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Funkchips schlagen Wellen

Datenschützer alarmiert

Seit der Einführung des neuen Personalausweises ist der RFID-Chip in aller Munde. Dabei gehört der von seinen Kritikern auch Schnüffelchip genannt Minispeicher und Sender schon lange zu unserem Alltag. Ob beim Auto fahren (Funkschlüssel) oder im Winterurlaub (Skipass) – fast überall werden inzwischen Lösungen mit RFID angeboten.

In einigen amerikanischen Städten tragen sogar Vorschulkinder derartige Chips am Körper. So kann überprüft werden, ob sich die Kinder in der Mittagspause im Speisesaal einfinden oder wer sich häufiger unerlaubt vom Gelände entfernt. Auch viele deutsche Universitäten und Fachhochschulen spicken ihre Studentenausweise mit RFID. Ausgelesen werden die Chips oder auch Tags meist in den Bibliotheken und in der Mensa, wenn die Ausweise in die Nähe des Lesegerätes gehalten werden.

RFID steht für das englische Kürzel Radio Frequency Identification (Funkerkennung) und bezeichnet eine Methode, um Daten lesen und speichern zu können, ohne sie direkt sehen oder berühren zu müssen. RFID gibt es in ganz unterschiedlichen Formen. Es kommt immer auf die Anwendung an, für die sie bestimmt sind. Sie finden sich in Kundenkarten, im Innern einer Produktverpackung, integriert im Wellpappe-Karton, aber auch auf oder hinter Aufklebern und Etiketten. RFID-Tags können sogar auf Packungen aufgedruckt werden.

Denn der Tag besteht nur aus einem klitzekleinen Chip mit Drähten, die die Antenne bilden. Im Regelfall brauchen sie keine eigene Batterie. Sie funktionieren per Funk: Ein Lesegerät sendet einen Funk-Impuls, und der Schnüffelchip sendet eine auf ihm gespeicherte weltweit einmalige Nummer zurück. Mit der Seriennummer der RFID-Etiketten kann man nun herausfinden, dass der Kunde nicht beispielsweise irgendeinen Schokoriegel gekauft hat, sondern genau diesen einen.

Die Datenschützer kritisieren, dass mit den günstig herstellbaren RFID-Chips immer mehr Gegenstände eine weltweit einzigartige Identifikationsnummer bekommen. Sie halten es für problematisch, dass dieser Code praktisch jederzeit und überall unbemerkt ausgelesen werden kann. Denn die Chips sind kontaktlos ohne freie Sicht auslesbar, und die Radiowellen dringen auch durch Stoff und Leder. Wenn so ein Produkt auch noch mit einer Bank- oder Kundenkarte gekauft werde, könnten unter Umständen auch Käufer eindeutig identifiziert werden. Ein großes Technologieunternehmen arbeite sogar an der Idee, RFID-Chips in Geldscheine einzubetten. Dadurch würde die Anonymität des Bargelds beseitigt, weil einzelne Scheine verfolgt werden könnten.

Es gibt zwei Arten von RFID-Chips : „passive“ (ohne eigene Energieversorgung) und „aktive“, die eine Batterie enthalten oder mit einer Batterie oder externen Stromversorgung verbunden sind. Passive Etiketten erhalten ihre Betriebsenergie direkt durch die Energie der Funkwellen, die das Lesegerät ausstrahlt. Außerhalb der Reichweite eines Lesegerätes sind passive Etiketten also ohne Energie. In Abhängigkeit von einer Reihe von Faktoren (Antennengröße, Funkfrequenz, Umweltbedingungen etc.) kann ein passives Etikett einen Leseabstand von wenigen Zentimetern bis über 10 Meter haben. Grob gilt: je größer die Antenne, desto größer auch die Reichweite.

Aktive Etiketten können Reichweiten von einigen Kilometern haben. Die meisten Etiketten, die für den Einsatz bei Konsumgütern vorgesehen sind, sind aber passiv. Für eine Ortung über die Reichweite eines Lesegerätes hinaus reicht es aber, einfach mehrere Lesegeräte an strategisch günstigen Orten wie Engstellen an Ein- und Ausgängen von zum Beispiel Supermärkten oder in Regale eingebaut aufzustellen und darüber alle nötigen Informationen für eine Ortung zu bekommen.

Während der Einzelhandel nicht müde wird, seinen Kunden die fraglos vorhandenen Vorteile der drahtlos erkennbaren Ware auszumalen, etwa die Abwicklung von Garantiefällen, ohne dass man einen Kassenbon aufbewahren müsste, sind Datenschützer alarmiert. Die Bürgerrechtsorganisation Foebud befürchtet, dass mithilfe der RFID-Chips Bewegungsprofile von Kunden erstellt werden könnten. Oder es werde zum Beispiel erfasst, ob Werbe-Displays, an denen jemand vorbei gegangen ist, direkten Einfluss auf das Kaufverhalten haben.Auch wenn die Chips mit dem Kunden den Laden verlassen, sind sie nicht automatisch Müll: Wenn sie nicht deaktiviert werden, geben sie weiterhin ihre Daten preis, sobald sie angefunkt werden, egal von wem.

Datenschützer fordern deshalb nicht nur eine Kennzeichnungspflicht für RFID-Chips, sondern auch die Möglichkeit für den Kunden, die Daten auf den Chips einzusehen und ihn im Zweifelsfall permanent deaktivieren zu können. Auch wenn die kleinen Schnüffelchips zurzeit noch kein wirklich großes Problem für die Privatsphäre seien, weil es noch keine flächendeckende Infrastruktur von Lesegeräten gebe. „Sind die Chips aber erst im Umlauf, werden die Lese-Antennen nicht lange auf sich warten lassen“, warnen die Bürgerrechtler. So könnten nach und nach auch Lesegeräte an Bushaltestellen, Parkhäusern, Bahnhöfen, Hörsälen installiert werde. Dazu kämen dann andere Medien, die zur Ortung wie Handy und Internet. .„Und dann weiß bald jede Tanksäule, welches Kaugummi wir in der Tasche haben, und spielt uns während des Tankens Spots von Konkurrenzprodukten vor.“

Waltraud Messmann

Neue Osnabrücker Zeitung, Osnabrück, 06. Januar 2011
Original: http://www.noz.de/deutschland-und-welt/gut-zu-wissen/50514087/funkchips-schlagen-wellen

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