartensystemen seine Daten preisgibt, um einen Preisnachlass zu ergattern, dann kann man sich nur wundern."

Auch Datenschützer sind besorgt. Die Sprecherin der nordrhein-west fälischen Datenbeauftragten, Bettina Gayk, warnt angesichts der Datenflut: "Man ist schon sehr gläsern." Wenn etwa festgehalten werde, dass ein Kunde viele alkoholische Getränke in einem Geschäft kaufe, könne dies auf Alkoholismus hindeuten. Carel Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen findet, die meisten Kunden gingen zu sorglos mit ihren Daten um.

Tatsächlich haben Deutschlands große Einzelhandelskonzerne mit ihren Kundenkarten in den letzten Jahren riesige Datenmengen angesammelt. Allein Europas größter Warenhaus- und Versandhandelskonzern Karstadt-Quelle verfügt über Daten zum Kaufverhalten von knapp 20 Millionen Kunden. Nicht viel weniger dürften es bei Deutschlands größtem Handelskonzern Metro sein. Und die Konzerne schwärmen von den Möglichkeiten, die ihnen diese Daten bieten.

Kunden können individuell angeschrieben und mit Werbung versorgt werden, die sie auch interessiert. Der Sportprospekt erreicht den 25-jährigen Surffan, der Weinprospekt den Weintrinker - und der erhält vielleicht gleich auch noch ein Angebot für ein Weinseminar oder eine Urlaubsreise in ein bekanntes Anbaugebiet.

Doch wehren sich die Handelsunternehmen entschieden gegen die Vorwürfe, sie wollten den "gläsernen Kunden". Payback-Sprecherin Nina Purtscher betont: "Kundenprofile werden bei Payback nicht erstellt. " Und Simone Meyer von der zum Metro-Konzern gehörenden SB-Warenhauskette Real erklärt: "Für besondere Angebote - etwa ein Weinseminar - werden aus dem Datenbestand Kunden ermittelt, die Interesse an der Ware haben. Das ist aber weit von einem Kundenprofil entfernt." Detaillierte Kundenprofile seien schon wegen der Datenmengen nicht sinnvoll.

Auch Karstadt-Quelle speichert nach eigenen Angaben nur, für welche Warengruppe sich ein Kunde interessiert hat, nicht die konkreten Produkte. "Dann senden wir unsere Prospekte zu", berichtet Sprecher Martin Schleinhege. Beschwerden von Happy-Digits-Kunden bewegten sich im Promillebereich.

Generell heißt es bei den Machern: die Ängste der Kunden vor der Speicherung ihrer Daten hätten sich deutlich verringert. Payback-Sprecherin Purtscher glaubt: "Die Kunden unterscheiden heute zwischen hochsensiblen Daten - etwa zu ihrer Gesundheit - und weniger sensiblen wie den Konsumdaten."

Doch die Datenschützer überzeugt das nicht so recht. Rena Tangens, von der Bielefelder Datenschutz-Initiative Foebud warnt: "Es geht nicht nur um konkrete Datenschutzverstöße, sondern um die gefährlichen Optionen, die die Systeme für die Zukunft bringen. Die Daten, die heute erfasst werden, können in zehn Jahren etwas ganz anderes bedeuten. Und auch Justizministerin Zypries ist überzeugt: "Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sehr viel mehr darauf achten, was sie beim Einkauf preisgeben."

Hohenloher Zeitung, 6. Novemer 2003
Original: http://newsregional.stimme.de/9c66336b8ee625a447c111ed88c555de/service/0,-190989493,0,0,0,0.html/

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