Die Experimente des Handels mit RFID-Chips gehen weiter - die Proteste gegen die Schnüffelchips auch. Am Samstag demonstrieren in Rheinberg FoeBuD und CCC, Fitug und andere gegen die RFID-Versuche der Metro. Mitinitiator padeluun erklärt, warum und wogegen.
Veit Mette
Der Bielefelder Künstler padeluun gehört zu den Initiatoren des FoeBuD, des "Big Brother Awards" in Deutschland und der Aktion "Stop RFID!"
SPIEGEL ONLINE: Für den Samstag hat der von Ihnen mitbegründete
"Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten
Datenverkehrs" FoeBuD zur Demonstration im hübschen Städtchen
Rheinberg aufgerufen. Worum geht es Ihnen?
padeluun: Im so genannten "Future Store" in Rheinberg testet der
Metro-Konzern den Einsatz von RFID-Chips. Wir demonstrieren gegen die
unbedachte und unkontrollierte Einführung dieser Technologien.
SPIEGEL ONLINE: Wo sehen Sie da die Gefahren?
padeluun: RFID-Chips kann man statt eines Warencodes auf Waren kleben.
Sie enthalten aber weit mehr Informationen als Barcodes und können
unbemerkt ausgelesen werden. Wenn ich mit meiner Einkaufstasche aus
dem Supermarkt komme und in den Bus einsteige, in dem meine Fahrkarte
irgendwann vielleicht auch per RFID ausgelesen wird, könnte erfasst
werden, wer ich bin, was ich so einkaufe, wohin ich mich bewege.
SPIEGEL ONLINE: Wäre das denn so schlimm?
padeluun: Im Einzelfall vielleicht nicht. Aber wenn ein
flächendeckendes Netz entsteht, wenn die Lesegeräte, die Chips überall
auftauchen, in Schuhe eingebaut sind, in Jacken eingewebt, im
Autoschlüssel ein RFID-Chip steckt, dann wird es schlimm. Je mehr
Datenbanken über Menschen entstehen, desto leichter kann darauf
zugegriffen werden, desto transparenter werden Menschen und desto
feiger werden sie sich verhalten.
SPIEGEL ONLINE: Damit setzen Sie voraus, dass die neue Technik
missbraucht wird. Der Handel verspricht den Kunden etwas ganz anderes:
RFID soll den Einkauf bequemer machen. Irgendwann, so die Vision,
wartet an der Kasse statt einer Warteschlange nur noch die Rechnung
auf uns, weil schon beim Bummeln erfasst wurde, was wir alles in den
Wagen gelegt haben. Klingt doch klasse, oder?
padeluun: Das klingt ganz toll, ist aber mit der verfügbaren Technik
weder heute noch in zehn Jahren möglich.
SPIEGEL ONLINE: Was für einen Sinn hat die Einführung von RFID-Chips
denn dann für den Handel?
padeluun: Die Vorteile für den Handel liegen zunächst einmal im
Bereich der Warenlogistik, bei Anlieferung und Disposition. Im Laden
selber hätte der Handel es natürlich auch gerne, dass er nur den
elektronischen Finger heben müsste und wüsste dann Bescheid. Aber
selbst an der Verkäuferin, die all die Produkte ab und zu auf Bestand
und Ablaufdaten prüft, geht vorerst kein Weg vorbei.
SPIEGEL ONLINE: Aus Ihrer Perspektive ist das ja eine gute Nachricht:
RFID-Chips sind noch gar nicht so weit, ihr Ge- oder
Missbrauchspotenzial auch nur ausschöpfen zu können.
padeluun: Das ist richtig. Erst ab Frequenzen ab etwa 2,5 Gigahertz
lässt sich das aus den Chips holen, was seine Befürworter sich
wünschen. Aber dann sollten sich die Kunden vor Betreten des Ladens in
Aluminium kleiden, um sich vor der Strahlung zu schützen.
SPIEGEL ONLINE: Heißt das für Ihre Protestaktionen, dass es Ihnen vor
allem um ein "Wehret den Anfängen" geht? Oder sehen Sie bereits
konkrete Möglichkeiten, RFID-Chips zu missbrauchen?
padeluun: Der Missbrauch ist doch gar nicht immer das Problem. Wir
haben jetzt zwar den Fall gehabt, dass die Metro AG heimlich einen
RFID-Chip in rund 10.000 Kundenkarten eingebaut hat, die sie nun als
Reaktion auf unsere Proteste wieder einstampft. Die ausgegeben Karten
werden gegen solche ohne Chips umgetauscht. Aber wir müssen beim Thema
Datenschutz gar nicht immer auf den Missbrauch sehen. Bei RFIDs
besteht die viel größere Gefahr darin, dass sie überhaupt verwendet
werden. Zum Aufbau von Datenbanken, zum Aufbau von Strukturen, die
möglich machen, dass ich von jedem Punkt der Erde aus Zugriff auf
recht persönliche Daten jedes beliebigen Menschen habe.
SPIEGEL ONLINE: Eine Kernforderung der Demonstration morgen ist die
Gründung eines Gremiums, das die Entwicklung und Einführung von
RFID-Technik überwachen soll. Gibt es so etwas denn nicht?
padeluun: Soweit wir das sehen können, gibt es im Augenblick keine
Aufsicht. Auch der Metro-Konzern sprach zwar immer von Dialog, meinte
aber einen in ihren eigenen Kreisen. Die zeigten ihre Entwicklungen
der Öffentlichkeit, dementierten aber prompt jedes Gegenargument. Das
hat sich jetzt verändert. Die Reaktion, den heimlich verbauten Chip
aus den Kundenkarten zu entfernen, ist ja nicht nur für uns ein großer
Erfolg, sondern im Grunde auch für die Metro. Mit diesem heimlichen
Chip in der Kundenkarte haben die doch so viel Misstrauen unter ihre
Kunden gestreut, dass die gar nicht mehr gern in den Laden gingen. Die
wussten ja gar nicht mehr, ob und wann sie beobachtet werden. Da ist
der reumütige Rückzug doch eine vertrauensbildende Maßnahme.
SPIEGEL ONLINE: Ist den ganz normalen Rheinberger Kunden denn bewusst, dass in diesem Future Store ein RFID-Experiment stattfindet? padeluun: Das wird denen spätestens klar, wenn wir morgen durch die Stadt gezogen sind. Rheinberg ist so klein, dass wir das Thema selbst mit einer kleinen Demonstration ganz groß in den Diskurs bringen. Es ist dabei gar nicht unser Interesse, diesen Konzern zu schädigen. Unser Interesse - wir sind ja Menschen, die sich gern mit Technologie beschäftigen - liegt darin, sicher zu stellen, dass RFID vernünftig eingeführt wird, wenn es schon passiert. Ohne, dass die Daten von Menschen erfasst werden, und ohne, dass es die Waren verteuert.
Mit padeluun sprach Frank Patalong
Die Aktion "Stop RFID!" wird von zahlreichen Gruppen und Vereinen getragen. Zu den Initiatoren und Unterstützern gehören neben dem FoeBuD e.V., der jährlich auch den "Big Brother Award" vergibt, unter anderem der Chaos Computer Club, Fitug, Attac, die Grüne Jugend, das "netzwerk neue medien" und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
Die Demonstration am Samstag, 28.02.2004, beginnt gegen 13 Uhr am
Bahnhof Rheinberg am Niederrhein.
Spiegel Online, 27. Februar 2004
Original: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,288182,00.html