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Funkende Tomaten

In Kanada sollen Lebensmittel künftig mit RFID-Chips versehen werden

»Big Brother lauert im Frischkäse«, kommentiert der Bielefelder Verein für bewegten und unbewegten Datenverkehr (FoeBud) die Bemühungen des Metro Konzerns, Lebensmittel mit Funk-Etiketten auszustatten .

Was bei uns noch sehr umstritten ist, soll in Kanada per Regierungserlass eingeführt werden: Lebensmittel sollen mit RFID-Chips versehen werden. RFID steht für »Radio Frequency Identification«. Es geht um die automatische Identifikation beliebiger Objekte per Funk.

Die Pläne von Händlern, mehr Waren mit Funk-Chips auszustatten, so dass sie noch im Kühlschrank oder unterm Bett zu orten sind, stoßen weltweit auf Kritik. Bald kommen Banknoten und Pässe mit RFID-Chips. Karten für die Fußball-WM tragen sie schon. Und in Kanada sollen jetzt selbst Tomaten »erzählen« können, welche Wege sie genommen haben. Die Regierung beruft sich auf den Verbraucher, der nach diversen Skandalen wissen wolle, woher das Essen kommt und wer was damit gemacht hat. Bis 2008 sollen 80 Prozent der Nahrungsprodukte »verfolgbar« sein.

Dieser Weg lasse sich auch mit gebräuchlichen Barcode-Aufklebern nachvollziehen, sagen Kritiker. Die kanadische Regierung würde diese Lösung akzeptieren, quer stellt sich der Verband der Lebensmittelhändler. Die Aufkleber, so ein Sprecher, müssten immer wieder neu eingescannt werden, seien zu personalintensiv und zu teuer. Die Chips seien einfach effizienter. Der FoeBud sieht das sehr kritisch: Die RFID-Chips würden weder betrügerische Machenschaften mit Lebensmitteln wie das Umetikettieren von Hackfleisch verhindern, noch könne man damit unsinnige Transportwege (Krabben zum Pulen nach Marokko fliegen) ausschalten. Die Gewinnmargen seien so groß, dass sich Betrug immer lohne. RFID verhindere nichts, erhöhe höchstens den Preis. Sollte sich in Kanada die RFID-Lösung durchsetzen, könnte dies als Modell für Europa herhalten.

Ein RFID-System besteht aus: Datenträger mit Microchip, einem Lesegerät und einer Antenne. Auf dem Chip ist eine weltweit einmalige Seriennummer gespeichert. Manche Chips können zusätzlich Daten speichern. Man kann durch Verpackungen oder Wände ein Objekt identifizieren, ohne es zu sehen. Die Technik hat Potenziale: Ist etwas kaputt, wissen Garantiegeber gleich Bescheid: Reparatur oder Rückrufaktionen – kein Thema mehr. RFID-Systeme hinterlassen zeitlich wie örtlich Datenspuren, die nachträglich rekonstruiert werden können. Damit sind Bewegungs- und Kontaktprofile jedes Menschen möglich, selbst wenn die Daten ursprünglich in einer pseu-anonymisierten oder anonymisierten Form vorliegen. Der Knackpunkt: RFID bringt die virtuelle Welt der Daten mit der der realen Objekte zusammen. Jedes Objekt bekommt eine elektronische Seriennummer und lässt sich damit eindeutig identifizieren und lokalisieren. Für Kritiker ist das Kürzel RFID ein Synonym für totale Überwachung.

Robert Meyer

Neues Deutschland, Berlin, 24. November 2005
Original: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=81448&IDC=3

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