RFID ist das Kürzel für "Radio Frequency Identification". Logistiker finden den Chip an der Ware unheimlich praktisch, Datenschützer dagegen nur unheimlich. Für die einen ist es die Technik der Zukunft, für die anderen der Schritt zum gläsernen Menschen.
Großer Auftrieb für einen kleinen Chip: Im Düsseldorfer Kongress-Zentrum treffen sich zurzeit rund 600 Vertreter von Handel und Industrie, um den Ausführungen der Referenten zum Thema RFID zu lauschen. Es ist der erste Kongress dieser Art auf europäischer Ebene, und er soll über aktuelle Entwicklungen informieren. Der Sprecher des Handelsriesen Metro, Albrecht von Truchseß, erwartet Neues zur zweiten Generation der Chips, die "einen Quantensprung" in der RFID-Technologie liefern soll.
Der Veranstalter, die GS1 Europe, erhofft sich weitere Schritte hin zu einer Standardisierung der Daten, die auf den kleinen Funkchips gespeichert werden. "RFID soll einmal den Strichcode ablösen, den wir heute haben", erklärt GS1-Sprecherin Monika Gabler. GS, das steht für globale Standardisierung, und für das Unternehmen, das bereits weltweit die Vergabe von Strichcodes standardisiert, ist RFID das Geschäft der Zukunft.
Denn der Markt mit der Radiofrequenz-Identifikation boomt: Nach einer Studie der Deutschen Bank wächst der Weltmarkt für RFID-Systeme von 2004 bis 2010 von 1,5 Milliarden auf 22 Milliarden Euro. Einer weiteren Studie zufolge verzehnfacht sich in diesem Zeitraum das Geschäft in den 15 alten EU-Staaten auf vier Milliarden Euro. Wirtschaftspolitiker sind gern gesehene Gäste auf den Kongressen und Tagungen der Branche. Der Bundesregierung ist die RFID-Technologie jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag an Fördergeldern wert.
Die Vehemenz, mit der der Logistiker DHL oder der Handelsriese Metro Group die neue Technik durchsetzen wollen, bereitet Datenschützern von Bund und Ländern Sorgen. Sie warnen: Durch die Zusammenführung der Informationen aus RFID-Tags mit personenbezogenen Daten, etwa Kundenkarten, lasse sich das Kaufverhalten einzelner Kunden detailliert analysieren. Chips in Fahrkarten speichern Bewegungsmuster von Bürgern, Chips in Fußball-Tickets können jeden Fan in Sekundenschnelle orten.
"RFID gibt den Betreibern die Möglichkeit zum Datensammeln mit einer neuen Qualität", bemängelt auch Rena Tangens vom Bielefelder "Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (Foebud). "Jeder Chip hat eine weltweit einzigartige Seriennummer, die über Funk abgefragt werden kann. So können Personen und ihre Vorlieben identifiziert werden." Der Foebud fordert, dass die Daten nicht von Dritten eingesehen und ausgelesen werden können.
GS1-Sprecherin Monika Gabler verweist auf den Entwurf einer Selbstverpflichtungserklärung, den ihre Organisation für Unternehmen und Wirtschaftsverbände vorgelegt hat. Das Papier, das nach 18-monatigem Drängen des Wirtschaftsministeriums erstellt wurde, stieß bei Daten- und Verbraucherschützern auf Ablehnung. Tangens, die bei den Beratungen mit am Tisch saß und deren Forderungen nach verstärkter Kontrolle der Unternehmen, nach Sanktionen und einer rechtlichen Basis nicht gehört wurden, findet, die Erklärung sei "das Papier nicht wert, auf dem sie steht". Der Verbraucherzentrale Bundesverband hält die Erklärung für völlig unzulänglich. Dabei ergebe der Einsatz von RFID-Technologie im Bereich der Logistik Sinn, so Tangens. "Nur im Handel hat das nichts zu suchen", so die Datenschützerin.
Der Metro-Konzern, die fünftgrößte Handelskette der Welt (Real, Extra, Saturn, Media Markt, Praktiker und Kaufhof), testet die Technik in einem "Future Store" in Rheinberg bei Mönchengladbach. Derzeit, so Metro-Sprecher von Truchseß, konzentriere man sich aber ganz auf das Thema Logistik, überdies sei die nächste Generation von RFID-Chips schon sicherer. Solche Beteuerungen mögen die RFID-Kritiker den Metro-Leuten nicht mehr glauben, seit sie 2004 auf einer Payback-Karte des Extra-Future-Store einen RFID-Chip entdeckten. "10.000 Kunden liefen ein Jahr damit rum, ohne etwas von dem Chip zu ahnen", so Tangens. Auch den Datenschutzbeauftragten habe Metro die Existenz des Chips verschwiegen.
Metro begründete den Einsatz des Chips in der Kundenkarte seinerzeit mit dem Jugendschutz: Damit habe man DVD-Trailer freischalten wollen, die erst ab 16 Jahren freigegeben waren. Dass der Hinweis auf den Chip in den Kartenanträgen fehlte, sei Teil eines Lernprozesses. Die Karten wurden einen Monat nach der Entdeckung eingezogen, die Chips nicht mehr eingesetzt. Tangens wirft dem Unternehmen vor, es wolle "diese Technik durchsetzen, koste es was es wolle."
Noch ist die Technik nicht stabil, Metall und Flüssigkeiten stören die Funksignale der integrierten Chip-Antennen. Die zweite Generation soll das richten. Gabler rechnet damit, dass es noch acht bis zwölf Jahre dauert, bis der RFID-Chip seinen Weg zum flächendeckenden Einsatz im Handel gefunden hat. Von Truchseß spricht von zehn bis 15 Jahren, bis der erste Supermarkt an jeder Ware einen Chip hat. Und der Foebud will dafür sorgen, dass "sich diese Technik niemals durchsetzt".
Frank Zirpins
tagesschau.de, Hamburg, 06. September 2006
Original: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5881200_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html