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Der Chip im Schuh

Dezember 2004 / Januar 2005

Mit Lesegeräten erfassbare Mini-Chips in allen Gegenständen sollen die Kontrolle von Warenströmen und -beständen erleichtern und vor Diebstahl schützen. Daten- und Verbraucherschützer warnen vor der Gefahr totaler Überwachung

Die RFID-Technik (Radio Frequency Identification = Identifikation per Funk) wird die Handels- und Warenwelt verändern. Diese Technik verpasst jedem produzierten Gegenstand einen Chip mit einer einmaligen Nummer. Mittels Lesegerät können so Transport und Bestand von Waren, deren sachgemäße Lagerung und die Vollständigkeit überprüft, die Inventur erleichtert, verloren gegangene oder gestohlene Produkte ausfindig gemacht werden. Das Aufspüren von Giftstoffen in Elektromüll, das Einsortieren falsch zurückgestellter Bücher in der Bibliothek oder das Finden vermisster Koffer auf Flughäfen wäre dann ebenso möglich, wie das Entlarven illegal gepanschter Medikamente. So weit, so gut, sagen weltweit Daten- und Verbraucherschützer. Die kosten- und zeitsparenden Vorteile der Technik werden nicht geleugnet. Neu ist die Technik auch nicht, jedoch gibt es immer größere Möglichkeiten des Missbrauchs. Ein entsprechendes Gesetz zum Umgang mit der Technik fehlt. Das hat bei Daten- und Verbraucherschützern Alarm ausgelöst: Weil die Chips unsichtbar in Kleidung, Autos, Schuhsohlen, Büchern, Taschen oder Brillen eingepflanzt werden können. Auch die Lesegeräte seien so klein, dass sie unauffällig in Fußböden, Verkehrsampeln, Türrahmen oder Wänden installiert werden können. Ohne es zu wissen, würden somit jede und jeder eine Datenspur legen. Für den Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung, Peter Schaar, geht es nicht mehr allein um Logistikkontrolle und Diebstahlschutz. Die Gefahr werde realer, dass der „gläserne Mensch" entsteht. Vor allem, wenn Geldscheine, Ausweise, Fahr-, Kredit und Eintrittskarten (vorgesehen ist Letzteres für die Fußball-WM 2006 in Deutschland) „RFIDisiert werden". So würden personenbezogene Daten gespeichert, die mit verschiedenen Datenbanken verknüpfbar wären. Und das sei mit dem „Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar", sagt Peter Schaar. Eine Sendung des Bayerischen Rundfunks wurde deutlicher: „Es ließen sich Profile erstellen, an denen sehr schnell auch Regierungen, Geheimdienste und ähnliche Organisationen großes Interesse hätten." Bisher hat vor allem der Handel Interesse bekundet: zwecks Gewinn bringender Rationalisierung (zu Lasten der Arbeitsplätze) bei der Lagerhaltung und an den Kassen. Vorreiter sind Konzerne wie Metro in Deutschland, Wal-Mart in den USA und Tesco in Großbritainien. Das Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden soll erforscht und beeinflusst werden. Beispiel Metro: Im extra Future Store in Rheinberg (Nordrhein-Westfalen) testet der Metro-Konzern innovative Techniken für den Einkauf. Dort wurde rund 10000 Kundenkarten (Payback) mit RFID-Chips an die Kund/innen ausgegeben, ohne dass diese davon erfuhren. Ihr Weg und ihr Verhalten im Supermarkt konnte lückenlos kontrolliert werden. Erst nachdem der auch mit ver.di zusammen arbeitende Bielefelder „Verein zur Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) diese Machenschaft publik gemacht hatte tauschte Metro die Karten gegen herkömmliche aus.

Foto beim Griff zur Rasierklinge

Beispiel USA und Großbritannien: Wer bei Wal-Mart Rasierklingen der Marke „Gilette" in die Hand nimmt, wird, aktiviert vom Chip in der Verpackung unbemerkt fotografiert. Bei Tesco lösen in Lippenstifthüllen integrierte Chips eine Videokamera aus. Begründet wir der Einsatz mit dem Vermeiden von „Schwund". In Nordrhein-Westfalen hat laut FoeBuD ein Bekleidungshaus heimlich persönliche Daten von Schülerfahrkarten abgelesen, um gezielt Werbung betreiben zu können. (Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr bestreitet gegenüber ver.di PUBLIK diese Möglichkeit). Chipbestückte Schlüssel oder Karten zum Öffnen von Türen im Betrieb können Arbeitgebern Bewegungsbilder der Beschäftigten verschaffen Lesegeräte ließen sich überall unerkannt installieren. Wenn zudem per Schlüssel oder Karte an der Kantinenkasse Verzehr und Einkauf zum Abbuchen registriert werden, könnte der Chef auswerten, wie viel Cola oder Kaffee seine Leute trinken, ob sie häufig Zigaretten oder Alkoholika kaufen und ob Fehlzeiten auf diesen Konsum zurück zu führen sind. Dagegen hilft nur eine Betriebsvereinbarung, die das Sammeln und Auswerten solcher Daten verbietet.

Daten- und Verbraucherschützer zahlreichen Ländern wollen mit Gesetzen den Missbrauch von RFID zumindest erschweren. Sie verlangen in einer gemeinsamen Stellungnahme:

• das Kennzeichnen RFID-haltiger Gegenstände,

• das Verbot des heimlichen Ablesens und des Zwangs, derartige Etiketten zu akzeptieren,

• das Entfernen oder löschen der Chips spätestens beim Bezahlen (dies muss auch den Kunden erlaubt sein).

„Die Rückverfolgung von Menschen ist unzulässig, sei es direkt oder indirekt durch Kleidung, Konsumgüter oder andere Gegenstände“, heißt es in der Stellungnahme.

Für die Bundesregierung ist kein „ergänzender datenschutzrechtlicher Regelungsbedarf erkennbar", so die Antwort auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Gisela Piltz. Dennoch gibt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine Studie in Auftrag. Eine Arbeitsgruppe europäischer Datenschützer will klären, welche RFID-Technik sinnvoll, welche nicht praktikabel und welche rechtlich bedenklich sind. Die Gegner sind unterdessen auch nicht untätig. FoeBuD berichtet bereits von der Entwicklung eines preisgünstigen Geräts für den Alltag zum Aufspüren und Unbrauchbar machen der Schnüffelchips. Mehr Informationen zum Thema RFID im Internet: www.foebud.de www.bfd.bund.de www.rf-news.de www.datenschutz.de

ver.di - Online-Rechte für Beschäftigte
Original: Nicht bekannt

© WWW-Administration, 08 Mar 06