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Der gläserne Käufer wird Realität

Mit neuen Warenchips können Verbraucherwünsche nachvollzogen werden. Es droht umfassende Kundenkontrolle

Es klingt verlockend: Bald kauft man im Supermarkt Biofleisch und kann mittels eines Funkchips auf dem Etikett sicher sein, dass das Schnitzel wirklich von einem Biobauernhof stammt. Die Technik, mit der alle Daten des Schnitzels vom Schlachter bis zur Ankunft im Supermarkt gespeichert und übertragen werden, heißt Radio Frequency Identification, kurz RFID.

Im Supermarkt der Zukunft könnte aber auch Folgendes passieren: Man reicht dem Kassierer seine Kreditkarte, um das Bioschnitzel zu bezahlen. Dieser fragt, warum man nicht wie sonst die Hähnchenbrust genommen hat. Durch die RFID-Technik wird es möglich, Benutzerprofile mit den Vorlieben des Kartenbesitzers zu erstellen.

Genau das kritisieren Datenschützer und Politiker. "RFID ist riskant, da diese Technologie zur Kontrolle, Überwachung und Manipulation der Bürger eingesetzt werden kann", sagt Rena Tangens vom Bielefelder Datenschutzverein FoeBuD. Die Grüne Bundestagsabgeordnete Silke Stokar warnt davor, mit Hilfe der RFID-Technik "globale Datenbanken aufzubauen".

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar fordert Auflagen für den Einsatz der neuen Technik. Jeder Verbraucher müsse darüber informiert werden, wann seine Daten mittels des Funkchips gespeichert werden, sagt Schaar. Zudem müssten die Hersteller ausschließen, dass Dritte die Daten lesen könnten. Auch sollten die Chips auf den Etiketten sofort zerstört werden, nachdem man seine Ware bezahlt habe.

Als Geschäftsführerin des Informationsforums RFID vertritt Andrea Huber die Interessen der 15 Firmen, die den Funkchip entwickelt haben. Sie wolle dafür sorgen, dass die Chips deaktiviert würden, sobald die Kunden bezahlt hätten, verspricht Huber. Davon können die Besitzer der 3 Millionen WM-Karten nur träumen. Jedes Ticket ist mit einem RFID-Chip ausgestattet. Es ist nicht vorgesehen, dass die Chips mit Seriennummer und Information über den Besitzer an den Lesegeräten am Eingang der Stadien deaktiviert werden.

Bei den WM-Tickets kommt die RFID-Technik in Deutschland erstmals massenweise zum Einsatz. In vielen deutschen Skigebieten allerdings sorgen die Funkchips schon seit Jahren dafür, dass Skifahrer ihre Tageskarten nicht mehr in die Lesegeräte an den Liften stecken müssen.

In einem Supermarkt bei Duisburg wurde der Chip 2004 in einem Modellversuch der Metro-Gruppe erprobt: Alle Waren trugen einen RFID-Chip, die Kunden konnten mit entsprechenden Kundenkarten bezahlen. Aber: Nach dem Kauf wurden nicht alle Chipdaten an der Kasse gelöscht. Erst auf Protest von Datenschützern nahm Metro die Kundenkarten zurück.

Bis RFID-Chips auf allen Warenetiketten in den Supermärkten und nicht nur im Modellversuch zu finden sind, werden noch einige Jahren vergehen. Dafür ist der Chip noch nicht billig genug, sagt RFID-Geschäftsführerin Huber. Momentan kostet jeder Chip 10 Cent. "Das ist noch zu teuer, um es auf einen Joghurtbecher serienmäßig anzubringen." Das rechnet sich erst bei einem Preis von 1 Cent.

Mauritius Much

tageszeitung, Berlin, 31. Mai 2006
Original: http://www.taz.de/pt/2006/05/31/a0084.1/text

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