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Gläsener Fan durch Datenchips in WM-Tickets

Zur Fußball-WM 2006 in Deutschland soll ein neues System den Zugang ins Stadion kontrollieren und mehr Sicherheit bieten. Datenschützer und Faninitiativen kritisieren die totale Überwachung.

Zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland wird an den Stadiontoren ein funkbasiertes elektronisches Zugangskontrollsystem eingesetzt. Es soll verhindern, dass Hooligans, Terroristen oder Schwarzmarkthändler ihr Unwesen treiben.

Radio Frequency Identification, kurz Rfid, heißt das System. Eigentlich dient es zur Warenerkennung in großen Logistikunternehmen. Nun sollen entsprechende Chips in das Papier der WM-Eintrittskarten eingearbeitet werden. Auf diesen befinden sich zuvor abgefragte Daten, die beim Passieren der Stadiontore auf den rechtmäßigen Besitzer des Tickets schließen lassen sollen.

Die persönlichen Daten erhalten die WM-Organisatoren anhand eines Fragebogens, den der Fan bei der Bestellung seiner Eintrittskarte ausfüllen muss. Neben Name, Adresse und Kontaktdaten, muss der Interessierte laut Renate Hillenbrand-Beck, Leiterin des Dezernats Datenschutz beim Regierungspräsidium in Darmstadt, auch seine Personalausweis-Nummer, Bank- oder Kreditkarten-Daten und seinen Lieblings-Verein angeben.

Heimliches Scannen der Daten

Diese komplette Durchleuchtung der Fußballbesucher stößt bei Faninitiativen und Datenschützern auf Kritik. «Die Fifa wird also weit mehr von den Stadionbesuchern wissen, als für eine Ausgabe von Tickets sinnvoll ist», kritisiert etwa das Bündnis Aktiver Fußballfans auf ihrer Website. «Die WM wird von Sponsoren und Überwachungs-Industrie missbraucht, um Schnüffel-Technik einzuführen und die Fans auszuspionieren», erbost sich Rena Tangens vom FoeBuD e.V. aus Bielefeld.

Auch Axel Tönjes, Rfid-Spezialist beim Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, findet die Chips in den WM-Tickets «auf jeden Fall bedenklich». Insbesondere, weil die Funktechnik ein «heimliches Auslesen der Daten ermöglicht», sagte Tönjes der Netzeitung.

Das Schlimmste noch nicht vorhersehbar

Weil die Technologie aber noch nicht ausgereift ist, vermutet Johannes Stender vom Bündnis Aktiver Fußballfans, dass «das Schlimmste an Rfid noch nicht vorhersehbar ist». Die Fußball WM 2006 werde so zu einem Versuchsfeld für eine neue Technologie, sagte er der Netzeitung.

Bei der Fußballweltmeisterschaft werden alle Tickets und alle Stadien für die Rfid-Technologie ausgerüstet sein. Die Fifa bewirbt das Projekt mit einem «deutlich verbesserten Kundenservice». Durch die Personalisierung sei jedes Ticket «eindeutig und einmalig». Dadurch erhöhe sich die «allgemeine Sicherheit im Stadion» als auch der Service «beim Zutritt in den Eingangsbereichen», so offizielle Angaben des Verbands.

Aufrüstung der Stadien

Derzeit rüsten die betroffenen Vereine und Betreiber ihre WM-Stadien mit dem neuen Kontroll-System auf. Aber auch andere Stadien schalten auf Rfid um. So wird beispielsweise die Volkswagen-Arena in Wolfsburg zur kommenden Saison über die nötige Technik verfügen. Uwe Kämpfe, Leiter des Ticketing beim VfL, sieht «nur Vorteile» bei dieser Art der elektronischen Zugangskontrolle. Rfid bringe gleich mehrere Sicherheitsgewinne.

Durch den Identifikationschip lassen sich die Karten bei Verlust leicht sperren, Dauerkarten lassen sich für bestimmte Spiele frei schalten. Außerdem seien die Karten fälschungssicher und ermöglichten die «vollständige Kontrolle von Verkauf bis ins Stadion», so Kämpfe. Dadurch könne der Stadionbetreiber genau sehen, wann wer durch welches Drehkreuz gehe. «Somit lassen sich Besucherströme nachvollziehen und das Sicherheitspersonal kann sich leichter darauf einstellen.»

Den größten Vorteil sieht der Wolfsburger aber in der Möglichkeit des bargeldlosen Bezahlens im Stadion. Die Fans könnten dank der neuen Technik an der Theke ihr Bier bestellen und mit der Eintrittskarte bezahlen, erläutert Kämpfe. Danach wird das Geld einfach vom Konto abgebucht.

Handlesegeräte für Service

Ebenso soll auch das Olympiastadion in Berlin für die kommende Saison mit den nötigen Drehkreuzen und Lesegeräten ausgestattet werden. Und noch mehr: Auf den Zuschauerrängen wird Sicherheitspersonal mit Handlesegeräten durch das Stadion laufen, wie Hertha-Geschäftsführer Ingo Schiller berichtet.

Die Handlesegeräte werden laut Schiller jedoch vornehmlich für Service Aufgaben eingesetzt. Das Personal werde die Geräte für Platzeinweisung und andere Dienstleistungen benötigen, aber nur bedingt zur Überwachung einsetzen. «Das Hooligan-Thema gibt es schon lange nicht mehr», sagte er der Netzeitung, außerdem gebe es ohnehin eine lückenlose Videoüberwachung. Über Standbilder seien Rowdies schon jetzt eindeutig erkennbar.

Daten für Marktforschungszwecke

Bleibt das Problem des Datenschutzes. Stender vom Bündnis Aktiver Fußballfans: «Schon bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal wurden die Daten der Ticketinhaber an die Sponsoren zu Marktforschungszwecken weitergegeben. Um die Weitergabe an Dritte zu untersagen, musste man dies schriftlich beantragen.»

Wie eine mögliche Datenschutz-Politik in Zukunft aussehen könnte, zeigt der FC Schalke 04. Schon jetzt wird in Gelsenkirchen eine elektronische Zuganskontrolle benutzt. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Agb) für den Erwerb von Eintrittskarten gibt der Verein an: Der Ticketvertreiber Ticket und Secure GmbH (T&S) ist «berechtigt, solange kein Widerspruch des Kunden vorliegt, die erhaltenen Daten des Kunden zur Werbung, zur Marktforschung für Zwecke von T&S und zur bedarfsgerechten Gestaltung der Angebote von T&S zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen.»

Der Fußball-Weltverband wird seine Geschäftsbedingungen erst mit Beginn des Online-Vertriebs am 1. Februar bekannt geben. Es bleibt also noch offen, welche Daten der Fußballfan von sich preisgeben muss und was mit ihnen geschieht.

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Netzzeitung, Berlin , 21. Januar 2005
Original: http://www.netzeitung.de/sport/wm2006/322007.html

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