RFID-Chips gehört die Zukunft.
Mit Radio Frequeny Identification (RFID) wollen Supermarktketten in naher Zukunft ihre Logistik perfektionieren. Doch Kritiker sehen darin eine Gefahr für die Bürgerrechte.
Die Wunderwaffe des Handels gegen Diebstahl heißt RFID (Radio Frequency Idenfication). Diese winzigen Funkchips senden in der Regel ohne eigene Stromversorgung eine Kennung aus, um Waren in einem Kaufhaus zu identifizieren. Die RFID-Etiketten, die Nachfolger der Barcodes, können deutlich mehr Informationen tragen und sind zudem noch einfacher auszulesen. Der Handel verspricht sich neben der Diebstahlsicherung auch die Beschleunigung von logistischen Prozessen.
Doch Datenschützer haben erhebliche Bedenken, dass Kunden mit Hilfe dieser Chips ausspioniert werden. Sie befürchten Gefahren für die Privatsphäre und warnen vor einer Einschränkung der Bürgerrechte. Droht eine orwellsche Überwachung des Kunden?
Es gebe zwar sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für RFID, wie zum Beispiel die Rückverfolgung von Medikamenten, um sicherzustellen, dass diese keine Fälschungen sind. Doch manche Eigenschaften der Technik stellen möglicherweise eine Gefahr für den Datenschutz dar. So könnten RFID-Etiketten an Gegenständen angebracht werden, ohne dass der Käufer davon weiß.
Ein Versuch der britischen Supermarktkette Tesco zur Senkung der Diebstahlzahlen unterstreicht dieses Risiko. Sobald ein Kunde ein Packung mit Rasierklingen aus dem Regal nahm, schoss eine versteckte Kamera ein Foto von ihm. Bezahlte er an der Kasse, wurde wieder ein Foto von ihm gemacht. Und der Kunde bekam von diesem Vorgang nichts mit.
Im Zusammenhang mit einer Kundenkarte bekämen die Objekte so einzigartige Identifikationsmerkmale, die zur Errichtung eines Registrierungssystems geeignet sind. Entsprechende Datensammlungen könnten mit Personenidentifikationsdaten zusammengeführt werden. Es wären Bewegungsprofile von Personen erstellbar, ohne das die Betroffenen davon wüssten.
Versuchsweise arbeitet der Handel heute schon mit der RFID-Technologie. Im November 2003 führte die Metro als erstes Handelsunternehmen in Deutschland die Chips ein. "Durch den Einsatz von RFID-Chips versprechen wir uns grundsätzlich Einsparungen, die wir derzeit aber noch nicht konkret benennen können", sagte ein Sprecher der Unternehmens. Metro betont, RFID vor allem in der Warenlogistik zu nutzen.
Denkbar ist eine vollautomatische Erfassung sämtlicher Produkte in Lagerhäusern und Regalen der Supermarktketten. Dabei bekommt jedes Produkt und jeder Artikel eine individuelle Registrierungsnummer, die in einer Datenbank gespeichert ist. Wird dann der letzte Teebeutel im Supermarkt aus dem Regal genommen, wird automatisch per Funk eine Mitteilung an das Lager gesendet ? und Nachschub bestellt. Logistische Prozesse können so optimiert werden.
Spionage des Verbraucherverhaltens bestreitet Gerd Wolfram von der Metro AG: "Das RFID-Etikett ist nichts anderes als der Bar-Code heute. Damit haben wir keine andere Dimension, und der Kunde wird auch nicht transparenter, als er heute ist."
Noch ist ein Chip auf jedem Produkt Zukunftsmusik. Die heute verfügbaren Schaltkreise kosten rund einen Euro pro Stück. Doch selbst ein Preis von zehn Cent wäre indiskutabel für eine Branche, die ihre Stückkosten mit Zehntelcents kalkuliert.
Der Direktor des Auto-ID Center, Kevin Ashton, dämpft die Hoffnung des Handels, dass die Chips in kurzer Zeit flächendeckend genutzt werden können: "Vorher muss die Technik so ausgereift sein, dass man drahtlos vernetzte Computer auf Bananen und Kaugummipäckchen unterbringen kann."
Ashton relativiert auch die Intelligenz der Technik. Wenn von außen ein entsprechendes Signal kommt, senden die Chips eine Nummer aus und das auch nur über eine begrenzte Reichweite hinweg. Von den 24 Ziffern, die ein Chip aussendet, verweisen sieben auf die Identität des Herstellers, die restlichen Ziffern enthalten weitere Informationen des Herstellers oder des Händlers. Und diese Informationen finden sich in Datenbanken wieder, die nicht öffentlich zugänglich sind.
Also ist ein RFID-Chip nur eine Möglichkeit, um logistische Prozesse zu optimieren? Oder doch eine Möglichkeit den Kunden auszuspionieren und ihn mit gezielten, auf sein Kaufverhalten optimierte Werbemaßnahmen zu überziehen und ihn so zu manipulieren? Der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V (FoeBuD) jedenfalls bleibt skeptisch. Er verlieh der Metro AG 2003 einen BigBrotherAward für das Projekt "future store", mit dem die RFID-Technik in Deutschland propagiert werden soll.
Hintergründe:
Radio Frequeny Identification - Dossier des virtuellen
Datenschutzbüros zur RFID-Technologie: http://www.datenschutz.de/feature/rfid
Schaltkreis in der Milchtüte - Christoph Drösser beschreibt den
Supermarkt der Zukunft: http://www.zeit.de/2003/39/T-Supermarkt
Der Schnüffel-Chip im Joghurt-Becher - Bericht des WDR-Magazins
Monitor über Gefahren der RFID-Technologie: http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=554&sid=108
Positionspapier des FoeBuD mit Materialien und Links: http://www.foebud.org/texte/aktion/rfid/index.html
politik.de, 27. Januar 2004
Original: http://www.politik.de/informativ/news/newsartikel45.html