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RFID: Der Schnüffel-Chip im Joghurtbecher

Bericht: Markus Zeidler

Sonia Mikich (Moderatorin): "Wie ist es: würde es Sie, liebe Zuschauer, stören, wenn in Ihrem Pass ein Funkchip versteckt wäre darin alle möglichen privaten Daten gespeichert. Behörden oder Unternehmen könnten herausschnüffeln, wo Sie gerade sind, welche Automarke Sie gerade fahren, welche Krankheit Sie plagt und ob Sie Arbeitslosengeld beziehen. RFID heißt die neue Technik, und Datenschützer werden allmählich sehr nervös. Denn Schnüffelchips auch in Joghurtbechern, Kreditkarten oder Schuhen machen Ihr Leben durchsichtig wie Glas, wenn Personen- und Produktdaten miteinander verknüpft werden. Nein, keine Paranoia. Aber ich persönlich bin keine Datenbank auf Beinen, und ich lege auch Wert auf diese Freiheit.

Markus Zeidler stellt die RFID-Technik vor."

Dieser Mann fühlt sich unbeobachtet. Und doch wissen andere sehr genau, wann er sich wo befindet. Seine Schuhe verraten ihn. Genauer gesagt: Ein Mini-Computer-Chip, der vom Hersteller irgendwo in den Absätzen versteckt wurde. Noch ein Szenario, das aber schon bald Realität werden könnte.

Die Chips dafür gibts bereits heute. Ein Streichholzkopf zum Größenvergleich. RFID heißt die Technologie: Radio Frequenz Identifikation.

Helmut Bäumler, Landesdatenschutzbeauftragter Schleswig-Holstein: "Es ist wie wenn man an irgendwelchen Gegenständen kleine, winzig kleine Peilsender hätte. Also was würden wir sagen, wenn uns jemand einen Peilsender, den wir sehen, verpassen würde. Da würden wir uns dagegen wehren. So aber hat man an vielen Gegenständen unsichtbare, kleine Peilsender. Ein ganz, ganz ungutes Gefühl, das einen beschleicht, wenn man an so eine Gesellschaft denkt."

Und so funktioniert RFID. Spezielle Lesegeräte funken ein Erkennungssignal an die Antennen der Chips, die auch Tags genannt werden. Diese Tags geben daraufhin ihre Daten preis. Jeder Gegenstand, jedes Lebewesen ist dadurch mit Hilfe von Datenbanken eindeutig zu identifizieren.

Versuchsweise setzt der Handel RFID schon heute ein. Vor allem in der Warenlogistik. Hier werden die Chips angebracht, und das sind die Lesegeräte. Die senden ihre Funkwellen selbst durch Verpackungen hindurch. Der Computer erkennt so, um welches Produkt es sich handelt, wo es herkommt, wo es hin soll. Je nach Bauart können RFID-Chips über Distanzen von mehreren Metern gelesen werden. Quasi im Vorbeigehen. Die Wirtschaft wittert ein Milliardengeschäft.

Carl G. Deppisch, Unternehmensberatung Accenture: "Die RFID-Technologie ist ausgereift. Ein größeres Problem stellt im Moment der Preis dar, sowohl der Preis von Tags als auch der Preis der Infrastruktur. Hier sehen wir allerdings Bewegung am Markt. Große Spieler, wie Wal-Mart und das amerikanische Verteidigungsministerium springen auf den Zug auf und entwickeln gemeinsam mit ihren Lieferanten Lösungen. Dadurch kommt ein Schneeball- Effekt ins Rollen, der letzten Endes dazu führen wird, dass wir zu Massenanwendungen kommen werden."

In einigen Jahren schon soll der klassische Strich- oder Bar-Code komplett durch RFID ersetzt werden. Dann lauern die intelligenten Mini-Chips fast überall. Selbst in unserer Kleidung sollen die Chips versteckt werden. Und auch auf Kunden- und Kredit-Karten werden RFID-Chips schon bald selbstverständlich sein. Und genau hier beginnt das Problem: Denn damit kann man Informationen über Produkte mit einzelnen Menschen in Verbindung bringen. Im so genannten "Future Store" dem Supermarkt der Zukunft zeigt der Handels-Gigant Metro in dieser Animation, wie er sich die Einkaufswelt von morgen vorstellt. Per intelligenter

Kundenkarte wird die Kundin und ihr Kaufverhalten identifiziert. Auf dem Display die Einkaufsliste vom letzten Mal.

Den allwissenden Einkaufswagen gibt es tatsächlich. Hier im echten Future-Store in Rheinberg bei Duisburg. Er weiß, welches Shampoo die Dame bevorzugt, welche Rasierklingen ihr Liebster schätzt. Die sind bereits heute probeweise mit RFID-Chips ausgestattet. Metro betont, RFID vor allem in der Warenlogistik zu nutzen. Doch in Kombination mit Kundenkarten eröffnet RFID ungeahnte Möglichkeiten, die Verbraucher auszuspionieren, ihr Kaufverhalten zu lenken. Die Metro AG beteuert allerdings, das nicht zu tun, versucht, die technische Innovation klein zu reden.

