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Sollen Fans Akzeptanz schaffen?

Datenschützer padeluun zur Überwachung bei der Fußball-WM 2006

Der Bielefelder Künstler wirkt im Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs, FoeBud e.V.

Frage: Jede Eintrittskarte für die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland wird mit einem RFID-Chip (Radio Frequency Identification) ausgestattet, der mit den persönlichen Daten des Käufers gekoppelt ist. Was hat das zu bedeuten?

Wir nennen die RFID-Chips Schnüffelchips. Jeder von ihnen enthält eine weltweit einmalige Seriennummer, die per Funk aus einer kurzen Entfernung gelesen werden kann. Es geht darum, Menschen zu verfolgen, zu wissen, wer genau im Stadion ist. Diese Chips dienen also der Überwachung. Die Dinger sind deswegen gefährlich, weil sie sich unbemerkt abfragen lassen. Beispielsweise mit Vorrichtungen ähnlich dem Diebstahlschutz an Ausgängen von Geschäften.

Frage: Gerechtfertigt werden die personengebundenen Eintrittskarten mit Sicherheitsgründen. Durch sie könnten Kartenfälschung, der Ticket-Schwarzmarkt oder gewalttätige Fans bekämpft werden. Sind das alles vorgeschobene Gründe?

Gewalt und Terrorismus, das muss für alles herhalten, wo Bürgerrechte abgebaut werden. Die Problematik beginnt aber nicht erst mit den Chips. Ab 1. Februar nächsten Jahres sind die Karten für die WM erhältlich. Ich kann sie nicht einfach kaufen, sondern muss sie im Internet auf den Seiten des Deutschen Fußball Bundes (DFB) beantragen. Ich muss einen Fragebogen ausfüllen: Name, Anschrift und auch die Personalausweisnummer. Wenn ich für andere Leute Karten beantrage, muss ich auch deren Daten angeben. Ich kann die Karten nicht einfach weitergeben, ich kann sie nicht an andere Personen verschenken. Meine Daten, die durch den Chip mit der Eintrittskarte verbunden sind, sollen unter anderem an Dritte, beispielsweise Sponsoren weitergegeben werden. Ich habe eine ganz riesengroße Angst vor diesem Datenmissbrauch.

Frage: Wer hat sich für die Nutzung der RFID-Technik stark gemacht?

Diese Geschichte ist federführend von SPD-Bundesinnenminister Otto Schily vorangetrieben worden. Er hat sich das ausgedacht und in dem entsprechenden Gremium der WM-Organisation durchgesetzt. Es ist eine Unverschämtheit, dass jemand, der vom Volk gewählt ist und in so einer Position sitzt, gegen das Volk und gegen die Demokratie arbeitet.

Frage: Warum war in der Öffentlichkeit über die Problematik mit den WM-Karten bislang wenig zu erfahren? Wir selbst sind sehr spät auf das WM-Ticket-Thema gestoßen. In unseren Datenschutzkreisen gibt es nicht viele engagierte Fußballbegeisterte. Letztendlich hat das Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) vor kurzem einen Kongress zu Überwachung im Stadion veranstaltet. Ein Thema, das sie schon lange beschäftigt. Wir waren dort und haben gesehen, die Leute sind über die RFID-Tickets entsetzt.

Frage: Wird bei der WM also ein Großversuch für eine neue Überwachungstechnik durchgeführt?

Ich halte es für einen Versuch, Akzeptanz für RFID in der Bevölkerung zu schaffen. Solange die Fußballfans nicht sagen, wir wollen das nicht, wird die Industrie behaupten, die waren alle begeistert und fanden die Sicherheit toll. Die Fußballbegeisterten werden zu Reklametafeln der Industrie und derjenigen, die andere Leute überwachen und manipulieren wollen. Deutschland ist das Testland für die RFID-Industrie. Hier brauchen wir Widerstand. Und wenn der nicht kommt, können wir Orwells 1984 als Historienroman betrachten.

Fragen: Lorenz Matzat

Lorenz Matzat

Neues Deutschland, Berlin , 30. Dezember 2004
Original: http://www.neuesdeutschland.de/artikel.asp?AID=65186&IDC=2

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