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Immer und überall zu identifizieren

Kommt mit dem RFID-Chip die totale Kontrolle?

Ein wenig erinnern die Möglichkeiten an die Fernsehserie »Raumschiff Enterprise«: Wenn Bordingenieur Scotty etwas überprüfen will, wird gescannt. Mit Hilfe von Halbleiterchips kann man heute schon Objekte aller Art leicht scannen, also durch elektronisches Abtasten Informationen gewinnen.

Die Technik dazu heißt RFID, was für »Radio Frequency Identification« steht und mit winzigen Chips funktioniert, die samt einer flachen Antenne in oder an Objekten befestigt werden kann. Die Minichips sind vielseitig nutzbar: Ein und derselbe Halbleiterchip kann für das Zurückverfolgen von Waren, für Logistik-Zwecke, als Kopier- und Fälschungsschutz, zum automatischen Sammeln von Produktinformationen, für die Mülltrennung oder zur Klärung von Garantiefragen verwendet werden. Aber wenn sie missbräuchlich genutzt werden, können die Chips leicht die Privatsphäre von Konsumenten gefährden: Das reicht vom Verlust der Käuferanonymität bis hin zur Bedrohung bürgerlicher Freiheiten.

Zwar lässt sich ein RFID-Chip nicht so wie ein Handy überall orten, doch immerhin lässt sich bei Kenntnis des einzigartigen Codes der Träger des RFID-Chips überall dort verfolgen, wo passende Lesegeräte installiert sind. Wenn ein solches RFID-Lesegerät ein Funksignal abgibt, antworten in der Nähe befindliche Chips, indem sie die gespeicherten Daten an das Lesegerät übermitteln. Bei passiven (batterielosen) Chips kann die Leseentfernung von rund einem Zentimeter bis fünf oder zehn Meter variieren, während aktive, mit einer eigenen Energiequelle ausgerüstete Chips eine weit größere Leseentfernung haben können. Vorstellbar sind mit dieser Technik beispielsweise solche Überwachungsszenarien: »Die Person betritt das Kaufhaus um 13.23Uhr, tankt um 14.14Uhr« und so weiter. Diese Daten wären dann für jeden verfügbar, der Zugriff auf die Datenbank hat, ob er dazu autorisiert ist oder nicht.

Die Minichips können so gut wie überall platziert werden, ohne dass man es merkt. Und weil Funkwellen durch Gewebe, Plastik und viele andere Materialien dringen, ist es leicht möglich, die Chips auszulesen, die sich zum Beispiel in den Etiketten von Kleidungsstücken befinden, in Bank- und Kundenkarten oder Dokumenten. Die Lesegeräte dazu können in nahezu jeder Umgebung für den Verbraucher unsichtbar angebracht werden. Wie der Bielefelder Verein für bewegten und unbewegten Datenverkehr (FoeBuD) in Erfahrung brachte, wurden RFID-Lesegeräte testweise schon in Fußbodenbretter eingebaut, in Teppiche und Bodenmatten eingewebt, in Türrahmen versteckt und an Einzelhandelsregalen und Schaltern angebracht. Der Verbraucher ist dabei der Gelackmeierte, denn wie will er merken, ob, wann und mit welcher Absicht er gescannt wurde? Um hier Abhilfe zu schaffen, nutzen die FoeBuD-Leute den Schwachpunkt der Technik: Die Chips bedienen sich des herkömmlichen Radiospektrums. Die Bielefelder entwickeln derzeit einen kleinen Störsender, mit dem sich jeder Bürger »unsichtbar« machen könnte.

In den USA ist die RFID-Warenmarkierungstechnologie schon weit verbreitet, in Deutschland dagegen erst in der Testphase. In Zusammenarbeit mit dem Bekleidungsunternehmen Gerry Weber probiert die Kaufhof Warenhaus AG an drei Standorten die berührungslose Datenübermittlung bei der logistischen Abwicklung von Waren: im Kaufhof-Lager in Neuss-Norf, in der Galeria Kaufhof in Münster sowie im Kaufhof in Wesel. Hauptinitiator ist die METRO Group Future Store Initiative, eine Kooperation aus 40 Unternehmen, die die Technik für Transport- und Abrechnungszwecke nutzen will. In Rheinsberg wurde ein Extra-Verbrauchermarkt als Future Store eröffnet, in dem die RFID-Technologie erprobt und weiter entwickelt wird.

Robert Meyer

Neues Deutschland, Berlin, 16. Dezember 2003
Original: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=46100&IDC=3

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