Gerd Wolfram, Metro AG: "Das RFID-Etikett ist nichts anderes als der Bar-Code heute. Damit haben wir keine andere Dimension, und der Kunde wird auch nicht transparenter, als er heute ist."

RFID nicht mehr als ein klassischer Bar-Code? Eine krasse Verharmlosung. Denn klassische Barcodes lassen sich nicht beiläufig und damit heimlich ausspähen.

Helmut Bäumler, Landesdatenschutzbeauftragter Schleswig-Holstein: "RFID kann ein Horror-Thema werden, wenn die Kennzeichnung von Gegenständen benutzt wird, um Menschen auszuspionieren. Ich kann ja heute schon eine Verbindung zwischen Gegenstand und Person herstellen. Wenn ich diese Möglichkeit nutze, um die Wege von Menschen nachzuvollziehen, dann geht es uns bald nicht besser als den Rindviechern, die solche Chips bereits unter der Haut tragen und deren Wege man präzise nachvollziehen kann. Das sollte den Menschen eigentlich nicht passieren."

Passiert aber schon heute. Ein Krankenhaus in Taiwan nutzt RFID im Kampf gegen SARS. Die Menschen in der Klinik tragen die Chips am Körper. An Türen und anderen wichtigen Stellen innerhalb des Gebäudes gibt es entsprechende Lesegeräte. So lassen sich mögliche Infektionswege innerhalb der Klinik genau nachvollziehen.

Doch was hier sinnvoll erscheint, birgt woanders erhebliche Gefahren. Denn mit RFID könnte man auch kontrollieren, wer wann ein Gebäude betritt. In aller Heimlichkeit. Ob es die Person will, oder nicht. Dazu müsste ein Lesegerät nur den RFID-Chip in ihrem Schuh erfassen. Diese Lesegeräte lassen sich fast überall verstecken. Auch an Orten, wo man lieber unerkannt bleibt. Das eröffnet Ermittlungsbehörden neue Möglichkeiten der Überwachung, aber auch misstrauischen Arbeitgebern.

Längst hat auch der Staat RFID für sich entdeckt. Schon bald sollen Reisepässe mit Chips ausgestattet werden. Im Kampf gegen Terror und Verbrechen. Wie verhindert werden soll, dass Unbefugte die Daten missbrauchen können, ist bisher unklar.

Und auch hier könnten die kleinen Peilsender bald stecken. Die Europäische Zentralbank hüllt sich mit Details zwar in Schweigen. Doch es gibt dort Überlegungen, Euro-Noten mit RFID auszustatten, um das Geld fälschungssicherer zu machen. Damit allerdings ginge die letzte Möglichkeit verloren, anonym zu bezahlen. Denn mit RFID wird auch der Weg von Bargeld rekonstruierbar.

Helmut Bäumler, Landesdatenschutzbeauftragter Schleswig-Holstein: "Stellen Sie sich mal vor, man findet plötzlich in Ihrer Brieftasche oder in der Brieftasche von jemand anders einen Geldschein, der zuvor von Ihnen dort hingegeben worden ist, und die Polizei hat den Verdacht, der könnte aus einer Straftat stammen. Da hätten sie eine Menge zu tun, um zu belegen, dass sie nicht der Hehler sind, und dass sie nichts mit dieser Straftat zu tun haben. Die Befürworter der Technologie zeichnen ein ganz anderes Bild. Diese CD der Unternehmens- Beratung Accenture zeigt die Visionen der RFID-Lobby. Dem Herrn links gefällt die Krawatte seines Freundes. Mit einem mobilen RFID-Lesegerät erfasst er den Chip in der Krawatte. So erfährt er den Preis. Die Bestellung erfolgt online, mit demselben Gerät. Doch Datenschützer warnen: Mit mobilen Lesegeräten könnten Taschen-Diebe künftig sogar feststellen, wie viel Bargeld jemand mit sich führt. Fremde könnten ausspionieren, welche Medikamente ein Mensch gerade gekauft hat, an welchen Krankheiten er also leidet. Arztgeheimnis und Intimsphäre wären dann Worte von gestern.

Der gläserne Mensch. Mit RFID muss die Diskussion über staatliche und private Überwachung wohl ganz von neuem geführt werden.

Sonia Mikich: "Wie gezeigt: wir können solche Chips sinnvoll nutzen. Aber spätestens an der Ladentheke müssen die Minispione zerstört werden. In Visa und Pässen soll RFID noch in diesem Jahr ausprobiert werden. Das wird ein Mega-Thema für den Datenschutz. So, wer anrufen oder faxen will, hier blenden wir noch mal die Nummern ein: 0221-19711 für's Telefon und 0221-19710 für's Fax. Und im Internet www.monitor.de."

Monitor, 8. Januar 2004
Original: http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=554&sid=108

© WWW-Administration, 08 Mar 06