Datenschützer aus Nordrhein-Westfalen protestieren gegen das Verfahren zur Eintrittskartenvergabe für die Fußballweltmeisterschaft 2006. Die Art und Weise der Ticket-Vergabe lasse darauf schließen, dass es nicht nur um den Kartenverkauf, sondern auch um eine groß angelegte Daten-Sammelaktion ginge, kritisieren die Aktivisten.
Die ausschließlich über das Internet zu bestellenden Karten sind nur mit der Preisgabe persönlicher Daten zu bekommen. Ob die interessierten Fans ein Ticket erhalten oder nicht, Angaben zu Geburtsdatum, Reisepass- oder Personalausweisnummer, Bankcard- und Kreditkartendaten sind Pflicht. Natürlich müssen die Fans auch ihre Email- und und reale Adresse angeben. Der Bielefelder Datenschutz-Aktivist padeluun vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) kritisiert die Datensammelwut der Ticketverkäufer. "Die geben sogar ganz offiziell zu, dass die Daten nachhaltig Verwendung finden sollen", sagt er. FoeBuD vergibt jährlich den Big Brother Award und ehrte mit dem Preis unter anderem schon die Praxis von Urintests an Auszubildenden bei der Bayer AG und Tchibos schwunghaften Handel mit Kundendaten.
Die Nachhaltigkeit der Datenaufbewahrung macht sich vor allem an einem Punkt der Datenerfassung beim Ticketverkauf deutlich: Angeblich sollen Ticket-Käufer auch ihren Lieblingsverein ins Formular eintragen müssen. padeluun bemängelt, dass die Daten nicht nur mit dem Ticket-Verkauf verknüpft seien, sondern auch Drittländern und Sponsoren zugänglich gemacht würden. "Wen in Nigeria geht meine E-Mail-Adresse etwas an? Wieso soll Sponsor Philips erfahren, welchem Verein mein Herz gehört?", fragt er. Zudem kritisiert er, dass die Daten für jedes Ticket angegeben werden müssen. Das sei datenschutzrechtlich höchst bedenklich, denn "was berechtigt mich, die Daten meines Freundes, für den ich ein Ticket ordere, preiszugeben?" Problematisch am Ticketing des Organisationskommitee sei außerdem, dass jede Eintrittskarte mit einem einmaligen Chip ausgerüstet ist, die eine lückenlose Überwachung des Fans möglich mache. Die Funkchips mit RFID-Technik sind berührungslos auslesbar, die Lesegeräte dafür können überall aufgestellt werden.
In der Arena auf Schalke wird das seit ihrer Eröffnung schon gemacht, und Pressesprecher Gerd Voss ist von der Technik und ihren Möglichkeiten begeistert: "Die Chips sind praktisch fälschungssicher, wir merken sogar, wenn jemand mit einer durch den Zaun gesteckten Karte das Stadion betreten will." Dann leuchte in der Nähe eines Drehkreuzes eine rote Lampe auf, ein Ordner könne dann die Karte persönlich überprüfen, sagt Voss. Um die Vorgaben des Organisationskommitee erfüllen zu können, müssten nur noch kleinere Änderungen vorgenommen werden, "je nachdem welche Daten noch zusätzlich auf den Chip kommen". Denn hinter jeder einzigartigen Nummer einer Karte hänge noch eine Datenbank sagt Voss. Das spare schließlich Geld beim Ordnerpersonal und bei der Vergabe von Dauerkarten. Denn der Fußballclub muss nicht jedes Jahr neue Karten zuschicken, die Lesegeräte wissen, wer für die Dauerkarte überwiesen hat und wer nicht.
Welche Daten das Organisationskommitee erhält und weitergibt, wollte auch das Bundesinnenministerium gestern nicht sagen. Immerhin sitzt Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) im Aufsichtsrat des Gremiums. Im November vergangenen Jahres erklärte er in Berlin auf der 4. Sicherheitskonferenz zur WM 2006: "Wir schaffen damit eine nationale Stelle, bei der alle Informationen und Analysen der zuständigen nationalen und internationalen Sicherheitsbehörden zusammenlaufen und koordiniert werden. Aus den Informationen entstehen nationale Lagebilder, die allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden." Die Pressesprecherin des Innenministeriums, Gabi Kautz, sagte gestern, das Ministerium werde keine Stellungnahme abgeben, denn "die Verantwortung für das Ticketing liegt allein beim Organisationskommitee".
taz NRW Nr. 7571 vom 22.1.2005, Seite 2, 138 TAZ-Bericht ELMAR KOK
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Elmar Kok
taz NRW, 22. Januar 2005
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