Neue Technik mit RFID-Chips erlaubt fast lückenlose Überwachung. Datenschutzverein ruft zum Widerstand auf. Ein Gespräch mit padeluun
* padeluun ist Aktionskünstler und Mitglied der Bielefelder Datenschutzinitiative »FoeBuD e. V.« Beim 19. Nürnberger Mediengespräch erläuterte er am Wochenende, was er gegen RFID-Chips hat
F: Ihr Verein hat schon vor Monaten Alarm geschlagen, weil die Tickets für die Fußball-WM 2006 mit RFID-Chips versehen sind. Was kritisieren Sie an dieser neuen Technik?
Stellen Sie sich vor, daß Ihre Jacke, Ihre Schuhe, Ihre Hose, Ihr Hut, zwei Kundenkarten in Ihrem Geldbeutel und die Geldscheine mit RFID bestückt sind. Selbst bei schönem Wetter, wenn Sie Hut, Jacke und Schuhe stehen lassen, sind Sie anhand der Funksignale des RFID, die Sie mit sich tragen, immer noch identifizierbar.
F: Wozu soll das gut sein?
RFID steht für »Radio Frequency IDentification«. RFID-Chips können an Waren versteckt angebracht werden. Bei jeder Registrierung durch das Lesegerät können die Seriennummer und eventuell weitere auf dem Chip gespeicherte Daten ausgelesen und zusammen mit Uhrzeit und Ort des Lesegeräts gespeichert werden. Mit diesen Daten lassen sich Bewegungsprofile erzeugen und schaffen riesige Datenbanken.
F: Was wird in diesen Datenbanken gespeichert?
Die eindeutige Seriennummer macht es Datenbank- und Archivbetreibern einfach, weitere auf anderen Wegen gesammelte Daten dieser Nummer zuzuordnen und wieder abzurufen.
F: Wer hat ein Interesse an diesen Datenmengen?
Diese Daten erwecken natürlich Begehrlichkeiten. Wenn man etwa eine RFID-Nummer einer bestimmten Person zuordnen kann, weiß man mit den gesammelten Daten auch, wann sie sich wo aufgehalten hat.
F: Was fürchten Datenschützer?
Viele große Handelskonzerne möchten die Strichcodes durch solche »Schnüffelchips« ersetzen. Momentan hören wir jeden Tag in den Nachrichten, was alles angeblich im »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« nützlich ist. Da wird es nicht lange dauern, bis auch diese Daten vagabundieren und gegen uns verwendet werden.
F: Kann man sich dagegen wehren?
Es gibt zur Zeit kaum ausreichende Regelungen oder Gesetze in Deutschland, der EU oder weltweit, mit denen die Gesellschaft vor dem Mißbrauch solcher Techniken geschützt werden könnten.
F: Hilft es, Produkte in die Mikrowelle zu legen, um versteckte RFID-Etiketten zu zerstören?
Ein RFID-Etikett wird durch Mikrowellen tatsächlich zerstört. Wahrscheinlich, geht aber nicht nur der Chip in Flammen auf, sondern auch das Produkt, auf dem er klebt.
F: Was hat Ihre Aufklärungsaktion in Sachen Fußball-WM bisher erreicht?
Bei den WM-Tickets ging der DFB von 40 Millionen Kartenbestellungen aus. Es ist wohl auch uns zu verdanken, daß nicht so viele Menschen wie erwartet diesen Datenstriptease mitgemacht haben.
Auf den WM-Tickets sollten mit Hilfe solcher RFID-Chips allerhand auf Personen beziehbare Informationen gespeichert werden. Unter anderem die Nationalität, welches Nationalteam die Antragsteller unterstützen usw. Oder gar die Personalausweisnummer; das ist eindeutig illegal!
Eine Unverschämtheit ist allein schon dieser Fragebogen, den man auszufüllen gezwungen ist. Wir fordern, daß mit dem letzten WM-Tor die Datensätze unwiderruflich gelöscht werden.
F: Wie kann man einen Datenschützer-Verein bloß »FoeBuD« nennen?
Das heißt »Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.«
F: Das erklärt den Sinn und Zweck auch nicht wirklich ...
Datenschutz ist nur ein kleiner Teil unserer Arbeit. Wir haben öffentliche Netzwerke aufgebaut, Verschlüsselung gefördert und vieles mehr. Wir haben uns 1987, als eine Funkvernetzung von der damals zuständigen Bundespost faktisch verboten war, einen Namen gegeben, der die Bezeichnungen eben dieser Post auf die Schippe nahm. Die nannten ein Telefon tatsächlich »FeTAp mit GeBanz« ? Fernsprechteilnehmerapparat mit Gebührenanzeiger. Wir nennen uns FoeBuD. Und unsere letzte Diskussion, ob wir uns aus Vernunftgründen umbenennen sollten, endete damit, daß wir diesen Namen lieben. Und Liebe ist nun mal stärker als alle Vernunft.
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Dr. Gabriele Hooffacker
Junge Welt, Berlin, 11. April 2005
Original: http://www.jungewelt.de/2005/04-11/022.php