Wer sich ein Spiel bei der Fußball-WM im eigenen Land anschauen will, wird nicht erst an den Einlass-kontrollen im Stadion durchleuchtet. Bereits bei der derzeit laufenden Bewerbung für das Losverfahren um die Karten müssen die Fans so viele Daten von sich preisgeben, dass die Datenschützer bereits auf den Plan gerufen sind. Das Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) erwartet den "gläsernen Fan", der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) spricht von "inquisitorischen Fragebögen" und "verwanzten Tickets".
Stein des Anstoßes sind die Fragebögen, die Daten wie Alter, Geschlecht, Nationalität und Adresse abfragen und dazu noch die Ausweisnummer jedes Bewerbers. "Es würde ausreichen, die letzten vier Ziffern des Personalausweises zu erheben", sagte Deutschlands oberster Datenschützer Peter Schaar. Auf dem Formular wird zudem der Eindruck erweckt, dass die Fans der Weitergabe ihrer Daten zu Werbezwecken zustimmen müssen, damit ihre Kartenbestellung überhaupt bearbeitet wird.
Das hält der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) für einen Verstoß gegen das Transparenzgebot und eine unangemessene Benachteiligung der Kunden. Er hat deshalb eine Abmahnung an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) geschickt. Bis 14. Februar muss der DFB Stellung beziehen, sagt Sprecher Carel Mohn. Sonst droht eine Einstweilige Verfügung, die den Kartenverkauf zum Erliegen bringen könnte.
Groß ist die Sorge bei den Datenschützern deswegen, weil jede der insgesamt 3,37 Millionen Karten mit einem so genannten RFID-Chip (Radio-Frequency Identification) ausgestattet ist. "Keiner weiß, was auf den Chips gespeichert ist", sagt Johannes Stender, einer der BAFF-Sprecher. Laut WM-Organisationskomitee wird auf jedem Chip eine verschlüsselte Identifikationsnummer gespeichert, um das Ticket einzigartig zu machen.
Doch das glauben die Datenschützer noch nicht. "Ohne Lesegerät kann das keiner nachprüfen", sagt Stender. Auch das Argument des Schwarzmarkthandels wollen die Wächter nicht gelten lassen. Der Handel wird nicht unterbunden, er wird nur teurer, heißt es.
Insgesamt soll der Eintritt durch den Chip unkomplizierter werden. Kartenabreißer gehören der Vergangenheit an, stattdessen funkt der Chip am Eingang einem Lesegerät aus kurzer Distanz seine Nummer zu. Mit der dahinter geschalteten Datenbank wird festgestellt, ob die Daten stimmen und der Eingang gewährt. "Das funktioniert nur auf ganz kurze Entfernungen bis zu 15 Zentimeter und ist bereits hundert Millionenfach im Einsatz", sagt Andreas Parchmann, Unternehmenssprecher von Philips in Hamburg.
Die Monatsfahrkarten für die Londoner U-Bahnen haben einen RFID- Chip, das Maut-System in Singapur funktioniert damit und ebenso zahlreiche Skilifte in den Wintersportgebieten der Alpen. Auch bei den Fußball-Bundesligisten Schalke 04, Hamburger SV und dem Zweitligisten Fortuna Köln ist der Chip bereits im Einsatz.
Bei der WM werden die Chips in das Papier der Karten eingelassen. "Schließlich wollen viele Zuschauer die Eintrittskarten als Souvenir behalten", sagt Gerd Graus vom WM-OK. "Manipulation ist ausgeschlossen und die Datensicherheit um ein Vielfaches höher als etwa bei einer Karte mit Magnetstreifen", sagt Parchmann. Dem Argument, jeder Zuschauer sei mit Hilfe des Chips im Stadion auszumachen, erteilt Parchmann eine Absage: "Mit einem gewöhnlichen Handy ist man leichter zu orten."
Die Datenschützer fordern vom Fußball-Weltverband FIFA auch weiterhin, keine sensiblen Daten zu erheben und sie vor allem nicht an Dritte weiterzugeben. Auch der vbzv macht sich für die Datensparsamkeit stark. Denn es sei ein riesiges Marketing- Instrument, wenn die Daten an die Adressindustrie weitergegeben werden. Rund 40 Millionen Menschen werden sich Erhebungen zufolge um WM-Karten bewerben.
T-Online, Darmstadt, 09. Februar 2005
Original: http://onwirtschaft.t-online.de/c/34/08/25/3408258.html